Volltext Seite (XML)
4494 Nichtamtlicher Theil. (R 277, 27. November. Nichtamtlicher Theil Schriftsteller und Verleger vor hundert Jahren. (Fortsetzung aus Nr. 272.) Am Schluß der „Nachricht" wird noch eines Planes Erwäh nung gethan, der nach erfolgter Durchführung das von der Buch handlung der Gelehrten Unternommene passend zu ergänzen bestimmt ist. „In Rücksicht dessen nämlich, daß fo mancher Gelehrte und Künstler zu dem eignen Abdrucke und Verlage seines Werkes nicht Vermögen hat," sind einige Capitalisten zusammengetreten, MN die Schriften, die von einem inneren Werth sind, drucken und durch die Buchhandlung der Gelehrte» verkaufen zu lassen. Ja sie denken daran, selbst dem Verfasser ein billiges Honorar zu bezahlen, so daß also sie sowohl das Risico der Veröffentlichung, wie auch eines Honorarvorschusses übernehme». Die „Verlagseasse für Gelehrte und Künstler", die noch in demselben Jahre 178t in Dessau gegründet wurde, war das In stitut, welches die „Nachricht" der Buchhandlung der Gelehrten in Aussicht genommen hatte. Die Statuten jener Aktiengesellschaft fordern den unvermögenden Schriftsteller auf, eine bestimmte Zeit vor der Messe, in der sein Buch erscheinen soll, das Manuscript dem Direktorium nach Dessau cinzuscnden. „Wird nach Untersuchung befunden, daß die Casse ohne wahrscheinlichen Schaden sich weder aus Vorschuß noch auf Berlagskosten einlassen kann, so geht das Manuskript schnellstens an de» Einsender zurück. Gründe der Ab lehnung werden nicht angegeben. Wird das Buch angenommen, so erfolgt Schließung eines förmlichen schriftlichen Kontraktes, Stärke der Auslage rc. wird darin genau bestimmt. Werden dem Gelehrten nur die Verlagskosten vorgeschossen, so erhält er 55 »ch des Ladenpreises; 33Vz A, sind für die Gelehrten- Buchhandlung, die andern snr Buchhändler, Subscribenten, Com- missionäre; > IN empfängt die Gesellschaft. Verlangt der Gelehrte außer Vorlage der Herstellungskosten noch baaren Vorschuß, so empfängt er nach dessen Größe einige Proccnte weniger an Gewinn. Dieser wird jedoch erst bezahlt, nachdem alle von der Casse vor- gelegten Kosten gedeckt sind." Da die Gesellschaft das ganze Risico übernimmt, so behält sie sich alle Wege des Debits vor, „durchPränumeration, Subscription, Commifsionärs, durch die Gelehrte Buchhandlung oder andere Buch händler u. s. w. einzuschlagcn, contant oder aus Credit (jedoch das letztere auf ihre, nicht der Autoren Gefahr) zu handeln. Da die Gesellschaft mit verschiedene» Gelehrten und anderen sicheren Män nern in Verbindung steht, welche sich erboten haben, Subskription an ihren Orten für die Schriften der Gesellschaft zu eröffnen, wird sie den Debit jetzt zum Theil auf diesem Wege suchen." Am I. Januar und 1. Juli legt die Gesellschaft ihren Autoren Rech nung ab, diese haben außerdem das Recht, an Ort und Stelle selbst zu prüfen, ob die Mittheilungcn der Gesellschaft wahr sind. Für den Fall eines Nachdrucks hat der Autor das Recht des Ankaufs der noch vorhandenen Eremplarc seines Werkes, wen» er nicht vor zieht , das Buch im Preis ermäßigt auch weiter der Gesellschaft zu überlassen. In letzterem Fall trägt die Verlagseasse, auch wen» die Berlagskosten und der etwa dem Versasser gegebene Vorschuß nicht durch weitere» Verkauf der Exemplare gedeckt würden, den Schade» ganz allein. Diese Verlagseasse schien mehr noch als die Buchhandlung der Gelehrten einem Bedürfnis) der Zeit entgegenzukommen und sie fand begreiflicher Weise bei den Zeitgenossen die beste Aufnahme. „Weit wichtiger," schreibt Bertuch in dem angeführten Briese an Merck, „und sowohl für Gelehrte und Publicum nützlicher ist hingegen das zweite, so zu sagen aus jenem Samenkorn (der, Buchhandlung der Gelehrten) mitentsprossenc Institut, die Verlagscasse. Es ist eine Gesellschaft begüterter Actionärs, die schon einen be trächtlichen Fonds zusammen hat und, ohne dem Schriftsteller das Eigenthum seines Werkes zu rauben, ihm Verlagskosten und Honorar vorschießt, alle Arten des Debits einschlägt, Credit gibt, dem subscribirenden Leser 20 tzb Rabatt, ihrem Commissionär 10HH pro orru gibt, kurz, es dem Autor so bequem und gut Un möglich macht." Hätte Merck Lust, bei dem Unternehmen sich zu be- thciligcn, so würde das dem Direktorium gewiß erwünscht sein. Und wie die Verlagseasse in Dessau sich austhut, so tauchen Vorschläge zu ähnlichen Unternehmungen in Nord und Süd auf. Besonders sei da des Berliner Plans gedacht. Da man cs vom volkswirthschaftlichcn Standpunkt für das Beste hält, das Geld mög lichst ins Land zu ziehen, das aber bereits darin befindliche nicht hinauszulassen, liegt der Gedanke nahe, nur preußisches Papier in preußischen Druckereien zu verdrucken; die Einnahme der Leipziger Messe ist dann eine sehr erwünschte Zufuhr zum preußischem Wohl stand. Während diese Nachbildungen der Dessauer Unternehmung bis aus eine in Augsburg frommer Wunsch geblieben zu sein scheinen/) haben die Dessauer Firmen einige Jahre bestanden, für nicht Wenig- Schriftsteller Anfangs ein Gegenstand dankbarer Betrachtung. Eine Anstalt, die sich zur Aufgabe stellte, dem Autor seine Werke zu drucken und sogar vorweg zu honoriren, und die mit dem Wiederersatz dieser Auslagen sich Jahre hindurch geduldete und für alles dieses mit ge ringer Provision sich begnügte, hatte gewiß viel Anziehungskraft. Trotzdem ein gewisses Mißtrauen sich auch in Schriftstellerkreisen geltend macht -— einzelne Autoren von Weidmanns Erben und Reich spotten in ihren Briefen über das Unternehmen, dem sic kein langes Leben versprechen—, kommt das Unternehmen in Gang, es erscheinen in den „Berichten" Listen der Bücher, welche in nächster Messe in die Oesfentlichkeit trete» sollen, auch gibt man wohl Bericht über einige weitere Verlagsanerbietungin, auf die man cingehen würde, falls das Publicum durch Subscription zu erkennen gibt, daß es die Bücher gedruckt wünscht. Unter den Autoren der angezeigten Bücher finden sich einige gute Namen, so Bertuch, Wieland's Bei stand in der ersten Zeit des Merkur, später Begründer des Landes- Jndustrieconiptoirs in Weimar, Clamcr Schmidt, Bahrdt, Herder und Wieland. Doch war das Glück der bei den beiden Unterneh mungen belheiligten Schriftsteller nur kurz, Klagen über unpünkt liche Geschäftsführung, über offenbaren Betrug blieben nicht aus. Manches bittere Wort über getäuschte Hoffnungen wurde in den Briefen an Verleger laut, und ebenso der Wunsch, die frühere bis her verkannte Verbindung wieder geknüpft zu sehen. So klagt der Kieler Hirschfeld, der der Buchhandlung der Gelehrten einen Garten kalender zum Debit übergab, über offenbaren Betrug und fragt Reich um Rath. Wie aber die Verlagscasse sich mit ihren Autoren ab fand, ergibt sich aus ihrem Vcrhältniß zu Wieland. „Die Berlags- kasse hat mir," schreibt dieser imJanuar >787 an Reich, „für meine horazischen Briese (ein Werk, woran ich mit dem mühsamsten Fleiß ein ganzes Jahr gearbeitet) zwar 500 Rthlr. bonor-rriuur accordirt, allein ich habe hiervon keinen Heller baares Geld, sondern die ganze Summe bloß in Acticn, d. h. in Papier, wofür mir schon lange niemand nur >08» zu geben Lust hat, empfangen. Diese an gebliche Zahlung ist also bloß eine mcrkantilischc Fiction; es ist da durch kein Groschen aus der Verlagscasse in meinen Beutel ge gangen." Cs darf angenommen werden, baß die an andre Schrift steller gezahlten Honorare dem an Wieland gezahlten an wirklichem Werth gleich kamen, wogegen die Casse selbst immerhin Einnahmen *) Kirchhofs, Beiträge II. 258.