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Aus dem schwedischen und norwegischen Buchhandel. IV. (III vgl. Nr. 1»7.> Skandiiiavismus. — Schwedisch-deutscher Verein. — Gustav Kriidlng. — Richard Wagner. — Neue schwedische Bücher. — Cammermeyers Ju biläum. — Norwegische Buchhändicrschuie. — Neuer norwegischer Buchdruckcrtarif. Im Anschluß an die Mitteilungen über Skandinavien in meinem letzten Berichte dürfte eine kurze Schilderung der Ent stehung und des Wesens des SkandinaviSmus Interesse finden, zumal der Grundgedanke des Bündnisses der gewesen ist, in literarischer und wissenschaftlicher Hinsicht im Norden Europas ein Volk, nämlich das skandinavische, zu schaffen. Hunderte von Jahren hindurch hatten Schweden und Dänen als grimmige Feinde nebeneinander gelebt, und der stark ausgeprägte Hatz ließ weder bei Gebildeten noch Wissenschaftlern Gedanken und Wünsche aufkommen, sich mit der Literatur des Nachbarlandes zu beschäf tigen. Erst im 18. Jahrhundert geschah eine Annäherung und zwar durch ein lateinisches Gedicht: »Uooma in Serenissimi et kotentissimi Svecorum ke^is Oaroli OustLvi DiLnsitum maris Ualtllioi«, das der Däne Luxdorph 1753 an die »Svenslra Vit- tcrketsakackemi« einsandte, die es mit einem Preise krönte. Das Gedicht erzählt den Übergang des Schwedenkönigs Karl Gustav über den Belt, und in seinen Versen wird große Verwunderung darüber ausgedrllckt, weshalb sich zwei stammverwandte Völker und Nachbarn Menschenalter hindurch bekämpften, anstatt sich gegenseitig zu fördern. Der Hatz hatte jedoch zu tief Wurzel ge schlagen, als daß dieser Versuch einer Annäherung, wie wenig stens zu erwarten gewesen wäre, bei den Gebildeten Anklang ge funden hätte; aber immerhin ist er doch mit als Ursache dafür an zusehen, daß ungefähr zwanzig Jahre später schwedische Pro fessoren in die dänische »Vickenslrabornss Selslmb« ausgenommen wurden, was als wirklicher Anfang der Geschichte des Skandi- navismus zu bezeichnen ist. Einen neuen Schritt wagte der Däne Jens Kragh Höst 1794 mit der Herausgabe der Zeitschrift »Horckvn«, die er mit der Absicht ins Leben rief, die Litcratur- erzeugnisse beiderseitig weiteren Kreisen bekannt zu machen. Der Mangel an Abonnenten verhinderte jedoch ein längeres Bestehen, und nach kaum einem Jahre wurde das Erscheinen eingestellt. Was Höst mit Morden« nicht gelang, versuchten optimistisch gesinnte Gelehrte Schwedens und Dänemarks mit der Gründung einer »Skandinavischen Literatur-Gesellschaft« und der Heraus- gäbe einer neuen Zeitschrift, genannt »Llrancliaavislr dluseum«. Die Zeitschrift sollte regelmäßig Aufsätze schwedischer und däni scher Verfasser bringen und in erster Linie der gegenseitigen Förde rung literarischer Interessen dienen. Anfangs erschienen die Bei träge gleichmäßig, aber schon nach einiger Zeit erlahmte die Teil nahme aus schwedischer Sette, und nachdem die ersten 9 Bände vollständig waren, wurde festgestellt, daß von den veröffentlichten 88 Beiträgen 77 aus dänischer und nur ll aus schwedischer Feder stammten. Die Hoffnung aus ein besseres Verhältnis und einen engeren Zusammenschluß wurde trotz dieser traurigen Tatsache nicht aufgegeben, und die Zeitschrift konnte, nachdem der Titel in »Slrandinavislm lüttoratursällsImMs Slrrikter« geändert Worden j war, dank einiger eifrigen Förderer, noch über zwanzig Jahre bestehen, allerdings ohne das nötige Interesse selbst bei den Gebildeten erlangt zu haben. 1832 teilten die »Schrif ten« das Schicksal des Morden«, und acht Jahre später löste sich seligen Angedenkens auch die erste und letzte skandinavische Lite- raturgesellschaft auf. Das Ergebnis der Förderung skandina vischer Interessen war nichts weniger als glänzend gewesen, und wenn auch hier und da, z. B. in den Jahren 1810—1813, die Frage einer dynastischen Einheit auftauchte, so ist doch festgestellt, daß in der ersten Hälfte des 19. wie in der letzten des 18. Jahrhunderts der SkandinaviSmus recht wenig Lebenskraft gezeigt hat. Wohl waren einige schwedische Bücher in dänischer und umgekehrt dänische in schwedischer Übersetzung erschienen, Wohl besuchten Tausende von Schweden, nachdem das erste Dampfschiff von 1828 ab zwischen Kopenhagen und Malmö verkehrte, die dänische Hauptstadt, aber das war doch nur ein verschwindend kleiner Teil im Verhältnis zu der großen Masse, die der skandinavischen Frage nicht die geringste Aufmerksamkeit schenkte oder sich sogar ableh nend verhielt. Eine neue Bewegung setzte erst 1843 mit der Zu sammenkunft schwedischer, dänischer und norwegischer Studenten in Upsala wieder ein. Gewiß hatten Studenten von Lund und Kopenhagen schon Jahre vorher Besuche ausgetauscht, was sogar zur Folge hatte, daß eine nordische Vierteljahrsschrift (»SiL^e oeb läun«) erschien, jedoch die Stockholmer Gelehrten und Upsala- Studenten nahmen keinen Anteil daran, und die Besuche hatten mehr einen lokalen als nationalen Charakter. Das Upsalaer Zusammentreffen der nordischen Studenten 1843 hatte an und für sich auch keine weitere Bedeutung, aber durch den Kanonen donner beim Empfang und die Helle Begeisterung der Jungen fand das Wort »Skandinavien« Eingang in viele Ohren, die sich ihm bis dahin verschlossen hatten. Die Zusammenkunft, bei der es nicht an Vcrbrüderungsenthusiasmus fehlte, schloß mit der Gründung des »Slcandinaviskt Samkund« (Skandinavische Gemein schaft), die bald recht volkstümlich wurde und schon nach wenigen Monaten nahezu tausend Mitglieder zählte. Neben einer Biblio thek dänischer Bücher in Upsala entstand wiederum eine skandi navische Zeitschrift, und zwar unter dem Titel: Mordisk lütera- turtidende ak Slrandinavisst Lellsstab«, die aus gleichen Gründen Wie ihre Vorgänger das Erscheinen nach einem Jahre wieder ein stellte. Als Gegenleistung für die Feier in Upsala veranstalteten 1845 die Dänen in Kopenhagen ein »Nordisches Fest«, auf dem die Begeisterung infolge gewandter Reden und guter Weine bis zum Äußersten stieg. Es war keine Studentenzusammenkunft mehr, sondern ein Volksfest, denn von den zirka 130 000 Ein wohnern Kopenhagens war der zehnte Teil am Abend im Tivoli versammelt. Trotzdem die Regierung durch allerlei Verbote, wie des Tragens des Banners mit dm drei nordischen Wappen und der Teilnahme der Damen am Fest, die Mißbilligung der Veranstal tung durchblicken ließ, waren doch Tausende von Menschen von dem erhabenen Gefühl einer baldigen nordischen Verbrüderung beseelt. Der Schwärmerei sollte jedoch schnell eine große Ent täuschung folgen, und zwar entstand diese, als 1848 im Kriege der Dänen die schwedische Hilfe ausblieb. Alle Begeisterung war er loschen, und das Wort Skandinavien wurden selten im Munde ge führt oder in der Presse genannt. Dazu erschienen noch von norwegischer (die Norweger hatten sich bisher ziemlich Passiv ver- Ü23