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Hanno wurde es schwer, zu sprechen. Er bereute fast, die Bitte ausgesprochen zu haben. „Es handelt sich um eine Abrechnung. Ich muß Klarheit haben, seien Sie überzeugt, Hanno Tessing tut nichts Un ehrenhaftes!" „Ich glaube das! Aber die Bitte bleibt seltsam." „Der Herr Comte soll nicht merken, daß ein Mensch an der Beantwortung der Fragen Interesse hat. Irre ich mich, dann habe ich die Abrechnung mit einem anderen zu machen, und dann will ich mich freuen, daß es nicht ein Gast von Schloß Korff ist" „Eine Abrechnung, sagen Sie, Herr Tessing. Darf ich wissen, um was?" Hanno atmete schwer. Die Herzogin sah, wie er mit sich kämpfte. „Ist es um . . . eine Frau?" Da war eine Weile Stille im Raum. Nur Hannos schwerer Atem ging hörbar „Es ist . . um eine Frau!" Die Herzogin zuckte zusammen. Heftige Röte färbte ihre Wangen. „Um das . . . wagen Sie die Herzogin von Wincheston zu bitten?" Da hob Hanno seine klaren, braunen Augen empor. Leise sagte er:' „A me<r ist . . . tot, Frau Herzogin. Sie ruht unter den Bäumen Brasiliens. Mörderhand streckte sie nieder." Die schöne Frau sah, wie qualvoll es dem Manne wurde, wie er litt. Alle Entrüstung war plötzlich verschwunden. „Verzeihen Sie, Herr Tessing. Ich war sehr töricht. Ich will gern Ihrer Bitte entsprechen " Wortlos beugte sich Hanno nieder, und seine zuckenden Lippen berührten wiederum ihre weiche, kleine Hand. Delling hielt Nnmer noch den Kopf gesenkt. Bei den letzten Worten hob er ihn. „Einer alten Frau? O, sagen Sie das nicht! Dars ich Ihnen einmal ein Kompliment machen, Mrs. Porter, eins, das von Herzen kommt?" „O, das soll mich freuen!" Tessing sah sie schalkhaft an. „Ich wollte Ihnen sagen, Mrs. Porter, daß ich imstande wäre, noch ein drittes Mal zu heiraten, trotz meiner schweren Enttäuschung, wenn mir einmal eine Frau begegnete, so wie Sie, Mrs. Porter." Mrs. Porter errötete wie ein junges Mädchen. „Nur," beendete Tessing wehmütig „Sie dürste nicht so fürchterlich reich sein wie Sie, Mrs. Porter." „Wäre das ein schlimmer Fehler?" „Ich fürchte, ein sehr schlimmer, denn dann würde sie nicht viel nach mir armen Teufel fragen." Mrs. Porter richtete ihre gütigen Augen auf Robert Tessing. „Wenn sie aber . . . doch nach dem armen Teufel fragen würde, oder besser gesagt: nach dem reichen Teufel? Wenn sie kennengelernt hätte, daß Geld tatsächlich nichts anderes ist als ein notwendiges Uebel . . . was würden Sie dann tun?" „Dann . . . würde ich dem Glück nicht die Tür weise», würde es festhalten." Die Augen der beiden trafen sich. „Wollen Sie es festhalten, Mister Tessing?" fragte sie herzlich. Tessing sah sie verwirrt an. „Mrs. Porter, Sie . . ." Hell und glücklich lachte sie ihn an. „Ich mache verkehrte Welt. Nicht wahr, so sagen Sie in Deutschland doch? Ich bin eine Amerikanerin und . . . bitte um Ihre Hand, Mister Tessing." Tessing war immer noch fassungslos. „Sie wollen . - wirklich?!" „Ich will wirklich, Mister Tessing. Wollen Sie mit mir zusammen noch einmal dem Schicksal die Stirn bieten?" (Fortsetzung folgt.) Robert Tessing hatte von seinem Sohne vernommen, daß es um die Kasse schlecht bestellt war, und er hatte sich ent schlossen, Mrs. Porter um eine Abschlagszahlung zu bitten. Es war ihm nicht gerade angenehm. abeÄ^es hals nichts. Mrs. Porter, deren Sympathie für Robert Tessing mit jedem Tag gewachsen war, sah ihm an, daß ihn irgendwo der Schuh drückte. „Wo fehlt es. Mister Tessing?" fragte sie herzlich. Sie war die einzige, die noch Mister sagte, Marion und die Her zogin hatten es sich abgewöhnt. „Im Geldbeutel!" antwortete der Gefragte trocken und machte ein so treuherziges Gesicht, daß Mrs. Porter lachen mußte. „Da sind Sie aber selber dran schuld!" „Das bin ich! Aber es ist mir so ungeheuer peinlich, ausgerechnet Ihnen sagen zu müssen, daß Sie die Güte haben sollen und mir eine Abschlagszahlung für Ihre . . . Winterfrische zu machen, «so . . . nun ist es heraus. Werden Sie mir nun böse sein, Mrs. Porter, und Ihren getreuen Vasallen weniger schützen?" En gisch schüttelte Frau Porter den Kopf. „Was denken Sie von mir? Ich weiß, daß Sie mir lieber Gastfreundschaft gewähren würden, als Ihre schönen Zimmer gegen Geld zu vermieten." „Wirklich, das würde ich gern tun." „Ehe ich auf Ihr liebenswürdiges Kompliment eingehe, mein verehrter Mister Tessing, wollen wir das Geschäftliche erledigen. Gestatten Sie mir, daß ich den Pensionspreis selbst festsetze?" „Gern!" Ein Stein fiel Robert Tessing vom Herzen. „Wie lange sind wir hier? Sechzehn Tage, wenn ich nicht irre. Rechnen wir den Tag mit hundert Dollar, macht also sechzehnhundert Dollar. Ich gebe Ihnen zweitausend Dol lar. Wir bleiben ja noch eine Weile hier." Tessing fiel bald auf den Rücken. „Um Gottes willen, Mrs. Porter! Wir sind doch keine Neppgesellschasft. Der Passus im Inserat, daß der Preis sich nach dem Einkommen richte, ist doch nur ein guter Witz Ians." „Ich habe es nicht als Witz gelesen, Mister Tessing. Nein, Sie müssen das Geld nehmen. Bitte, Mister Tessing. Ich habe ja so viel, und es gefällt mir bei Ihnen so gut, daß ich gar nicht mehr von hier fortgehen möchte. Also, nehnien Sie, Mister Tessing. Es macht mir so viel Freude." Mit gesenktem Kopfe nahm Tessing das Geld. „Wenn ich nur wüßte, wie ich das ausgleichcn könnte, Mrs. Porter." Die alte Frau Porter lachte herzlich auf. Ihr Lachen war so gütig, mütterlich. „Sie haben mir so wohl getan, Sie haben einer alten Frau, die sich nur noch durchs Leben langweilte, Freude ge macht, Ist das nicht viel. Mr. Teijin»?" Herr Weitzslos Von Hans Reimann. , Neulich war ein Herr im Friseurladen, der sich die Haare schneiden ließ. Ich mußte warten und lauschte der Unter haltung, die gepflogen wurde. „Herr Weißflog" wurde der Herr von meinem Barbier angeredtet. Dann freilich schien es mir, als ob sich di« beiden Herren duzten. Za natürlich, ganz einwandfrei hatte ich ver nommen, wie Herr Weißflog meinen Barbier mit „Karl" apostrophierte, während mein Barbier hingegen Herm Weiß flog wörtlich fragte: „Wie war's denn gdstem abend? Haste die Medallje errungen?" Zch geriet, ins Staunen. Um so mehr, als -keine ^rei Sekunden später die Sprechenden ganz offiziell per „Sie konoersierten. Das Duzen und das Siezen wechselten. Bis zum Abschiednehmen. Kaum hatte sich die Tür hinter Herm Weißflog geschlossen, als ich mit unverhohlener Neugier meinen Barbier fragt«, ob er den Mann eigendlich sieze oder duze. , .. „Ach", versetzte mein Barbier, „wissen Se, nur MN alte Bekannte. Erscht, da Hamm mir uns selbstredend gesiezt. Aber das ist dann ganz anders ausgeartet. Und jetzt mrzen mir uns. Schon lange. Bloß in Gegenwart von KundsäM, nich wahr, man weiß doch, was sich schicken tut. nich wahr , da sag ich immer Sie zu ihme. Und dann ooch, weil erdresm Monat im Warrideh auftritt". , , . Warrideh bedeutet Variete. Und zwar trat Herr Weiß- flog, wie ich heraus beiam, als Viertel eines Männergesangs quartetts auf. . - . Bald darauf hatte ich Gelegenheit, ihn nebst seinen drei Kollegen zu hören. Es war die "Nummer nach der Pause. „Weißflog-Quartett in ihren lebenden Liedern" betitelte sie sich. i. Der Vorhang raschelte hoch. In grünem Lichte lag die Bühne. Zm Hintergründe ein gittgemeintes Rheintal, vom rechts die kühne Fassade des Wirtshauses an der Lahn. Unsichtbarer Gesang teilte uns mit, daß das Wandern mindestens des Müllers Lust sei. Woran ich kaum gezweifelt hatte. Wenn ich nicht fehl gehe, sangen die vier Brüder zu nächst einmal ins Unreine. Dann betraten sie die Bühne. Trotz seiner Vermummung erkannte ich Herrn Weißflog so fort wieder. Er sang Baß, wo nicht Baßbuffo. Auf dem Haupt trug er einen grauen Blaser von überlebensgroßer Dimensionen. Seine Kollegen zerfielen in Mczzo. Sopran uiid Bariton.