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Redaktioneller Teil. .V 132, 9. Juni 1916. Menschheit und von dem — fast automatische» — Sichdurchsetzen allez Grossen und Guten, Wenn s auch lange dauert? Die Verleger? Mein Gott, wo wären die bahnbrechenden Autoren geblieben, wenn sic nicht wenigstens noch die Verleger gehabt hätten! Aber auch der Verleger - wie sollte er nicht? - ist von der Gunst und Ungunst der Menge abhängig, die seine Bücher lesen, kaufen, bei Aufführungen beifällig aufnehmen soll. Es ist nun einmal so, daß die Größe der Auflage den Verdienst von Verleger und Verfasser bestimmt — man kann die Stimmen der Abnehmer also nicht lvägen, sondern muß sie zählen. Auch der Beste hat an einem Exemplar genug. Ist das vielleicht eine Unglücksfolge der Buchdruckerkunst, deren Leistungen um so billiger werden, je mehr Abzüge man machen und verbreiten kann? Deshalb sprach ich ja schon früher von dem Gesetz des Um- fatznutzens, das — man kann sagen: leider — auch bei Geistes« erzeugnisscn gültig ist. So steht auch das Gcisteserzeugnis im Nexus des kapitalistischen Umsatzgcsetzes (»Gesetz« hier im Sinne einer wirtschaftlichen Nor m>, und begreiflicherweise kann sich auch der Verleger aus diesem Nexus im allgemeinen nicht lösen. Er hat's versucht — numerierte Ausgaben, Luxusausgaben hergestellt, höhere Preise für bedeutende Sachen ohne weiten Re sonanzboden, billige Preise für bedeutende Sachen, die bei Bil ligkeit vielleicht den größeren Resonanzboden sich schaffen kön nen, angcsetzt u. dgl. mehr. Aber wer ihm den Zauberstab in die .Hand gäbe, für das Gute auch die schuldige Anerkennung und zugleich den ihm und dem Verfasser zustehenden Tribut zu gewinnen, würde alle Beteiligten glücklich machen. Soll das eine Einrichtung wie ein Urheberamt oder ein Ucheberschätz können? Wenn's wäre, würde der Verleger dies nur gutheißen — wobei er aber immer betonen darf, daß das nicht einzig aus seiner Tasche gehen kann. Denn (neben wenigen Mäzenen) ist der Verleger der Einzige, der auch mal in aussichtslose Werke, die ihm wertvoll scheinen, Geld steckt. Manch einer hat dabei recht viel verloren, und auf die Dauer kann kein Verleger, der nicht immer wieder den Geschmack und die Bedürfnisse der »bunten Menge« berücksichtigt, solche segensreiche Mäzenatenarbeit aussührcn. Ja er braucht das, was er des Tags mit einer Allerwelts- leier verdient, zum Teil dazu, es abends in den Wind der Förderung von Zukunftshoffnungen gehen zu lassen. Aber dagegen wenden sich jetzt schon die Autoren. Es ist schon von mehr als einer Seite der Autoren nachdrücklichst be tont worden, daß sie mit dem Gewinn aus ihren Büchern nicht dazu beisteuern wollen, daß der Verleger andre, minder gut gehende Werke verlegen kann, sondern daß sie ihr vollgerütielt Maß von dem Erlös an ihren Werken für sich zu erlangen wünschen. Trotzdem ist der deutsche Verleger, wie es ihm erst jüngst von Professor Hermann Conrad (vgl. Bbl. Nr. 85 ff.) bezeugt worden ist, nicht auf den Nur-Verdienst-Standpunkt beispiels weise des englischen Verlegers herabgesunken, sondern hat seine ideale Mission dauernd hochgehalten. Im Wissenschaftsbetrieb liegen die Dinge da noch am besten und diese Seite der geistigen Arbei! hat Wohl auch Avenarius bei seinen Reformgedanken nicht in erster Linie im Auge. Die deutsche Wissenschaft hat noch am ehesten Raum für die Veröf fentlichung großer, wertvoller Werke, die auf »buchhändlerischen Erfolg« nie rechnen können. Da gibt es Subventionen, da ist der Hochstand des wissenschaftlichen Verlags auch ohne Subvention bereit, Großes mit sicherer Aussicht aus geldlichen Verlust zu fördern, da gibt es vor allen Dingen ein Forum, vor dem das Wertvolle einigermaßen sicher erkannt wird. Aber aus dem breiteren Gebiet dar Kunst und Kultur? Will da einer was Großes, Ernstes, so hat man von vornherein (vom Freunde angefangen, in der öffentlichen Kritik fortgeführt) Be denken über Bedenken. Da hat er zu viel gewollt und das nicht erreicht, da kommt jeder mit dem Götzen Publikum, der das nicht verstehen, nicht schätzen, nicht greifen werde. Hingegen bei leichter Ware immer die scheußliche Entschuldigung: es soll ja »nur« 726 Unterhaltung, »nur« eine Erholung für ein paar Stunden sein: also sehr nett, entzückend, mau wird lachen, es wird seinen Wa<> machen (mit Musik von einem Gassenhauerkomponisten um so. leichter). Wer soll darüber in dem Urheberamt oder bei dem UrheMDi schätz urteilen? Wird man da den Götzen Publikum, der Wp schon so vieles herabgezogen hat, ausschalten? Wird mai/ihn ganz ausschalten können, solange nicht die Zeit die Entscheidung für das betreffend« Werk getroffen hat? Wird sich dieses Ur- hebcramt, das keine Tageskonzessionen macht, nicht allzuleicht dem Ruf aussetzen, daß seine Begünstigten »zu hoch« oder »lang weilig« sind? Ja, und ist es überhaupt sicher, daß die Prüfer wirklich die Werte entdecken und krönen? Mit Preisgerichten hat man bisher nicht die glänzendsten Erfahrungen gemacht, und liegt da nicht etwas wie Treppenwitz der Weltgeschichte, wenn man immer den Fall Kleist und ähnliche heranzieht? Man ist ja hin terher immer klüger — und es ist leicht auszudenken, daß ein solches Urheberamt, wenn es zu Kleists Leidenszeit bestanden Hütte, auch ihm nicht geholfen hätte. Immerhin . . . alles, was dazu dienen kann, dem wahren Schöpferischen gegen den Tageswert zu helfen, wird bei Ver legern ans Zustimmung und Förderung rechnen. Dies muß einmal in aller Form betont und — wie wir es getan zu haben hoffen — mit Gründen belegt werden. Hier handelt es sich nicht um Dinge, bei denen der Verleger als der Geldmann des Geistesguts im Wege steht, sondern wo er mit den Autoren gegen die geistige Bequemlichkeit der Geisteskonsumenten ankämpft. Des halb müssen notgedrungen di« Reformvorschläge insoweit sehl gehen, wie sie ihre Hilfe nur auf Kosten des Verlags bringen möchten — es sei denn auf Kosten des Gewinns des Verlegers und Verfassers an der Tagesmarktware. Aber die Reformvor schläge finden in ihrer grundsätzlichen Berechtigung einen willigen Mitarbeiter beim Verlag, der dann gern bei der Ausgestaltung der Einzelheiten Mitwirken wird und der seinen Willen wie seine Fähigkeit, große Werte um ihrer selbst willen zu fördern, oft genug bewiesen hat. Ob aber der Weg, gemeinfreie Werke für den Staat oder die Allgemeinheit zur Speisung des Urheber- schc-tzes zu benutzen, zu wählen ist, bleibt nach wie vor fraglich und von Bedenken nicht frei — jedenfalls kann eine Reform unseres Erachtens nur Erfolg versprechen, wenn bei der Fest legung der Einzelheiten die Gesichtspunkte, die hier und in dem Aufsatz in Nr. 68 des Bbl. dargelegt wurden, berücksichtigt werden. Pus dem französischen Buchhandel. In der am 25. Februar stattgefundenen Jahresversammlung des französischen Buchhändlervereins »Öercle la I^ikirairie« gab der erste Vorsitzende Herr Louis Hachette einen Bericht über das ver flossene Jahr 1915, der manches Neue und Wissenswerte enthält. Wir gestatten uns, dem Wortlaut der Rilio^rapliio la k'ravee vom 3. März folgend, nachstehend einige Abschnitte daraus wiederzugeben, und verweisen als besonders wichtig auf die politische Tätigkeit, die die französische Buchhändlervereinigung zu entwickeln beginnt. Sollte es sich für den deutschen Buchhandel nicht empfehlen, in ähnlicher Weise für die Aufklärung des neutralen Auslandes zu arbeiten, was bei den fortgesetzten Lügen der Vierverbandspresse für unsere Sache noch viel mehr nötig wäre? Nach kurzer Einleitung und Dankesbezcuguug an seine Mitarbeiter im Vorstände kam Herr Hachette auf die Handelskammer zu sprechen und sagte von dieser: »Unsere Beziehungen zur Handelskammer haben fortbestanden. Wir haben in der »Bibliographie« alle uns von ihr gemachten Mitteilungen veröffentlicht, so z. B. die betr. des Verkehrs mit ausländischen Häusern, betr. der großen französischen Anleihe, betr. Feststellung aller Außenstände und Schulden der österreichisch-deutschen Untertanen und schließlich die Nachfragen und Untersuchungen über die Wiederbelebung des Handels. Wie Sie wissen, sind wir in dieser hohen Körperschaft durch unfern Fachgenossen Herrn Max Leclcrc ver treten, der es nicht dabei bewenden ließ, die schwere Aufgabe der Herausgabe des »Lulletiv cke kropaZauäa« zu übernehmen, sondern uns auch noch unermüdlich von den großen Anstrengungen und Be mühungen unterrichtet hat, die zur Wiederbelebung unseres Handels gemacht wurden, Bemühungen, denen die Gründung einer neuen Ver- sprungen ist. Sie wird alle Handelskammern und alle großen Vcr-