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346 Die „St. Petersb. akad. Ztg." vom 14. Oct. berichtet die Erschießung des Soldaten Grego- rieff, eines katholischen Polen, angeschuldigt und verurthetlt wegen der jüngsten Brandstiftung in Simbirsk. Er halte >m Verhör seine folgenschwere That sofort mit den Worten eingestanden: er habe daS vergossene unschuldige Pvlenblut rächen wollen, ein Bekenniniß seiner Mitschuldigen aber werde ihm die grausamste Marter nicht entreißen. Hieraus fluchte er vor dem Kriegsgerichte in schauerlicher Weise dem Zaren und dem ganzen Rufsenlhum und rief auf des Ersteren Familie die Rache deS Him- mels herab. Von einem Dominicaner begleitet, ging er festen Schrilles zum Richtplatze, umarmte den Priester, küßte dessen Cruclfix und fiel durch bohrt von den Kugeln deS Pelotons in das hinter ihm gähnende Grab.— Die Erfahrungen über die Heilsamkeit der Einatmung von Leuchtgas gegen Keuchhusten weiden sehr zahlreich; von Paris und Wien aus werden in ärztlichen Ztttschritten eine Menge glück, licher Kuren mugetheüt. In der Regel laßt man die kranken Kinder 14 Tage hindurch täglich zwei Stunden in den Räumen verweilen, deren Luft mit den bete. Gasarten gesättigt ist. Die Beamten der Pariser Gasanstalten bezeugen, daß unter 20 Kin dern 18—!9 vollkommen hergestelli wurden. — Welche Vorsicht beim Schließen der Klappe von S tein kob l e n ö fen nölbig ist, zeigt ein neuer Unfall in Lissa im Pofenschen. Ein Rabbiner halte den Besuch zweier erwachsenen Söhne aus England erhallen; die Söhne legten sich gegen Mitternacht in einer Stube zum Schlafe nieder, deren Ofenklappe um 1! Uhr geschlossen worden war. Als das Hausmädchen später an dem Zimmer vorüberkam, hörte sie ein Wimmern und Stöhnen und rief ihren Herrn; man öffnete und fand den älter» Sohn bereits erstickt, den jünger« bewußt los. Dieser wurde ins Leben zurückgerufen, doch versagte ihm mehrere Tage die Sprache. — Abbö Richard, der Quellensinder, ist in Breslau und überhaupt in Schlesien ein populärer Mann geworden. In Breslau galt es, in der Nähe des großen Gefängnisses Trinkwasser zu fin den; Richard durchschritt im Gefolge der belr. Be amten und zahlreichen Publikums den Platz und gebot an drei Stellen: da schlagt ein! — Man schlug ein und fand das beste Quellwasser. Ri chard legt sich nicht, wie Biele glauben, auf die Erde, um das Wasser rieseln zu hören. Der Quellenfinder ist in viele quellenarme Städte ge rufen worden. — Jemand fragte, warum die Häuser jetzt mit flachen Dächern gebaut würden? Damit mehr Hypo theken darauf Platz haben! sagte ein Spaßvogel.— In Sens in Frankreich wurde der Vicomte de Tarves wegen Bettelei verhaftet. Bor dem Zuchtpolizeigericht führte er zu seiner Verthcidigung an: „die Achtung vor seinen Ahnen und seinem unbefleckten adligen Wappen verbiete ihm, sein Brod mit der Arbeit seiner Hände zu verdienen." Närrischer Kauz! In Chicago in Nordamerika kam unlängst eine Frau zum Militär-Eomite ^md beklagte sich: „Nein, meine Herren, denken Sie sich, ich habe nun drei Männer in der Unionsarmee und auch kein einziger schickt mir einen Dollar. Da kann ich mir nicht helfen; das Militär-Comitö muß eine Unterstützung gewähren. — Locales. Polterabende werden in hiesiger Stadt von einer großen Anzahl Unberufener auf die gräß lichste Welse gefeiert. Denn anstatt den Braut leuten am Abend vor ihrer Trauung einen Glück- wünsch zu bringen und auch wohl nach alter Sitte ein Töpfchen m die Hausflur fallen zu lassen, mi schen sich Lehrlinge und andere junge Leute unge heißen in die Feier und werfen nicht nur Topfge- schirr, sondern sogar Ziegelsteine an Thürcn und Fensterladen und rulmren die getroffenen Gegen stände, verunreinigen Straßen und Hausflur und machen den Hochzeltgebern unnölhige Arbeit und GelbauSgaben. Ist eS doch vergangenen Sonnabend dahin gekommen, daß ein ganzes Feld aus einer Hausflur mit einem Steinwurfe ausgeschl gen wor den ist. — Aber nicht allein die Hochzeitgeber, nein auch alle Nachbarn derselben müssen von dieser Unsitte leiden, denn das Krachen an Thüre und Läden beunruhigt sie die ganze Nacht und wehe dem Kranken, welcher am Abend des Schlafes sich zu erfreuen gedenkt, seine Hoffnung ist dabin, das Krachen gehl die ganze Nacht und dringt den Armen um allen Schlaf. Auch die Vorübergehenden sind des Ledens nlchl sicher, denn oft wirft ein Sieben sortenflegel eine Flasche aus großer Entfernung nach dem Haufe, nicht bedenkend, daß er einen Vorübergehenden beschädigen kann. — Glauben denn derartige Menschen, daß solche Rohheiten von Bil dung zeigen, und überlegen sie sich nicht, welch' Unheil sie anrtchten können? Mögen diese Zeilen zur Abstellung der Unsitte wirken! Möge aber auch künftig die Polizei rücksichtlo« etnschreilen, und den schlimmsten Ruhestörern ein Quartier anweisen, wo sie im Süllen über die Folgen ihres Unfugs nach denken können, wenn dergleichen Scenen sich wie derholen folllcn. — Wenn > icht zu leugnen ist, daß an einem schönen Sommertage ein gutes Trompetcrconcerl im Freien uns in eine wirklich schöne Stimmung ver setzt, so ist und bleibt eS aber auch eine ausge machte Thaisache, daß die Blechmusik in Sälen zu geräuschvoll wirkt, Trommelfell und Nerven ergreift. Es war uns deshalb nicht unerwünscht, in dem letzten Wochenblatts zu lesen, daß daS angekündigte Trompeterconcert sich nicht realifiren, dafür aber das hiesige Mustkchor concertiren werde. Wer am ReformalionSfeste daS Concert deS Herrn Mufik- direcror Günther besucht hat, wird sich ergötzt und mit dem Schicksale — bezüglich des fehlgeschlage- nen TrompeterconcertS — auSgesöhnt haben. Wir