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We: wen» Sofie etwas nicht will," so setzt es kein Herrgott bei ihr durch — am wenigsten aber ich!" „Mein Eott, was fangen wir denn dann aber an?" Niemand wußte es. Man bedauerte, daß Malwine Siebert gerade heute ihre Töchter hatte in Gesellschaft begleiten müssen und Sofie Siebert durch Grippe ver hindert gewesen-war, zu erscheinen. Beide waren äußerst praktische Frauen und hätten vielleicht einen Ausweg gefunden. Der Professor rieb sich nervös die Hände. „Nun ja," meinte er endlich, „es ist entschieden eine sichr schwierige Sache! Einerseits will man schon um Kurt Theodors Andenken willen möglichst zart und be hutsam mit seinem Liebling umgehen, andererseits kann man, sich doch auch nicht selber ins eigene Fleisch schnei den. Dazu kommt, daß Sylvia ja ein sehr liebes Ding ist, dem man nicht weh tun möchte. Und schließlich, wenn wir auch keine, gar keine rechtlichen Verpflichtungen haben — auf die Straße setzen können wir das Mädchen doch auch nicht. Da würde sehr ungünstig über uns ge- sprochen werden —" „Das ist es ja eben!" seufzte die Hofräkin, „da- sage ich mir ja —! Aber es mutz doch noch irgendwo An gehörige von Sylvia geben? Wenn man die ausfindig mache» könnte!" „Dazu ist kaum eine Aussicht vorhanden. Karl Theo do» erwähnte mit keiner Silbe etwas über des Kindes Herkunft—entweder, weil er darüber selbst nichts wutzt oder nicht darüber sprechen wollte. Ich hatte immer den Eindruck, als er sie damals, kaum dreijährig, von seiner Konzertreise aus der Schweiz mitbrachte, datz er das KdL m seiner impulsiven Art, bloß bestochen durch seinen Liebreiz, sozusagen von der Straße auflas LeLrigens möchte ich noch eins zu bedenken geben: Sylvia ist entschieden ein auffallend schönes Mädchen, «w der Liebreiz ihrer Kindheit ist ihr verblieben. Sie Mrd alb) sehr bald heiraten, wenn man ihr Gelegen heit gibt, gesehen zu werden, — und das könntest du, Lebe Olga, bei deinem ausgedehnten Bekanntenkreis doch sehr leicht bewerkstelligen." Eine abwehrerÄe Handbewegung der Hofrätin un- i »Rei», «ein Lieber, das wäre eine mehr als zweifel hafte Spekulation. Sylvias Schönheit zugegeben — aber arme Mädchen ohne Familie, ja sogar ohne Aus steuer werden heute weniger geheiratet als je zuvor!" Karl Siebert besann sich plötzlich auf die Weisungen die seine Frau ihm vor dem Fortgehen gegeben hatte „Sofie meinte," sagte er eifrig, „wenn weder Olgo noch Jetti sie zu sich nehmen wollen, müßte man Sylvie irgendwo eine Stelle als Gesellschafterin oder der gleichen verschaffen, damit sie ihr Brot selbst verdienen rann uad niemand zur Last fällt." ^Die Hofrätin atmete erleichtert auf. M^,Ach ja — das wäre wirklich ein Ausweg! Merk- SuäiL wir nicht schon von selber darauf ver fallen find. 2. Sylvia Frankenberg, der Gegenstand dieser schwie rigen Beratungen, saß im Nebenzimmer und hatte jedes Wort gehört. „Es ist ja gerade nicht anständig, zu horchen," dachte ße, „aber wenn es doch um mein Schicksal geht — Äe war nur neugierig gewesen, aber durchaus nicht beunrnhigt. Bisher von Randal, den sie nie anders als Pape genannt, Moohl er nur ihr Ziehvater war, nach seinen Tode so» Tante Berta verwöhnt, gehätschelt und ge KM, von de» übrigen Verwandten „liebes Nichtchen' gexuuÄ, hatte sie sich so ganz als „Kind der Familie" geFLUt, daß ihr Schicksal gar nicht zweifelhaft erschien Svd was hatte sie nun alles mit anhören müssen? SÄüL Nof « ihr bei jedem Wort über den Rücken. Es fie die Verwandten? Datz einer den: aKdes» sie als lMges Anhängsel zuschieben wollte uni Mor sts »K» Aal begriff fie. dich fie seit dem Tode MW KM» MaMäters rechtlos und verlassen dastand ' Ms», «Km Hal xochte der Grast des Lebens mii harren FNMrU M Me junge Seele, die bisher nm von Sonnenschein, Glück und Sorglosigkeit geträumt Sie weinte nicht. Sie war nur sehr blaß geworden und schlich endlich still hinüber nach ihrem Zimmer, nu sie sich ans Fenster fetzte and den Kopf in die Hand putzte. Was mm? Siechatte niemand mehr als sich selbst^ rlso mutzte auch sie allein Rat halten über ihre Zukunft, nicht die da drüben. Sylvia war kein schwacher, sentimentaler Charakter. Das bewies das energisch geschnittene Kina, das auf starke Willenskraft deutete, der klare, zielbewutzte Blick ihrer dunkelgrauen, von dichten schwarzen Wimpern beschatteten Augen und die bei aller Zartheit doch sehr bestimmt gezeichneten Linien ihrer Züge. Sie hatte weiches goldbraunes Haar, das in starker Fülle das runde, zart gefärbte Gesicht umgab, und über dem nicht sehr kleinen, aber schön geschnittenen Mund eine feine gebogene Nast. Die dichten schwarzen Brauen, die etwas nahe bei sammen standen, gaben dem Gesicht zuweilen einen etwas zu ernsten, fast finsteren Ausdruck. Besonders in diesem Augenblick, wo sie ganz dicht zusammengezogen waren, nur getrennt durch eine kleine senkrechte Falte. Ja — was nun Lun? dachte sie beklommen, und zu gleich stand beretts fest in ihr, datz sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen werde. Und zwar sofort, noch heute, noch in dieser Stunde, denn nach allem, was sie mit angehört, wollte sie durch aus nicht länger Tante Olgas East sein. Obwohl sie im letzten Jahr nach Papa Randals jähem Tod ziemlich zurückgezogen mit Tante Berta ge lebt, hatte sie doch immer mit sehr scharfen Augen ins Leben geblickt. Sie sagte sich jetzt, datz sie bei dem Mangel an Fach ausbildung, ohne Zeugnisse und Empfehlungen wenig Aussicht besaß, irgendwo unterzukommen, obwohl sie viel gelernt und in Sprachen und Musik gut ausgebildet war. Sich durch Stundengeben ihren Lebensunterhalt zu erwerben, hätte zu viel Zeit erfordert. Um einen festen Schülerkreis zu bekommen, dazu bedurfte es lange Zeit, einer eigenen Wohnung und guter Empfehlungen. Der sicherste Weg blieb also die Zeitungsannonce. Sylvia stand auf und griff nach der auf dem Tisch liegenden Morgenzeitung, um den Anzeigenteil, dem sie bisher noch nie Beachtung geschenkt, durchzusehen. Es könnte ja sein, daß zufällig gerade heute etwas Pasiendes darin war. Sie fand wirklich vier Anzeigen, die ihr mindestens der Nachfrage wert erschienen. Zwei erforderten per sönliche Vorstellung — dahin konnte man also erst morgen früh gehen — zwei aber wünschten schriftliche Angebote mit möglichst genauer Darstellung aller Le- bensumstände und Kenntnisse der Bewerberin. Sie überlegte genau, was sie mit gutem Gewissen von sich schreiben konnte. In der einen Anzeige wurde ein junges Mädchen gesucht, das tüchtig im Hauswesen, musikalisch gebildet und „kinderlieb" sei, denn es sollte der kränklichen Hausfrau als Stütze und Gesellschafterin dienen, zugleich aber auch dann beide kleine Mädchen in der schulfreien Zeit betreuen. Sylvia fand, daß sie diesen Anforderungen ganz gut gewachsen wäre und schrieb, da ihr der ganze Ton der Anzeige sympathisch war, zuerst dahin. In der zweiten Anzeige suchte man in dürren Wor ten einfach eine Stütze für den Haushalt oder einzelne Dame, die, möglichst ohne Anhang, einem ernsten, zurückgezogenen Leben geneigt sein sollte. Hoher Lohn, gute Behandlung und wenig Arbeit waren dafür in Aussicht gestellt. Als Sylvia beide Briefe geschrieben, nahm sie Hut und Mantel und schlüpfte unbemerkt aus dem Hause, um die Bewerbungen sogleich zur Zeitung zu tragen. (Fortsetzung folgt.) «ergebt die Wiuttrbiüe «ÄtL