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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt - - Nr. 8 Mittwoch dm 31. Zanuar prkedsrscLutr 6ur<L L. ^Lermsiu» komsareotrsle Ltuttgsrt 4 Nachdruck verboten. 8. ' Frau Gröger hatte punkt sechs Uhr ihren Dienst im Schlafzimmer Frau Helleports angetreten. Sie hatte am Ankleidetisch mit dem großen drei eckigen Spiegel alles Nötige zum Frisieren vorbereitet. Ihre Herrin stand indessen am Fenster, an dem die tagsüber Hermetisch geschlossenen Vorhänge aufgezogen waren, und betrachtete den sterniibersäten Himmel, an dem hinter den Fichtemoäldchen eben der Vollmond sichGar wurde. Frau Helleport war trotz ihrer 56 Jahre eine noch immer schöne, beinahe jugendliche Erscheinung. Das stolze und edel geschnittene Gesicht von unver kennbar magyarischem Typ war von einer Fülle blau schwarzen Haares umrahmt, das noch keinen Silber faden auswies. Es war von gesunder Blässe transparent wie Alabaster mit roten Lippen und schwarzen Brauen und Wimpern, unter denen wundervoll leuchtende, »raune Augen hervorblickten. Aber diese Augen hatten einen ernsten, tieftraurigen Ausdruck und über den Zügen lag eine gleichsam ver steinerte Melancholie. „Wie schön der Nachthimmel doch ist," sagte sie nun mit ihrer tiefen klingenden Altstimme, „viel, viel schö ner als der Himmel bei Tag, findest* du das nicht auch, Gröger?" , „Nun ja — Mond und Sterne sind gewiß schön, gnädige Frau, aber die Bläue an einem klaren Tax und besonders die Sonne, wenn sie so leuchtend unk golden über der Welt steht, ist mir Loch noch lieber!* „Merkwürdig! Mich stört gerade dies Grelle, Leuch tende, während die Ruhe des Nachthimmels unendlich beruhigend auf mich wirkt. Es ist etwas so Ab geschlossenes darin —" fügte Frau Helleport sinnen! dazu. ' . - Sie trat vom Fenster zurück und sprach fast beständig mit Frau Gröger, unvermittelt von einer Sache zur an dern überspringend. Frau Gröger sah sie besorgt von der -Seite an. Sie kannte diesen nervösen Zustand. Er war fast immer die Folge schlechten Schlafs. „Haben gnädige Frau heute nacht nicht gut ge schlafen?" fragte sie endlich, als Frau Helleport vor Dem Spiegel Platz nahm. „Nein, ich schlief heute wirklich nicht gut. Ich glaube ich habe zum Tee zuviel Haselnußpastetchen gegessen Sie waren sehr gut, und wir hatten sie noch niemals Woher bekam Christine das Rezept? Oder machte ssi Johanna?"' „Keine von beiden, sondern die neue Mamsell. Sir sagt, es sei ein Hausrezept." „Ach, sprich mir gar nicht von dieser Person, die du ohne mich zu fragen, ins Haus geschmuggelt hast! Schor Ler Gedanke, daß eine fremde und noch dazu jung« Person sich hier aufhält, ist mir lästig!" „Hat sie gnädige Frau schon einmal gestört?" „Das fehl« noch! Ich hoffe wenigstens, du wirst so rivOchtsvoll sein, dafür zu sorgen, daß ich sie nie zu Gesicht bekomme." ! „Gewiß, gnädige Frau!" Frau Helleport spielte mit den kostbaren Ringen, Li. in edrer Elaslchale am Toilettentisch lagen. ! „Weißt du, daß es schon Frühling werden'will? Ad ich heute so lange wach lag, hörte ich draußen bereits einen Vogel singen!" „Das werden gnädige Frau wohl geträumt haben! Es ist ja noch winterkalt und die armen Vögel denke« sicher mehr ans Frieren als ans Singen!" „Nein, ich träumte nicht. Es klang aus weiter Ferne, aber sehr lieblich. Ich mußte an die Tage denken, da ich noch glücklich auf meiner weißen Stute über die blumig, Pußta jagte — da sangen die Lerchen auch so süß—unk wie damals war mir, als klänge eine wundersame Melodie an meinem Ohr vorüber —" Das letzte sagte sie ganz leise. Dann warf sie mit einer wilden Gebärde das Haupt zurück, daß das nacht schwarze Haar um ihre Schultern flog. „Nein — nein — nein — ich will nicht daran den ken! Erzähle nur etwas, Gröger. Aber rasch! Irgend etwas Lustiges — meinetwegen von deiner Mamsell, damit ich auf andere Gedanken komme. Wie bist d« mit ihr zufrieden? Was tut sie tagsüber? Und wie Ast d« eigentlich zu ihr gekommen?" Die Gröger berichtete: „Sie ist sehr ernst und MM getreu und nimmt uns viel Arbeit ab. Auch hat ste fick schon von Anfang an überraschend gut eingelÄt M und fühlt sich wohl am Lindenhof." „Das ist unmöglich. Ein junges Geschöpf kann fick hier nicht wohl fühlen. Jugend will Zerstreuung mck ! vor allem Geselligkeit!" „Sie nicht. Sie ist aus gutem Haus, steht aber m» - tzanz allein auf Erden und hat auch schon allerlei Ku« i mer und Enttäuschungen hinter sich. Darum ist sie krob ' hier ein ruhiges Plätzchen gefunden zu Haden." - „Bah, das lügt sie dir wahrscheinlich vor, um sich- interessant zu machen!" „Nein, gnädige Frau, Sylvia lügt mchr. „Sylvia heißt sie?" „Ja, und wir haben sie alle sehr gern vom ersten Tage an! Auch Herr Dr. Runger und Dr. Drelfing." „Wie — die kennen sie auch schon?" l „Ja, Dr. Dreising borgt ihr Bücher und'Herr Dr. Runger geht täglich nach dem zweiten Frühstück enr i Stündchen mit ihr im Park spazieren und hält ihr, wie ich zufällig hörte, dabei Vorträge Wer Leben und Lor» kommnisse in der Natur." „So?" sagte Frau Helleport finster, „der alte Narr!- Er ist imstande und verliebt sich noch in die alberne Person! Seine Frau hat immer behauptet, er sei hin» ter allen Schürzen her!" „Das glaube ich nicht. Dazu ist der Herr Doktor immer ein viel zu ernster, vornehmer Mann gewesen," ' erwiderte Frau Gröger ruhig. „Es gefällt ihm wahr scheinlich nur, daß dieses junge Mädchen ein so leb« , Haftes Interesse an allen Vorgängen in der Natur be- kündet. Wenn Sie selbst, gnädige Frau, Sylvia kennen - lernen wollten " ! „Danke", unterbrach sie die Herrin mit einem hoch mütigen Zurückwerfen des Kopfes. „Das wird nie ge schehen! Wenn ihr schon durchaus eine Hilfe im Haus haben mußtet — gut, meinetwegen. Aber ich verbitte es mir, daß sie meine Wege jemals kreuzt." Frau Gröger sah sie bekümmert an. „Wenn Sie nur nicht gar so schroff in ihrer Abwehr gegen fremde Men schen wären, gnädige Frau! Es gibt doch auch Aus nahmen, und diese Sylvia Frankenstein ist eine davon! - Was soll nun werden, wenn ich eines Tages meinen Dienst nicht mehr versehen könnte?" ,^)ann würde ich mich lieber selber bedienen, als eine fremde Person um mich dulden. Und nun genug ' davon! Du kennst jetzt meinen Willen: Ich will nM