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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zmn Frankenberger Tageblatt Rr. iS Attwoch de» A. Sebrsar IM <1««d L- StuUg«t lO Nachdruck verboten. Der Aufruhr kn ihr drängte sie ungestüm, sich Lust W mache« auf die ihrer Natur ar^eboreue Weise: durch, Gesang. Nicht zaghaft und gedämpft, wie Änst, rang ihre Stimme sich zu einem Lied empor, sondern laut und jubelnd, wie eine brausende Flut strömten dis Ton wellen dahin. . : Eie wußte es kaum. Sie empfmck nur: ich motz fingen — singen — singen, sonst zersprengt mir das Glllck die Brust? Sie satz in einem Meer von Licht und Connenwärme au den Stamm des Pfirfichbaumes gelehnt, die Haud im Nacken verschränkt, und sang und sang. — Diesmal hörte sie es nicht, als abermals der Kes hinter ihr unter leichten Schritten knirschte. Sie schreckte erst auf, als eine Hand sich auf ihre Schulter legte und sie, herumfahrend zu Tode erschrocken, in das bleiche Antlitz einer unbekannten Frau blickte, Lie, von einem schwarzen losen Samtgewand umhüllt, ernst und forschend auf sie niederblickte. Wie ein Blitz durchzuckte es sie: das kann nur Frau Helleport, die Herrin vom Lindenhof, sein! Und sie kommt, um mir Borwürfe zu machen, weil mein Gesang sie wieder im Schlaf störte! Wie konnte ich aber auch nur das so ganz vergessen? — Schuldbewußt senkte sie den Kopf. Frau Helleport betrachtete sie immer noch stumm. Und sie mußte die reine Schrift dieses lieblichen Mad- chenantlitzes wohl richtig deuten, denn ihre Stimme klang ernst, aber durchaus nicht nngütig, als ste nu« sagte: „Sie find Fräulein Sylvia Frankenstein, Frau Gr» gers Stütze, nicht wahr?" „Ja, gnädige Frau." Sylvia erhob den Blick und sah Frau Helleport treuherzig bittend an. „Und bitte, feien Eie mir doch nicht böse, daß ich trotz Ihres Ver botes nun doch wieder gesungen und Sie dadurch wahr scheinlich abermals in Ihrem Schlaf gestört habe!" „Sie haben mich nicht gestört, denn ich konnte ohne hin nicht schlafen." „Trotzdem — es tut mir jetzt so schrecklich leid, denn ich habe mir ja so fest voraenommey, mit meinem dum men Gesang nie mehr lästig zu werden — aber dann kam es so über mich — ohne daß ich mir dessen eigent lich bewußt geworden wäre —" „Sie singen wohl sehr gerne?" „Ja, es ist eine Gewohnheit von klein auf. Aber hier hatte ich natürlich nicht vergessen dürfen, daß es verboten ist." „Ich bin nicht gekommen. Ihnen deshalb Vorwürfe zu machen," sagte die Herrin vom Lindenhof, die keinen Blick von Sylvia wandte und sich seltsam wohltuend berührt fühlte von ihrer Art, besonders von dem weichen biegsamen Tonfall ihrer Stimme. „Ich wollte Sie nur fragen, was das für ein Lied war, das Sie vorhin sangen — und ich glaube, schon früher einmal gesungen chaben, damals, als ich Frau Gröger zu Ihnen schickte, — das Lied vom Frühling?" „Ach ja, .Frühling in der HeDe. Das glaube ich Vobl, gMige.Mlt._M Gr er wurde nie gedru« uE auch nie öffentlich gesungen. Mein lieber Pflegepapa hat es komponiert, mid wenn wir allein waren, sang er es immer. Aber nur, wenn wir ganz allein waren, den« er sagte, es sei zu heilig für fremde Ohren, und er wollte nicht, daß andere Leute es hören. Als ich ihn einmal fragte, warum eigentlich, antwortete er sehr ernst, fast trau^g: „Das verstehst du nicht, Kind. Aber es ist das Lied meines Lebens. Denn es entstand in einer Zeit, wo alle« um mich und in mir zur Melodie wurde. Und darum, weU er es so liebte, wurde es mir so teuer. Aber es ist auch eine wunderschön« Melodie, wie kein anderes Lied auf Eiche« st« hat, glaube ich — nicht wahr, gnädige Frau?" Ira« Helleport antwortet, nicht. Ihr alabaster- w«Ess Gesicht war noch weißer geworden, und ihre Hand stützte sich schwer auf di« Rückenlehne der Baut, Ho versagten ihr die Beine den Dienst. Aus weit geöffnete« Auge« blickte ste starr auf. HMa. . „Und wer war ihr Pflegevater?" rang es sich end- - W tonlos von ihren Lippen. ! „Ei« weltberühmter Musiker und Sämzer: Karl ' Theodor Randal!" antwortete Sylvia stolz. „Ihnen, j gnädige Frau, wird sein Name freilich unbekannt sein, i da Eie so zurückgezogen leben, aber drautze« in der ' Welt keimt ihn jeder, und als er vor einem Jahr starb, trauert« die halb« Welt mit uns um ihn?" Frau Helleport richtete sich plötzlich steif auf, ein > kaltes Funkeln trat in ihre Augen und ihre Stimme hatte einen Klang eisiger Verachtung, als ste sagte: „Was soll diese Komödie? Wer hat Sie hierher geschickt und bezahlt dafür, daß Sie mir Lügenmärchen er zählen, und zu welchem Zweck geschieht es überhaupt? Ich habe Karl Theodor Randal sehr wohl gekannt, aber er starb bereits vor zwanzig Jahren. Eie selbst also können ihn nie gesehen haben, uiü> nun und nimmer kann er Ihr Pflegevater gewesen sein." Jetzt war es Sylvia, die die Sprecherin in sprach- lcher Verblüffung anstarrte. - Was sollte das bedeuten? , „Gnädige Frau," stammelte sie endlich, sich gewalt sam fastend, „ich verstehe nicht, was Sie meinen. Warum sollte ich Sie belügen? Es kann doch unmöglich zwei Randals geben, die Leid« berühmte Männer waren. Und mein lieber Papa starb doch bestimmt erst vor einem Jahr in Wien. Während er von seinem letz ten Konzert aus dem Konzerthaus nach dem Hotel zu- rückfvhr, traf ihn im Wagen ein Herzschlag und er war ! sofort tot." ! Sie kramte mit Lebender Hand in ihrer Tasche her» « um und zog ein zusammenklappbares Lederetui heraus, > das sie aufgeschlaaen Frau Helleport überreichte. „Es ist fein letztes Bild, ausgenommen acht Tage ! vor seinem Tod in Wien, Eie sehen es am Datum. Und j Sie sehen auch, daß er hier unten eigenhändig hinschrieb: .Meinem Reben Pflegetöchterchen Sylvia'. Das Bild > ist für mich ein heiliges Vermächtnis und ich trage es i darum stets bei mir. Und da Eie, gnädige Frau, meinen Pflegepapa gekannt haben, wie Sie sagen, werden Sie ja wohl aus dem BUd feftstellen können, ob es derselbe Randal ist, den Sie meinen." Frau Helleport hatte nur einen Blick auf das Bild > geworfen und war dann kraftlos auf die Bank gesunken. „Er ist es —" stammelte sie mit Anstrengung, „mau hat mich betrogen — betrogen um ein ganzes Leben!" Lange saß sie stumm, regungslos, völlig versunken in den Anblick dieses schönen, genialen Künstlerkopfe^ i den sie so gut — ach so gut gekannt. — GMa _Itzüd_dS8Mn Wd HAMM 8e HMW