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Erzgebirgischer Volksfreund : 11.04.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-04-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-192004116
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19200411
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19200411
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Erzgebirgischer Volksfreund
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-04
- Tag 1920-04-11
-
Monat
1920-04
-
Jahr
1920
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 11.04.1920
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8er «ruMase U<»«rr«utzung gesoßt. An den Bor- mittagsstunLen besprachen wir uns mit dem Staatssekretär de« Aeußeren. Der Minister schiwert« darauf di« Log« tu Deutschland. Di« Revolution steht vor der Lür. Man hat di« Wahl, ihr «nt- weder mit Diktatur oder mit Nachgiebigkeit zu begegnen. Parla mentarische Regierung sei das beste Drittel der Abwehr wirk- sich da» bester In der Nacht zinn 5. Oktober sandten wir unser Angebot an den Präsidenten -er Bereinigten Staaten von Amerika. Die von ihm im Januar 1918 aufgestellten Grundlinien für einen gerechten Frieden waren von uns angenommen. Menn der Feind sich in der Erwartung unsere» Zusammenbruchs irrte, so irrten wir nns in der Hoffnung, daß der Feind völlig ermatiet werden würde. Der end gültige ungünstige Ausgang des Kampfes ließ sich daher nicht ver hüten, wenn es uns nicht glückte, noch ein Aufgebot von Deutsch land» letzter Kraft zuwege zu bringen. Eine Aufrichtung würde ihre Wirkung auf die Gegner und ans unser eigenes Heer nicht ver- Wlt haben. Aber gab es noch eine solche brauchbare Lebenskraft «wer erschöpften Volksniasse? Jedenfalls war unser Versuch, sie hrrvorzuzaubern, vergeblich. Die Stimmung brach früher zusam men al« da« Heer. Unsere Regierung gab dem immer stärker werdenden Drucke de» Präsidenten derVereinigten Staaten in der Hoffnung aufMilde und Gerechtigkeit nach. Der deutsche Soldat und der deutsche Staatsmann gingen jeder seinen eigenen Weg. Di« entstandene Kluft wurde nicht mehr geschloffen. Wlnnig deckt sein« Beamten. Berlin, 9. April. Aus Königsberg wird gemeldet, daß der Reichskommissar Borowski von den provinziellen und staatlichen Behörden die Nennung der Beamten verlangt hat, die sich an dem Kapp-Putsch beteiligten. Der frühere Reichskommiffar Winnig er klärt in einer Mitteilung an oie Presse, daß er für die Haltung der deutschen Beamten Ostpreußens während der Kapp-Tage als deren Vorgesetzter allein die Verantwortung trage, da er seinen Entschluß, die Regierung Kapp-Lüttwitz anzuerkennen, unabhängig von amtlicher Beratung faßte und die Beamten entsprechend an wies. Sie wären also sämtlich durch seinen Entschluß gedeckt. Der Preetz gegen den Prinzen Joachim Albrecht. Berlin, 99. April. Die Gerichtsverhandlung wegen der im Hotel Adlon gegen mehrer« französische Offiziere begangenen Aus schreitung wird am 16. April stattfnden. Angeklagt sind der Prinz Joachim Albrecht von Preußen wegen vrrstickster Ntztiarmg, ferner Hohenlohe und Rittmeister v. Platen wegen Körperverletzung. »*lf KW» Reichmninister de» «eußeru. Berlin, 9. April. Der sozialdemokratisch« Schriftsteller Dr. Adolf Köster, der zuletzt als Reichskommiffar im schleswigschen Ab stimmungsgebiet tätig war, ist als Reichsminister -«» Aeußern in Aussicht genommen. Di« deutsche Fra« im Saargebiet. Saarbrücken, 9. April. Der Verband der Fraucnvcreine des Saargcbietes protestiert in einer Eingabe an die Saarregiernng gegen die Tatsache, daß die Aufsicht über die Polizeioraane in» Saargebiet in die Hände eines französischen Generals gelegt wurde. Die Franenvereine erklären, daß sie cs ablehnen, mit Beamten fremder Nationalität oder Herkunft zu arbeiten. Neue Forderungen der Kommunisten. Berlin, 9. April. In der gestrigen Generalversammlung der revolutionären Betriebsräte verlas der Redner der Reichszentrale der Kommunisten ein« Erklärung seiner Partei, in der u. a. auch Li« Versetzung der gesamten Regierung einschließlich Les Reichs- Präsidenten in den AnklagezustanL wegen Hochverrats gefordert wurde, da Li« Regierung durch di« Verhandlungen mit Frankreich Wer Lie Besetzung deutscher Städte Hochverrat begangen habe. Der Sprecher der neugcgriinLetcnKommunistenpartei erklärte, Laß seine Partei Lie Garantie dafür übernehme, daß ein sofort zu beschlie ßender Generalstreik restlos durchgeführt werde. In» Notfälle wird die kommunistische Arbeiterpartei den Streik über Lie Köpfe der Unabhängigen hinweg beschließen. Die Aktion dürfte nur mit Lem Sturz« Ler Regierung und Ler Aufrichtung d«r Riiteherrschaft enden. Der Kommunisteuführer Heckert-Themnitz warf den Unab- hängigen infolge ihrer Dreispaltung Arbeitsunfähigkeit vor und be antragte Neuwahlen aller Avbeiterrätr innerhalb 48 Stunden. Die Auflösung der Roten Arme«. Berlin, 9. April. Ueber di« Lage im Ruhrrevier liegen Mel- Lungen vor, Lie weiter die Auflösung Ler Noten Armee bestätigen. In Dinslaken sind erhebliche Zerstörungen von den Noten Truppen vorgenommen worden, mich wurde Lie Stadt als erster Etappenort hinter Ler Roten Front bei den Kämpfen schwer beschossen. Vor Hagen liegt die Reichswehr in Ruhestellung; in den Fabriken wird gearbeitet. Die airs allen Parteien gebildet« Ortswchr hält die Ruhe aufrecht. Gelsenkirchen ist von 1606 Mann Reichswehr be- seßk Durch VK RechKfMvNW Ver Roke« Arm« «mV« «kn SchaV«r von mehreren Million«» Mark verursacht. In Köln wurden 8900 Flüchtlinge Ler Roten Arme« in Lagern unteraebrächt. Au« Mün ster wird gemeldet, daß Schare» von Flüchtlingen -er Rote« Arm«, «um Teil noch bewaffnet, durch da« Ruhrgebiet in der Rich tung auf Solingen strömen. Urb« die Zustände in Seim« wird von dort geschrieben: Am 18. März erklärte eia weimarische» Staatominister: „Mr sind dem Aktionsausschuß auf Gnade und Ungnade ergeben und der ist außer Rand und Band.' Gleichzeitig aber verlangte Weimar den Abzug der Truppen, weil dann Be ruhigung eintreten würde. Der Abmarsch der Truppen und der Sicherheitspolizei war aber nur das Signal zum Sturm auf die — wohlgemerkt — geräumte Kaserne. Was irgendwelchen Wert hatte, wurde gestohlen. Deshalb also der Wunsch, die Truppe los zuwerden! Damit nicht genug, wurden Privatwohnungen von Offi zieren und verheirateten Unteroffizieren revidiert, Einrichtung»- gegenstände und Nahrungsmittel „beschlagnahmt'. Einzelne zurück gebliebene Soldaten und Angehörige, selbst Frauen und Kinder, wurden „festgenommen', beschimpft, mißhandelt. Der Bahnhof wird überwacht. Alle aus Naumburg kommenden Reisenden werden einer scharfen Kontrolle unterzogen. Entpuppt sich dabei einer al» Reichswehrangehöriger, wird er zum Volkshaus geschleppt, dort „verhört" Seine Personalien werden festgestellt. Dann wird ihm eröffnet, er sei jetzt bekannt, würde er wieder zur Reichswehr zu- rückkehrcn, würde man ihn „steckbrieflich erfolgen' »nd „standrecht« lich" erschießen lassen! Nun wird der Unglückliche mit dem frommen Wunsche, er möge unterwegs verhungern, aus der Stadt verwiesen. Das Ende brr Republik Tangermünde. Magdeburg, 9. April. Die Kommunistcnherrschaft in Tanger münde ist schnell zu Ende gegangen. Die verhafteten Personen, worunter sich auch der Bürgermeister und der Stadtsekretär von Tangermünde befanden, sind wieder auf freien Fuß gesetzt worden, ebenso der Landtagsabg. Brandenburg, Landrat Rosenbruch und Assessor Spangenberg. Reichs- und Einwohnerwehr haben die öffentlichen Gebäude beseht, die Führer des Putsches sind geflohen. Der Verkehr, von dem Tangermünde völlig abgcschnitten war, ist wieder ausgenommen. Die Kommunisten hatten zum Eintritt in die Rote Armee aufgefordert, wobei sie freie Verpflegung und 18 Mark Tagegelder versprachen. Der überwiegende Teil der Arbeiter schaft, der durch Terror zum Generalstreik gezwungen worden war, ist auf die Putschisten erbittert. Bolschewismus, ein politisches Wahngebilde. Don R. Dinher, Eibenstock. Nachdem Ler verhängnisvoll«, auf politischen Irrtümern basie- Knde Bolschewismus das «irrst so mächtige Kaiserreich Rußland in ein Reich Les Schreckens verwandelt hat, rast nunmehr auch über Deutschlands Fluren Liese Furie poetischen Wahnes. Die Ereig nisse -er letzten Tage zeigen immer mehr, daß Lie Gefahren Les russischen Bolschewismus bisher vollkommen von uns unterschätzt worden sind. Unmerklich, aber gewaltig haben bolschewistische Agi tatoren im geheimen ihre Fühler auch nach unserem Lande ausge- streckt und hier groß« Massen unsres Vaterlandes erfolgreich ins Schlepptau ihrer Politik gezogen. Das wahnwitzige Experiment jenes BevlinerFanatikers Kapp führte ungewollt denBolschewismus seinem Ziele näher. Man glaubte, Li« Stund« sei gekommen, das ihrem Kel« näher. Man glaubte, die Stunde sei gekommen, das zunächst im Dunkeln begonnene Werk offensichtlich und rücksichtslos durchzuführen. Hell lassen jene Irrsinnigen Lie Fackel des Bolsche wismus leuchten unL brüsten sich als die „Befreier" Deutschlands. Haß, Neid und Vandalismus heften sich an ihre Fersen. Mit Blindheit schlagen sie große Massen unsres Volkes, ziehen diese in den Strom ihrer zerstörenden Politik hinein und verkünden, daß nur durch Gewalt und Todschlag, kurz Lurch Vernichtung, Lie heiß- «rschnte, wirkliche FreHeit geschossen werden könne. Versunken im "Träum« -es Bolschewismus, aller Ideale und -er Seele beraubt, verhetzt und irregeführt, haben zur Zeit Tausend« sich dem Bolsche wismus angeschlossen nnd Len Kampf gegen die eigenen LanLes- brüder, — gegen Deutsche —. gegen ihr eignes Blut begonnen. Und wenn man fragt, um welches Ziel sie kämpfen, so wissen es Lie meisten nicht; denn wüßten sie es, dann schonten sie ihr eignes Mut, vernichteten nicht ihr eignes Leben und das ihrer Familie. Was ist denn überhaupt Bolschewismus und was fordert er? „Bolschewismus" ist ein von russ. Sozialisten errichtetes politisches System, das anfangs sehr Lem Sozialismus ähnelte. Im Jahre ÜSO3 wurde auf Lem London-Brüsseler Kongreß ein« Abstimmung ioovgenommen, bei der di« Verfechter jenes Systemes die Mehrheit bildeten. Man nannte sie seitdem „Bolschewiki", die Minderheit hei jener Abstimmung Li« „Menschewiki". Dem ganzen System jener russischen Bolschewiki legte man Li« Bezeichnung ^Bolschewismus" bei. Somit liegt Ler Ursprung des Bolschewis mus in Rußland. Ihm liegt Li« Marxsche Idee zugrunde. Lenin, einer Ler eifrigsten und gefürchtetsten Führer Ler Bolschewisten äußerte sich vor mehreren Jahren (1917) dahin, Laß Las Ziel dieser menen Politik die Wiederbelebung der Marxschen Lehren sei. Aber Lenin hat Lurch sein« Richtungen, die er Ler bolschewistischen Po litik gegeben hat, sowie Lurch mehrere Schriften, die Schöpfungen seines Geistes sind, bewiesen, daß er Marx mitunter ganz falsch verstanden hat. Er hat seiner Politik im Gegensatz zu Marx den Stempel Les rücksichtslosesten Anarchismus äufgedrückt. Bereits nach einigen Jahren seines Wirkens sah Lenin die Folgen seines Irrtums «im Es würde zu weit führen, an Lieser Stelle näher auf die Lehren von Marx einzugehen und beweisen zu wollen, daß Marx trotz seiner zwei in seinen Lehren kundgegebenen grunLvcr- schiedenen Weltanschauungen und seiner von Egoismus stark schat- tierten Lebensauffassung „Anarchismus und Terrorismus" nicht gepredigt hat, werm aber auch nicht geleugnet rverden darf, Los; Marxens Geist sehr oft durchdrungen war von revolutionistischen Gedanken. — Die Religion bezeichnet der Bolschewismus als Lu xus, als seelische Sklaverei und muß daher laut Programm ver nichtet werden. Aber nicht allein Lie Religion, sondern auch jedes -Etaatsgebild« haßt der Bolschewist mit Ler Glut seines Herzens. !Er ist cmti-demokratisch und anti-etatisch! Weh« Lem, der geistig >und auch materiell höher steht als er! Solch einer muß laut Pra- fgromm, vor allem, wenn er ein politischer Gegner des Bolschewis mus ist, vernichtet werden. Am allermeisten aber hassen Lie Bol- schewiki den Kapitalismus, ohne vielleicht von dessen Nachteilen loder Lessen Notwendigkeit durchdrungen zu sein. Was verstehen die Bolschewiki denn unter Kapitalismus? In, wie würden sie vor- fahren, wenn sie plötzlich selbst zum Kapitalisten — ganz gleich wie — emporsteiqen würden? Lin Anhänger Les Kommunismus (K. ist eine Spielart des Bolschewismus), von Beruf Ingenieur, mit dem der Schreiber dieses vor kurzem in Johanngeorgenstadt ein« Aussprache über die politischen Verhältnisse unsres Landes führte, erklärte, daß Ler Kommunismus hauptsächlich erstrebe, Len Kapitalismus mit Strunk und Stiel auszuroLen. Auf Lie Frage, was er unter „Kapitalismus" versiehe, erwidert« er: „Geld". '(Welch ein« Auffassung!) Und aus die zweit« Frage: „Wer ist nach Ihrer Ansicht Kapitalist?", vernahm man imter Zeugen di« Worte: „Die Leute, Lie mehr als «ine Million besitzen." Man empfand augenblicklich wirklich Lust, sich dieser politischen Richtung anzu- fchließen. — Die Bolschewiki also schöpfen alle ihre Kraft aus den Hoß gegen den Kapitalismus. Nach ihrer Ansicht soll jeder gleich viel besitzen. Mit dem Wort« „Kapitalismus" haben sie untrenn bar verknüpft den Gedanken an „Ausbeutung'. In ihren Augen ist jeder Bürger Angehöriger Ler Dourgoisi«, des Kapitalismus. Gegen diese Bourgoisie und Lie Lurch sie geschaffenen Wirtschafts formen müsse nach Lenins Ansicht und Programm, Lessen strenge Befolgung er seinen Anhängern anbefichlt, mit den giftigsten" Waffe» vovgegangen werden. Mit größter Brutalität, Rigorosität und einen unevgründlichen fanatischen Haß müsse Ler Kampf ge- führt werden. Wes Geistes Kind Lenin ist, welch Eharakter sein« Persönlichkeit schmückt, kennzeichnet ein treuer Freund Lenins, »iimlich M. Rudaki« mit -«« WortttU »Lenin Ul ein mm k- scssener Mensch. Er kann nicht so stark lieben, als «r zu hassen ver mag. Dieser Haß umgibt Lenin wie «ine Mauer und verhindert ihn, daß er Lie wirklichen, lebendigen, alltäglichen Menschen wahr- ninunt. (Sombart, Sozialismus). In seinem G«iste hat Lenin seine Anhängerschaft erzogen, nicht erkennend, welch Vergehen er beging; und wie im Sturm haben sich seine Ideen über Las mäch tige Rußland verbreitet, enorme Menschenmassen in geistige Um nachtung gestürzt und so ein ganzes Land unLVolk in den Abgrund geführt. Vielleicht hat Ler Bolschewismus Lurch sein russisches Beispiel endgültig sein« Negation weltgeschichtlich bewiesen. In folge des ihm innewohnenden Hasses gegen Len Staat und gegen di« derzeitige Wirtschaftsform beginnt der Bolschewismus überall La, wo er Fuß gefaßt hat, mit Ler Aufrichtung Ler Räteregierung. Unzählige Kommissionen und Ausschüsse sind in Rußland errichtet worden, Lie sich mit Ler Sozialisierung nicht etwa reifer — nein aller industriellen und gewerblichen Betrieben sowie der Landwirt schaft befassen, und die Li« GüterproLuktion und -distribution in eigene Regie genommen haben. Welches Fiasko Liese russischen bolschewistischen Institutionen erlitten haben, darüber folgt noch Näheres. Zunächst begann man in Rußland mit Ler Nationalisie rung aller Banken. Dann enteignete man die Bauern, indem man Grund und Boden in „Räteeigentum" überführte. Ebenso wollte man Ackerbau und Viehzucht un Großen betreiben. Aehnlich ge schah es mit Lem Handel und Len übrigen freien Berufen; kurz, man sozialisiert« und kommunalisierte Lis ins Bewustlos«, bi» Last -is ganze Volkswirtschaft «Len nur von Rätekommissionen geleitet wurde. Rücksichtslos wurden all« Wirtschaftsformen und -systeme umgestoßen, ohne sich die Folgen solch eines Handelns zu überlegen. Das furchtbare Chaos trat naturgemäß bald «in. Durck Ausschal tung jvglicherKonlürrenz erlahmt« Las Interesse an der Arbeit. Avbeitsunlust, Erwerbslosigkeit und bitter« Armut stellten sich sehr rasch «im Die Landleuts, Lie unter Len Anweisungen Ler zustän- Ligen Kommissionen ihren beruflichen Pflichten nachkommen sollten, wären bald Ler Diktatur nichtfachmännischer Köpfe überdrüssig. Sie, Lie Landwirte, waren aller EetreideNrstände entblößt, ent eignet, so Laß es an: genügenden Saatgute fehlte. Die ungeheuren AckeMecken konnten nicht bestellt werden, so Laß Ler größte Teil sämUWp Ackerlandes unbebaut, also brach lag. Tie Folge war der MWßopl an Getreide, an Brot, kurz cm Nahrung. Hungersnot trat ein. Vergrößert wurde Lies durch das Fehlen des Fleisches; denn wie Lie GetreiLeproduktion, so schritt auch Ler Viehbestand einem unaufhaltsamen Verfall entgegen. So kostete z. B. lt. Sta- tistik Sombarts 1917 in Petersburg eine Milchkuh 892 Rubel, 1918 bereits 2668, ein Schaf 1917 38, 1918 371, 1919 2836 Rubel. Es sind Lies Preise, die infolge Mangel an Vieh eine derartige furcht bare Höhe bereits na-b wenigen Monaten erklommen hoben und daher für die ärmere Bevölkerung — Lazu gehört Ler größt« Teil des russischen Volkes — unaufdringlich waren. Ebenso schlimm sah es in Industrie und Gewerbe ans. Beide wurden unter die Kon trolle und Leitung Ler jeweils zuständigen Kommissionen gestellt. Die ehemaligen Unternehmer und deren Stellvertreter wurden ihres Postens enthoben; nicht in Lie Produktionsweise eingeweihte und nickitfachmännische Personen leiteten Lie Produktion und Di stribution, so Laß ein steter Rückgang der Gütererzeugung eintrat. Der Handel im heutigenSinue wurde ausgeschvltet und als Tausch handel im früheren Sinne (Proüuktionsaustausch unter Arrsschluß des Geldes) ebenfalls von Kommissionen ousgeübt. Auch hierbei blieb der Erfolg rvegen Mangels an kaufmännischen und volkswirt schaftlichen Kenntnissen und Ausschaltung jeglicher Gewinntendenz aus. Eine große Interesselosigkeit stellte sich auch auf dem Gebiete der Technik und Erfindungen «in, so Laß Lie gesamte Wirtschaft Rußlands einen furchtbaren Umsturz erlitt. Der Wohlstand des russischen Volkes sank erschreckend, die Not <rn Rohstoffen und Nah rungsmitteln stieg ungeheuer und gab Anlaß zu Raub und Plün derung. Die persönliche Sicherheit war gleich Null. Gesetze und Rechte waren wertlos und würben nicht mehr anerkannt. Kur.-, eine furchtbar« Verzweiflung, selbst auch im russischen Proletariac, hatte Platz gegriffen. Der Sozialist Ludwig Ouessel, «in Kenner der Lurch Len Bolschewismus geschaffenen Zustände Äiußlands, hat verstanden, das jetzige russische Elend vorbildlich zu schildern. So schrieb Ouessel in den „Sozialistischen Monatsheften", Laß Lie rus sischen bolschewistischen Führer emsvhen mußten, Laß Ler Bolsche wismus als System erledigt ist. Die Bolschewisten wollen sich in ihrer Not in den kapitalistischen Zukunftsstaat hinüberrctten. Da her verlangen sie offiziell« Anerkennung ihrer Regicrnng Lurch die übrigen Mächte und Versorgung des russischen Reiches mit Ver kehrs- und Lebensmitteln. Der Bolschewismus kann Rußland nie die Kraft spenden, LieLebensmittelausfuhr wiederauszubauen; denn er hat, wie bereits geschildert, die Unproduktivität gesteigert, alle Quellen des Lebens kür die städtische Bevölkerung zerstört. Die Stadt stirbt, wo bolschewistischer Hauch hindringt. Sie geht Lurch Hunger zugrunde. Auch jede für Len Getreidebau wenig geeig neten Gebiete Nordvußlands leiden unter bitterster Not. Jegliche Rohstoffproduktion mußt« eingestellt werden, um nur die nötigsten Lebensmittel zu erzeugen. Ebenso ergeht es den russischen Daum- wollgebictc» Zentralasiens. Der Baumwöllenanbau ruht dort ganz. Mit Ler Lebcusmittelnot stieg auch der Mangel an Brennmaterial, Die Zufnhreu der ukrainischen Kohlen nnd des Naphtas aus dem Kaukasus stockteG Zur Abwehr der todbringenden Kälte des öst lichen Winters mußten 678 999 Deßjatinen (1 D. ca. 1 Ar) Bewal dungen zwecks Abholzung freigegeben werden. Der Warenverkehr auf den Land- und Wasserstrecken ging unter bvlschewistischcr Herr- schäft zurück. Die bcbcnemittcl-,»fuhren von weither bliebe» fast ouA. jo daß Lie auf sie angewiesenen größeren Städte sich mehr und mehr entvölkerte». In der Millionenstadt Petersburg sind jetzt kanm noch 906 6V0 Menschen zu finden. Ueber eine Million ist ge flüchtet, gestorben, verdorben. Schneller noch als die Menschen, so schildert Quessel weiter, sterben im bolschewistischen Rußland die Industrien ab. Rohstoff- und Brennstoffmangel bringen sie zum Erliegen. In Ler Petersburger Schwerindustrie, -i« früher 10V- bis 150 000 Menschen beschäftigte, arbeiten zur Feit nur noch 8—7 Pro- zent. Die Zuckerproduktion ist gänzlich unterbunden. Moskauer Betriebe stehen still infolge Gasmangels. Die SalzinLustrie hat auch aufgehört zu bestehen. Als Ersatz Les Salzes wird den Dau ern Las in klein« Stückchen zersägte Holz alter Heringssässcr gelie- ertf, aus dem sich die Landwirte Salz Lurch Kochen dieser Holzstücke extrahieren müssen. So also liegen zur Zeit Li« Verhältnisse in Rußland. Lenin mußt« einsehen — Lie Verhältnisse selbst zwangen ihn Lazu — daß er auf falschen Bahnen wandelt, Laß er, wenn er sein« verhängnis volle Politik weiter verfolgt, ein ganzes Volk wirtschaftlich, kul turell und geistig zermürbt. Bereits nach Lem ersten Hälbjahr der Einführung Les bolschewistischen Wirtschaftssystems stellte sich das Chaos ein. Immer krasser traten Lie Mängel dieser Wirtschafts politik hervor, und iinmer mehr schrie das in wirtschaftliche Fes seln gewaltsam gezwängt« Dol! nach Defreimtg von solch «iner Dik- tatur. Lenin und Trotzki mußten in der letzten Stunde höchster Gefahr auf di« Ausführung ihres Wirtschaftsprogrammes verzich ten oder letzteres wenigstens einer Revision unterziehen. Beide kamen zü Ler Erkenntnis, daß ihr bisheriges Handeln unverant wortlich war. Bereits im April 1918 wurde Li« bolschewistisch« Wirtschafts politik einer gewaltigen A«nderung unterworfen. Aus eine städti schen Konferenz der russischen kommunistischen Partei in Moskau rief Trotzki am 28. März aus, daß nur Arbeit, Disziplin und Ord- nung Lie sozialistische Sowjet-Republik retten können. UnL wenig« Wochen später erstattete Lenin „über Li« zukünftigen Aufgaben der Sowjet-Macht" ein Referat und bewies, Laß so wie bisher nicht weiter gewirtschaftet werden könne. Das gesäurte Wirtschaftsleben müsse einer durchgreifenden Aenderung unterworfen werden. Lenin stellte (nach Sombart) folgend« Resolution auf, die vom Zentralen Vollzugsrat Ler Sowjets der Deputierten einstimmig angenommen wurde: 1. Um die Produktivität und Intensität Ler Arbeit in den ein zelnen Betrieben zu steigern, wird als notwendig erachtet: a) Lie Gewährung von hohen Gehältern an Lie Betriebsleiter; denn ohne Anleitung von Fachleuten der verschiedenen Zweig« des Wissens, Ler Technik, der Erfahrungen ist Ler Uebergang zum Sozi alismus unmöglich. Bürgerliche Fachleute müssen herangezogen werden. b) die Einführung einer strengen Disziplin in den Betrieben; denn heute fordert dieselbe Revolution und zwar im Interesse des Sozialismus die widerspruchslose Unterordnung Ler Massen unter den einheitlichen Willen der Leiter des Arbeitsprozesses. c) Lie Anwendung des Taylors-Systems (!); man muß in Ruß land die Erlernung und Len Unterricht Les Taylor-Systems, sein« systematische Prüfung und Anwendung ausnützen. L) die Einführung Les Akkordlohn«» (I). e) Li« Anpassung Ler Löhne an die allgemeinen Arbeitsergeb nisse einer Fabrik oder Lie Dctriebsresultate des Transportes durch die Eisenbahn und auf Wasserwegen usw. f) die Organisation des Wettbewerbs. 2. Um Li« gesamteOvganisation Lurchz»führen, müssen Produkt tion und Bedarf in Einklang gebracht und Lie Verteilung richtig bewerkstelligt werden. Ein enges Zusammenarbeiten mit den bür gerlichen Genossenschaften ist notwendig. Deshalb hat Lie Sowjet- Macht mit Liesen ein Abkommen geschlossen, in Lem aus eine ganz« Reihe von sozialistischen Grundsätzen verzichtet werden mußte. Diese „Resolution" Lenins beweist erneut, Laß Lie Menschen sich gegen Verhältnisse zwar stemmen, diesen aber nicht ausweiche» können. Die Aenderung eines Wirtschaftssystems, der Aufbau einer neuen Wirtschaftsordnung kann sich eben naturgemäß nicht in we nigen Tagen vollziehen. Die Natnrverhältnisse -es Landes, die Chnraktereiyentümlichkeiten Les Volkes, Lie Kultur, Lie bisherige Produktionsweise, alles dies sind doch Momente, die Len ganzen Dang der wirtschaftlichen Entwicklung eines Volkes und Landes stark beeinflussen. Die Bolschewisten glaubten, berufen zu sein, in Lao Räderwerk dieser zwingenden Verhältnisse ordnend und ge waltsam cingreifen zu können. Ein furchtbarer Irrtuml Der jetzige Zustand Ler russischen Wirtschaft hat ihnen, Len Verkündern der pcilslehre, Li« Augen geöffnet. Die Vernunft mußte siegen. Jetzt, wo man beginnt, auf Len Trümmern des Bolschewismus in Ruß land ein neues und sicher ein wirklich existenzfähiges Wirtschafts system aufzubauen, wo Lie Vernunft und di« Logik Lie dazu nötige Kraft spenden, in diesem Augenblicke bedrohen die Irrlehren des Bolschewismus auch unser Vaterland. Gewissenlose Hetzer, Lie an Raub, Todschlag uird Zerstörung ihren Wohlgefallen finLen, versuchen mich unser Volk zu vernichten. Wenn unser« deutscheR«gi«rung und mit ihr das Leutsch« Volk nicht die Macht und Energie finden, den im Ruhrgebiet« und in einigen anderen Teilen unsres VaierlanL.o aufflackcrnLcn Bolschewismus gewaltsam und für Lauernd unschädlich zu machen, dann ist auch das deutsche Volk verloren und verdammt, Len Leidensweg Ruß land» gehen zu müssen. Von Stund« zu Stunde wächst die Gefahr des Bolschewismus und Terrorismus. Jeder, drr sein Volk lieb hat, muß mithelfen im Kampfe gegen Liese Ungeheuer und nicht« unversucht lassen, seinen Nächsten vor den Irrtümern nnd den Ge- fahren des Bolschewismus zu bewahre». Deutsches Volk, besinn« -ich und komm« zur B«ruuuft1 - - - -
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