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Mein Gott, das ist Za schrecklich! Wer ersetzt uns nun den Schaden?" „Warte nur — das Schrecklichste kommt erst! Indem nämlich die einzelnen Teile zerbrachen, teils ganz aus einanderfielen, kamen Papiere zum Vorschein, die sich offenbar in einem uns allen, Wahrscheinlich auch Berta Randal unbekannten Geheimfach befunden haben müssen, alte Briefe, einige Sylvia betreffende Doku mente und — ein Testament von Karl Theodor verfaßt!" „Ein — Testament —?" stammelte Malwine Sie bert, bis in die Lippen erbleichend. „Karl Theodor hinterließ — ein Testament? Mein Gott, er wird doch nicht —" „Ja, ich fürchte sehr, daß er darin Sylvia, für die er ja eine so große Vorliebe besaß, zur Erbin bestimmt haben wird! Mr werden im besten Falle mit — Le gaten abgefertigt sein!" „Aber das ist ja ganz entsetzlich — mir zittern alle Glieder vor Schreck." Frau Siebert ließ sich in einen Stuhl fallen. „Weiß man denn schon etwas über den Inhalt dieses fürchterlichen Testaments?" „Nein. Es soll morgen in Gegenwart von uns Er ben bei Gericht eröffnet werden!" j „Aber was fangen wir denn nun an, Olga? Kann man uns denn zwingen, alles wieder herauszugeben? Ich habe ja nicht einmal mehr das ganze Geld! Ich schaffte doch allerlei an für die Mädchen —" „Darüber eben wollte ich mich ja mit Adolf beraten! Wir müssen da natürlich solidarisch vorgehen. Meiner Meinung nach müßte sich das Testament doch anfechten lassen, da Sylvia nicht mit Randals verwandt war." s Draußen klingelte es. Frau Siebert sprang auf. „Das ist Adolf — gott lob!" — Siebert kam in Lester Stimmung heim. Die in Lin denhof erlittene Demütigung hatte er bereits so ziem lich überwunden. Schließlich war die Anweisung in seiner Tasche doch eine Tatsache so erfreulicher Art, daß man die unangenehmen Begleitumstände darüber ver gessen konnte. Aber sein Gesicht wurde nun doch von Minute zu Minute länger, als die beiden Frauen mit der Hiobs post von dem aufgefundenen Testament über ihn her fielen. Die Erbschaft wieder herausgeben — das war freilich keine angenehme Ueberraschung! Indes, während er zuhörte, berechnete er im stillen bereits, daß es für ihn persönlich gar nicht so schlimm aussah. Denn während die anderen drei Erben nun alles verloren, blieb ihm selbst ja doch immer noch die Million, also weit mehr, als sein Anteil an der Randal- schen Erbschaft nach Abzug der Steuern und Gebühren betragen hätte. Adolf Siebert zerstörte alle Hoffnungen auf eine mögliche Anfechtbarkeit des Testaments, indem er den beiden Frauen mitteilte, daß Sylvia Karl Theodors Tochter sei, was gewiß auch in dem Testament erwähnt sein würde. „Aber woher weißt du denn dies alles?" fragte die Hofrätin kleinlaut, als er schwieg. Siebert antwortete ruhig: „Durch Nachforschungen, die ich jener Briefe wegen — du weißt, sie wurden seinerzeit als Autogramme ausgeboten — anstellte. Marenzeller leitete mich auf die Spur, so brachte ich alles heraus. Sylvia befindet sich übrigens bereits — was euch gewiß interessieren wird, — bei ihrer Mutter, einer Frau Helleport, die viele Millionen besitzt!" „Welche Ungerechtigkeit vom Schicksal!" rief Frau Malwine empört. „Und da erbt sie uns nun auch noch Karl Theodors Geld vor der Nase weg!" Richard« Helleport war etwas ruhiger aus dem Po lizeibureau heimgekehrt. Der negative Erfolg — daß bisher kein Unglücksfall gemeldet worden war, auf dessen Opfer die Personalbeschreibung der beiden Ver- schwund«len irgendwie stimmte — erschien ihr schon etwas tröstlich. Und da sie sofort hohe Preise aussetzte für die Aus findigmachung ihrer Tochter sowie deren Bräutigam, ja sogar für jede Nachricht über die beiden, kamen ihr die Beackken äußerst liebenswürdig entgegen, und das ganze verfügbare Personal war bald auf den Beinert. Telegraph und Telephon spielten nach allen Rich tungen; und als der Leiter des Amtes sie schließlich per sönlich bis an ihren Wagen begleitete, gab er ihr dre tröstlichsten Versicherungen mit auf den Weg. Auch versprach er sofortige Verständigung, sobald irgend eine Spur der Vermißten gefundep uwrdeu ser. Für Richarda und Elena bedeutete hauptsächlich das Gefühl eine Erleichterung, daß nun wenigstens alles geschehen sei, was sich für den Augenblick hatte tun lassen. Sie verbrachten den Nachmittag zusammen im Garten, Luftschlösser für das Glück ihrer Kinder bauend. Richarda war vollkommen damit einverstanden, daß das junge Paar sobald als möglich heiratete, bat aber Elena um Fürsprache bei ihrem Sohn, daß er ein willige, mit Sylvia auf Lindenhof zu wohnen, wohin auch Frau Trojan übersiedeln solle.' „Glaubst du, daß er es tun wird? Ich will ihm ja ganz gewiß nicht lästig fallen als Schwiegermutter und Sylvia nur dann für mich beanspruchen, wenn sein Be ruf ihn auswärts in Anspruch nimmt," sagte sie. „Aber sie in meiner Nähe zu wissen und mich an ihrem Glück milfreuen zu dürfen, würde ja schon Son nenschein für mich sein!" „Das Haus hier ist ja groß genug! Wir räumen den jungen Leuten eine behagliche Wohnung im Mittel flügel ein, und für dich und mich bleiben nach dem ehe maligen Weinberg zu im Anbau noch zwei nette Quar tiere zu je drei Zimmern. „Das Erdgeschoß bleibt den jungen Leuten für ge sellige Zwecke. And natürlich muß Roby ein Auto be kommen, damit er durch die weite Entfernung keine Zeit verliert. Das Auto soll mein Hochzeitsgeschenk für sie sein." So spannen sie Pläne und vergaßen beide darüber ein wenig ihre Sorge, obwohl sie einander oft mitten in einem Satz beklommen in die Augen sahen, und Elena Trojan seufzend murmelte: „Ach, es wäre alles so wunderschön — wenn wir nur auch schon Nachricht von ihnen hätten!" Frau Trojan hatte sich entschlossen, vorläufig bei Richarda zu bleiben. Nun war es beinahe 6 Ahr abends und keine Nachricht war gekommen. Immer stiller und beklommener wurde die Stimmung zwischen den beiden Müttern. Frau Gröger hatte ihnen den Tee in Frau Helle- ports Wohnzimmer serviert, aber niemand hatte Lust, ihn zu trinken, obwohl sich Dr. Runger zu ihnen ge sellt hatte und sich Mühe gab, durch allerlei heitere Geschichten ablenkend zu wirken. Da, kurz nach sechs Ahr, trat die Gröger erregt ein:. „Gnädigste Frau, möchten Sid ttW einen Augen blick Hinabkommen?" wandte sie sich cm ihre Herrin. ,,Horwarth hat wieder seinen Zustand, und ich glaube —, rr sieht das gnädige Fräulein!" „Ach was," fuhr Dr. Runger sie ärgerlich an, „regen Sie doch die gnädige Frau mit solchem Unsinn nicht noch mehr auf, Gröger! Der gute Horwarth wird heimlich getrunken haben und spricht im Rausch — das nennt ihr nachher .seinen Zustand. „Nein, lieber Doktor," sagte Frau Richarda, dre sich sofort erhoben hatte, ernst. „Darin haben Sie aus nahmsweise einmal nicht recht. Horwarth ist nie ein Trinker gewesen, aber er hat das zweite Gesicht, wie es auch seine Mutter gehabt hat. Ich kenne ihn von gend auf und habe es zu oft miterlebt, um daran zwei feln zu können. Wenn seine Gedanken sich lebhaft mit etwas beschäftigen oder ein starker Eindruck ihn erregt, dann kommt es plötzlich über ihn, daß "sein Geist den Körper verläßt und Dinge sieht, die sich irgenduw in räumlicher oder zeitlicher Ferne abspielen. Sein Leib ist dann wie tot und völlig empfindungslos. Man kann ihn stechen, schlagen, brennen usw., er fühlt es einfach nicht. Die Hände sind kalt wie Eis, die Muskeln starr wie bei einem Toten. Arid was er sieht, hat sich nachher nocb allemal als wahr erwiesen." t vSHW folgt.)