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379 4SSr?S»?KSS«S«<»r^«^SRKSr?KS«r?S»?rÄkNk?L»>rS^r?S«»SS«W<I Vergeßt Sre Munbsnmrnlung ntryi Kerkhoffs Kopf sank müde und entmutigt auf die Brust herab. Hatte sich der Einsatz gestern gelohnt? Gleich darauf griff der Einsame wieder zu den Rudern. Unsinniges Gesimpell Es kam nichts Gescheites heraus. Und was sollte diese törichte Frage? Man rettet einen Menschen nicht aus Berechnung! Kerkhoff kam nur langsam voran, weil er sich im Geiste zu intensiv mit Ursula Josephy beschäftigte. Dieser Gedanke war nun schon zu mächtig in ihm. Einmal ertappte er sich bei den geflüsterten Worten: „Sie ist ein kluges, lieoes Mä del und bei aller Gescheitheit doch noch so naiv wie ein Kind..." Im Grunde genommen war es ihm ein Rätsel wie ein geistig derart hochstehendes Geschöpf einen Menschen vom Schlage dieses Vidor lieben konnte. Seine Ruderschläge wurden härter. Er kämpfte sich mit verbissenem Trotz vorwärts. Glück im Spiel, Unglück in der Liebe . .. Ach was, . man mußte solche Episoden aus seiner Erinnerung streichen, wenn man fröhlich weiter die Straße seines Lebens ziehen wollte! Man mußte sich die heiße Zärtlichkeit zu einer schönen Frau aus dem Kerzen reißen, wenn man nicht als Kopfhänger untauglich für die Forderungen des Berufs und Alltags werden wollte! Aber erst unter den Spitzbogen der Klosterklause ver schluckte Kerkhoff seinen Aerger mit einigen Gläschen wür zigen Benediktinerlikörs, Als Toni Geislinger gegen Abend wieder in Feldwies ankam, erfuhr sie im Gasthof, daß Kerkhoff im Boot zur Frauen-Jnsel gefahren seu Und da das funge Faktotum des Ingenieurs keine Korrespondenz vorfand, lachte es: „Macht nix. ich leg mich draußen am Strand ins flache Wasser und stehl dem lieben Herrgott den Abend!" Aber dann lag sie noch gar nicht lange, nach neu an gekommenen Fremden ausschauend, mit denen sich ein Flirt lohnte, als sie gar nicht weit draußen auf dem See Kerkhoff im Boot erspähte. „Hallo!" Wie ein Peitschenknall zerschnitt der Ruf die abendliche Stille. Und schon crawlte Tom in ihrer raschen Art hinaus, dem Ruderer den Weg zu verlegen. Es gelang ihr innerhalb kürzester Zeit. „Ah. grüß Gott, Toni!" Dw Schwimmerin sah es ihm sogleich an, daß er mit seinen Gedanken ziemlich weit ab gewesen war. Wider spruchslos ließ sie sich von ihm ins Boot ziehen. „Bitte rudern Sie mich hinüber. Wenn Sie wollen, können Sie ja mit baden. Das Wasser ist so lau . . ." „Wie die Menschen. . ." nickte Kerkhofs resigniert, auf den Vorschlag eingehend. Und dann, als sie drüben am Strande lagen, fanden sie sich unausstehlich. „Ist während meiner Abwesenheit Nachricht aus Berlin eingegangen?" wollte Kerkhoff wissen. „Bon der Reichsbahn-Hauptverwaltung wegen der Er findung? Nein." Pause. Kerkhoff brummte mißmutig etwas vor sich hin. „Ihnen haben wohl die frommen Schwestern von Frau- Wörth Wermuth ins Glaserl gegeben?" bohrte Toni gereizt, ohne den Blick von der weiten, spiegelglatten Fläche de» Sees zu wenden. Kerkhoff sah gelangweilt über die sportlich gut durchge bildeten Formen des jungen Weibes hinweg, das er zur Mit wisserin seiner großen und kleinen beruflichen Sorgen und Geheimnisse gemacht hatte. Einmal hatte er sogar mit dem Gedanken gespielt, Loni Geislinger zu seiner Frau zu machen. Doch das war schon lange her. Diese Erinnerung kam ihm jetzt nicht ohne Schrecken. War er denn mit Blindheit ge schlagen? Paßte dieses temperamentvolle Mädel auch nur im entferntesten zu ihm? Wie kam er überhaupt dazu, diese geschmeidige Katze um sich zu dulden? Diese Zigeunerin mit den gefährlich glutvollen Augen . . .? Hatten sie sich nur gesunden, weil sich Gegensätze anziehen? Dann war es an der Zeit, wieder auseinanderzugeheu . .. „Und Sie? Haben Sie schlechte Laune aus München mitgebracht?" erwiderte er mit einer Gegenfrage. Mit einem Ruck setzte sich Toni auf. Die unterstehende Sonne schien flach auf die glitzernde Wasserfläche des Sees, tauchte den blauen Badetrikot des Mädchens in rotes Licht, daß er violfarbig erschien. Im Haare Tonis glühten Re flexe wie von feucrflüssigem Kupfer. „Ich?" staunte die Münchnerin. Und lebhafter, fast ge heimnisvoll: „O, im Gegenteil, ich habe sehr viel Freude gehabt . . ." Dann schwieg sie sich aus. Zur Mückenabwchr entzündete sich Kerkhoff eine Zigarre. Nach einigen tiefen Zügen fragte er: „Sie haben die Bahn laufen lassen?" Toni mußte sich erst besinnen. Ach so, er meinte die kleine Spielerei . . . Das hatte er schon gesehen? „Ja." „Warum?" „Weil es mir Spaß machte . . ."trumpfte die Nixe auf, ohne ein Wort von dem späten Besucher zu verraten. Ah, das wäre ja noch schöner, daß sie diesem Grimmbart alles auf die Zähne band! Als ob man ihr befehlen könnte: Da stehst — da bleibst! Chefs legten es manchmal direkt darauf an. von ihrem weiblichen Personal betrogen zu werden! Kerkhoff blinzelte mißmutig m die flammende Abend röte, die den Rückzug der sinkenden Sonne deckte. Er mußte daran denken, daß er Toni gebeten hatte, sich nicht an der elektrischen Installation seines Seehauses zu vergreifen. Es war still geworden. Die meisten Sommergäste hatten sich auf den Heimweg gemacht.- Ueber dem Chiemsee lag der betörende Zauber eines Sommcrabends, der nicht ge schildert werden kann, den man erlebt haben muß. Die weite Wasserfläche zeigte rosa, violette und schiefergraue Tinten. Der Kimmel war im Vordergrund mit geballten Wolken dunkel verhangen, am Horizont aber hatte er sich blaßgrün wie mit durchsichtiger Seide drapiert, daran schloß sich nach Lem Wasser zu ein schmaler Streifen in wunderbar rein ge töntem Orange. Ganz tief aber, am blassen Saum des fern sten See-Ufers, zeichnete sich violfarbig Lie Silhouette des jenseitigen Gestades ab. Unter dem Antrieb eines sanften Abendwindes plätscher ten die Wellen im Rhythmus ans seichte Ufer. Weiter drau ßen auf dem See trommelte ein verspäteter Außenbord motor. Man hörte die Stimmen der Bootsinsassen in der feierlichen Abendstille bis an den Strand herüber. Toni war aufgestanden, hatte sich auf den Wurzelstock einer längst gefällten, unterspülten Kiefer zurückgezogen, die dem See ihr Leben opferte. Das Kinn auf die hochgezogenen Knie geschmiegt, sagt« die Nixe versonnen: „Heut abend geh ich tanzen zum Hm- terwirt." Kerkhoff klopfte die Asche von seiner Zigarre. „Almtanz?" fragte er scheinbar interesselos. „Natürlich!" Und nach kurzem Schweigen: vorausge setzt, daß wir nichts zu tun haben, werde ich mich morgen von den Strapazen ausruhen und am See faulenzen, um mich für übermorgen zu stärken. Da will ich auf den Hoch- gern." Kerkhoff blinzelte zu ihr hinüber, lächelte spöttisch: „Man soll sich nicht überschätzen . . ." Aber da kam er schön an! Toni rümpfte das Näschen, blies den Rauch ihrer soeben entzündeten Zigarette kerzen gerade in die Luft und zischelte hoheitsvoll: „PH... Ich leide nicht an Minderwertigkeitskomplexen..." Kerkhoff sah ein, daß es für beide das beste war, für heute Schluß zu machen. „Fahren Sie mit mir bis zur Lände?" fragte er, auf springend. „Danke. Ich geh die Paar Schritt zu Fuß." Dannt Ver schwand sie im Gebüsch, um sich anzukleiden. In ihrem grünen Versteck hörte sie noch eine Weile das Knarren der Ruder. Für einige Minuten war Toni Geislinger, diesem cho lerischen Menschenkind, das Weinen näher, als das Lachen. Sie hatte sich die Freundschaft mit ihrem Chef idealer vor gestellt. Was mochte bloß in ihn hineingefahren sein daß er sich heute so rauhborstig zeigte? Von dieser Seite war er ihr ziemlich fremd. Gewiß, die Geschäfte gaben nicht zu Freudenorgien Anlaß, aber Eberhard Kerkhoff hatte rn den vergangenen guten Jahren soviel verdient am Ausbau der Wasserkräfte in Süddeutschland und Tirol, daß er sich die heutige Stagnation noch eine ganze Weile mit ansehen konnte, ohne trocken Brot beißen zu müssen. Auch Tonis Stellung war bis auf weiteres gesichert, benötigte doch der Ingenieur bei seinen vielen Reisen einen verläßlichen Men schen, der die Büro-Arbeit erledigte. „Der Teufel mag wissen, was in ihn hincingefahren ist!" schimpfte Toni, ihre Toilette beendend. Aber dann, als sie fertig angcklcidet in den kleinen Spiegel ihres Täschchens sah, lächelte sie sich übermütig zu. Die gesunde Bräunung ihres Körpers und Gesichts war ihr Stolz. Wenn sie im Badedreß am Strand auf und ab spa zierte. wurde sie von Len Herren oft mit einer bronzenen Diana verglichen Sie steckte den Spiegel wieder zu sich. Die Weisheit die ses Tages bestand in der geflüsterten Erkenntnis: „Man soll sich nicht mit Männern abgebcn, Lenen eine technische Spielerei mehr Interesse abnötigt, als ein lebensfrohes Mädel!" Den Lackkoffcr mit Leu Bade-Utensilien aufnehmend, machte sich Toni auf den Weg zum Gasthaus. Sie trällerte ein Liedchen halblaut vor sich hin und dachte au einen feschen, schwarzäugigen Menschen, der sic in der Jagdhütte am Feldberg erwartete . . . VIII. Kerkhoff war mit sich zu Rate gegangen: Sollte er Toni den Gefallen tun und sie zum Almtanz begleiten? Sicher würde sie sich freuen. Er entschied sich für's Daheimbleibeu. Ach was, zum Tanzen kam man bei diesen Sondervcraustaltungen ohne dies nicht; denn die Plattl-Vercine beherrschten das Feld und boten den Fremden die uralte» Tänze der bayrischen Berg heimat. So sehr Kerkhoff diese wilde Urwüchsigkeit liebte, heute fühlte er sich uicht zur Lustigkeit und zum Biertrinkcn aufgelegt. Also blieb er in seinen vier Pfählen, bastelte noch ein wenig an seiner Miniaturbahn probierte zum hundertsten Male das neu erfundene Signal aus und legte sich dann zeitig schlafen. Wenn man früh auf die Kampenmaud will, muß,_Man. ausgernht sein. (Fortsetzung folgt.)