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Nach der isländischen Reise hat Heinrich Brockhaus nur noch Aus flüge in der Dauer von einigen Monaten gemacht. Auf dem letzten im Sommer 1874 wurde er durch Unwohlsein unterbrochen; Ende August mußte er Plötzlich heimkehren, die Kräfte nahmen allmählich ab, und so erlosch nach längeren Leiden in der dritten Morgenstunde am 15. November1674dasLebenslichtdes bis vor wenigWochen noch geistig regen, an allen Vorgängen in seinem vielverzwcigten Etablissement selbst noch auf dem Krankenlager Antheil nehmenden Mannes. Allgemeinste Theilnahme sprach sich an seinem Sarge aus, der neben den trauernden und von Schmerz gebeugten Familiengliedern in erster Linie von zahlreichen Freunden und Deputaten leidtragend umstanden war. Wer und was der Verschiedene in seinem Berufs leben gewesen, ist mit eherner Schrift in den Annalen des deutschen Buchhandels niedergelegt. Ueber Heinrich Brockhaus als Mensch aber, über sein humanes, liebenswürdiges Wesen, wie cs im gesel ligen Verkehre niit Menschen der verschiedensten Lebensstellung und Parteirichtung, insbesondere aber auch in dem Verhältnisse, in wel chem er zu seinem zahlreichen Personal stand, sich wohlthucnd offen barte, kann, wie auch kürzlich noch ein anderer Biograph ausgespro chen, nur Eine Stimme sein: die der freundlichsten, unumwundesten Anerkennung. In seinen außerordentlichen Anlagen, den großen Eigenschaften seines Geistes und dem Adel und der Liebenswürdig keit seines Charakters ebensowohl als in der glücklichsten Ausbil dung aller dieserEigenschasten war eine in derThat sichselten findende Harmonie. Gehoben von dem edlen Stolze eines freien, unabhängigen Man nes, hat Heinrich Brockhaus nie nach Orden oder sonstigen Auszeich nungen gestrebt. Aber daß er im Jahre 1856, damals gerade auf seiner Reise im Orient begriffen, von der Universität Jena bei Gelegen heit der Feier des dreihundertjährigen Bestehens dieser Hochschule als „Anerkennung seiner Verdienste um Verbreitung allgemeiner Bil dung" zum Doctor der Philosophie douoris causa, ernannt worden, hat er mit dankbarem Herzen entgegengenommen. Im Jahre 1856 feierte er das fünfzigjährige Jubelfest der Firma an der Spitze eines großartig ausgcblühten Geschäfts, und hat dann auch noch die Freude erlebt, am 4. Mai 1872 in Verbindung mit dem hundertjährigen Geburtstag seines Vaters, des Gründers der Firma, das Jubiläum seiner eigenen fünfzigjährigen Geschäftsthätigkeit im Kreise seiner Familie, seines Personals, seiner Freunde und Bekannten festlich zu begehen. Er machte dieses Doppelfest in seinem und seiner Söhne Namen durch eine wesentliche Stiftung für verdiente Mitarbeiter des Geschäfts in Zeiten der Noth auch für die kommenden Geschlechter zu einem Gedenktag. Bei Gelegenheit dieses letzteren Festes wurde dem Jubilar Heinrich Brockhaus von dem Rath der Stadt Leipzig „in Anerkennung der vielfachen Verdienste um die Stadt Leipzig in seinem gemeinnützigen Wirken als Stadtverordneter und Landtags abgeordneter" mit der Ertheilung des Ehrenbürgerrechts die höchste Ehre zutheil, welche eine Stadt zu verleihen vermag. Mit Heinrich Brockhaus' Tode ist die Firma F. A. Brockhaus in allen ihren Abtheilungen auf seine beiden Söhne vr. Heinrich Eduard Brockhaus und Heinrich Rudolf Brockhaus, die ihm gleich gesinnten bisherigen treuen Genossen in Ausführung seiner Schö pfungen, übergcgangen. Eine Nachfeier des Doppel-Jubiläums vom 4. Mai 1872, welche am 5. Mai 1872 in der Wohnung von Heinrich Brockhaus in einem engern Familien- und Freundeskreise stattfand, gab dem selben Veranlassung, sich über seine fünfzigjährige geschäftliche Wirksamkeit auszusprcchen. Er schloß jene interessanten Mitthei lungen aus einem reichen, gesegneten, aber zu Zeiten auch sorgen vollen Leben mit den Worten: „Nicht mir steht cs zu, über den Werth und die Bedeutung meines Geschäfts, wie cs jetzt ist, zu urtheilen, aber das wird man mir zu sagen gestatten, daß ich dasselbe als ein durchaus gesundes, aus guter Basis ruhendes ansehe. „Als einen Segen habe ich auch empfunden, daß die Entwick lung des Geschäfts mich zeitig darauf hingewiesen hat, daß ich das selbe nicht in einem ängstlichen, kleinlichen Style fortführcn und zu weiterer Entfaltung bringen könnte. „Sparsamkeit habe ich da, wo sie angewcndet war, stets geübt, aber das Heil des Geschäfts nicht allein darin gesehen. „So ist es mir möglich gewesen, als einen der Grundsätze für meine Geschäftsleitung stets das »Leben und Lebenlassen« anzunch- men und auszuüben. „Ich blicke an dem heutigen Tage mit dankerfülltem und de- müthigem Sinne auf so manche mir gewordene Gunst des Geschicks zurück. Nicht glaube ich, das, was ich besitze, in jeder Weise ver dient zu haben, und es kann mich nur zur Bescheidenheit stimmen, wenn ich sehe, wie geistig höher begabte und auch sonst tüchtige Na turen oft bei weitem nicht das erreichten, was mir zutheil geworden ist. Wenn aber Jemand, dieses überschätzend, meinen sollte, meinGe- schästsleben sei doch gar so köstlich gewesen, so erwidere ich mit den Worten der Bibel: »Und ist es köstlich gewesen, so ist es Mühe und Arbeit gewesen«. Dieses ist auch ein Stolz, dessen ich mich nicht zu schämen brauche." Und mit diesen seinen eigenen, ihn so ganz charakterisirenden Worten mag denn auch diese Skizze über Heinrich Brockhaus, diesen Charakter seltener Größe, geschlossen sein! Leipzig, im December 1874. Wilhelm Cramer. Rechtfälle. Leipzig, II.Dec. Eine Entscheidung von höchster Wichtig keit für den Musikalienverlag ist heute beim Reichs-Obcrhandels- gericht gefällt worden. Der Fall war folgender: Herr Ackcnsin Burtscheid hatte die Compositiou von Jul. Rietz: „Im grünen Wald"in vier Stimmen ohne Genehmigung des Verlegers, Herrn Robert Seitz in Leipzig, für den Gesangverein Coucordia durch lithographischen Ueberdruck mechanisch vervielfältigen lassen, obwohl vom Verleger auf der Partitur ausdrücklich das Verbot des Nachdrucks ausgesprochen worden, und Hr.Ackens in deren Besitz war. In erster Instanz war Hr. Ackens nach dem Gesetz vom 11. Juni 1870 in Geldstrafe, Geldbuße und Kosten verurtheilt worden, hatte aber dagegen Berufung eingelegt und die corrcctionelle Appellkammer hatte das Urtheil erster Instanz aufgehoben und die Anklage ab gewiesen. Hr. Rob. Seitz legte dagegen Cassationsrccurs ein, da durch kam die Sache au das Reichs-Obcrhandelsgericht und dasselbe hat, so weit es konnte, da die Staatsanwaltschaft unbegreiflicher Weise nicht Cassation eingelegt hatte, das zweitinstanzliche Urtel vernichtet und Hrn. Ackens in die Geldbuße und einen Theil der Kosten verurtheilt, den andern Theil aber der Staatscasse auf- crlcgt. Der Gegenstand ist so wichtig, daß wir, sobald wir in, Besitz der drei Urtel sein werden, dieselben in oxtsnso den Lesern dieses Blattes mittheilcn werden. MiSrellen. Die französische Regierung soll den öffentlichen Blättern zufolge einen Vertrag mit Deutschland über den Schutz des literarischen Eigenlhums vorbereiten; die Grundlagen, auf denen die Conven tion abgeschlossen werden soll, seien indessen im Einzelnen noch nicht festgcstcllt. Personalnachrichtcn. Herrn Edm. Gaillard in Berlin ist von dem Großherzog von Hessen die goldene Medaille für Verdienste in Wissenschaft, Kunst rc. verliehen worden.