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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Nr. 84 Mittwoch, den 2l. November ms" Vutziag Felir Leo Göckeri Seitdem der Zerr am Kreuzesstamme Die Weit erlöst in Qual und Not, Hat niemals seiner Lehre Flamme Ganz rein in seiner Schar geloht. Es geht das Selbst-sich-Ueberwinden Zu schwer dem Menschengeiste an, Als daß der Bußtag nickt der Sünden Und Schuld und Fehle finden kann. Doch niemals hat so ernstes Mahnen Erfüllt der Bußtagsglocken Klang, Wie wenn auf herbstlich-stillen Bahnen Leut dumvf erklingt ihr dunkler Sang. Einst war's die Einzelmenschenseele, Die fich aus Dunkel rang zum Licht — Heut trägt die Last von Schuld und Fehle Ein ganzes Volk und — fühlt es nicht! Und dünkt sich noch unendlich weise Und brüstet sich mit Hohn und Spott, Daß es aus seinem Lebrnskreise Gestrichen seinen Herrn und Gott. Und hält fich noch für fortgeschritten, Weil's aus der Brust die Liebe ritz, Und merkt nicht, wie', hinabgeglitten In Sumpf und Schuld und Finstern»,! O daß des Buklage ernstes Mahnen In aller Menschen Herzen dräng' Und alle mit dem jähen Ahnen Des tiefen Falls zu Boden zwäng'! Und daß in jäh entflammten Bränden Ein heilig Feuer sie durchloht, Damit sie schaudernd heut' erkannten Der ganzen Menschheit Seelennot! Wer GM Es GGßsH Korff Roman von Wolfgang Marken Urheberrechtsschutz durch Verlag von Oskar Meister in Werdau. 17 Nackdruckverboten Esther Ristori hatte Nordensteen abgeschlagen zu tanzen, und beide unterhielten sich. Das Interesse der Schau spielerin schien sich auf Hanno zu konzentrieren. Sie kragte den jungen Diplomaten über Hanno, der sich immer noch mit Marion unterhielt, aus. »Es freut mich, daß Hanno Tessing Sie interessiert." „Er ist mein Typ, Herr von Nordensteen." »Ihr Typ! Da möchte ich ihn ja beinahe warnen." „Glauben Sie, daß Ihrem Freunde Hanno Gefahr drohen könnte? Ich glaube es nicht." Ueberrascht sah er auf die Schauspielerin. „Ich verstehe Sie nicht recht, gnädiges Fräulein." „Ich glaube nicht, daß Hanno Tessing in Gefahr kommen kann, einem . . . Flirt mit einer Schauspielerin zu erliegen. Darum werde ich mich von vornherein danach richten." „Ich verstehe Sie immer noch nicht, gnädiges Fräulein." „Noch nicht! Ich denke. Sie sind Hannos Freund, und ich glaubte, Sie kennen ihn. O, Sie kennen ihn doch nicht ss ganz. Mein Blick verrät mir mehr als Sie wissen. Sehen Sie, Herr von Nordensteen, wie er mit dem reizenden Ding, der kleinen Marion, plaudert. Die Kleine ist verliebt in ihn. Ich habe dafür ein besonderes Gefühl. Und glauben Sie mir... der Mann dort brauchte nur die Hand auszu strecken, um sie zu gewinnen. Er würde reich und unab hängig, brauchte sich nicht hier auf Schloß Korff mit den Launen seiner Gäste herumärgern. Aber er denkt nicht daran, denn ... er liebt sie nicht. Er ist schön ... er ist ein Mann." „Ist das in Ihren Augen ein so seltenes Individuum?" fragte der Attaches lachend. Esther blieb ernst. „Sehr selten, Herr Attachee. Leider zu selten. Ich beneide Sie, daß Sie das Glück hatten, mit Hanno Tessing monatelang zusammenzusein." „Nur- zwei Monate, aber sie waren köstlich." Die Schauspielerin seufzte, ihre Augen sahen gedankenvoll auf Hanno Tessing. »Ich glaube es." „Und ich glaube . . - daß meinem Freunde Hanno doch ein wenig Gefahr von unserer schönen Esther Ristori droht. Soll ich ihn nicht doch ein wenig warnen?" Die Schauspielerin sah ihn erschrocken an. „Ich erwarte Ihre absolute Diskretion." Nordensteen küßte ihre weiße Hand. „Das ist Ehrensache, ist seDstverstänAich. Hanno würde mir auch sofort die Freundschaft kündigen, wenn ich fo unehrenhaft verfahren würde." - „Sie nickte. „Das weiß ich. Aber kommen Sie, lieber Freund, gehen wir ein wenig zu den beiden. Ich möchte eine schöne Erinnerung für das Leben haben und mir Hanno Tessings Antlitz einprägen, fest elnprügen." „Sie wollen mit dem Feuer spielen?" Sie schüttelte den Kopf. „O nein! Oder vielleicht doch! Unser Inneres, unser Herz ist ein seltsam Ding. Doch den ken Sie daran, daß ich die kleine Marion herzlich NÄx " „Was fragt eine Frau nach der Rivalin, wenn Sie einen Mann liebt?" „Sie taxieren uns recht schlecht ein, Herr Attachee." „Verzeihen Sie, ich dacht« nur an die Unberechenbarkeit des Frauenherzens." „Auch die hat ihre Grenzen. Eine Frau, di« eine andere Frau von Herzen lieb hat, verrät sie nicht. Wenn bei Ihnen Freundschaft Bürgsck-aft bedeutet, so ist das bei uns Frauen die Liebe. Ich bin wohl sehr offen, Herr Attachee?" „Das sind Sie. Was Sie sagen, ist auch nicht ganz un bekannt. Aber lasten Sie sich dafür die Hand küssen, denn ich schätze Ihre Offenheit." „Dann kommen Sie zu Hanno Tefsing!" Hanno sah die Schauspielerin überrascht an, als sie zu ihm trat. „O, Mister Hanno ist so böse!" sagte Marion und um schlang die Freundin. „Denke, Esther, er will keinen Char leston mit mir tanzen. Er sagt, ich sei ein kleines Mädchen, mit dem man höchstens einen Mälzer tanzen könne. Einen Walzer, Esther, der ist doch so verpönt." „Vielleicht kennt Herr Tessing den Charleston nicht," sagt« Esther und strich Marion über das Haar. „O, der kann ihn schon, der kann alles. Denk« dir, Mister Hanno kann sogar kochen." Hanno drohte mit dem Finger. „Ei, wer wird aus der Schule plaudern. Miß Marion." Aber Marion ließ sich nicht stören »Denke dir, Esther, neulich, als der Schwarze, der Wako, die ganzen Teller ka puttgeschlagen hatte, da mußte der Jan nach Neuenberg und dort Geschirr holen — ich bin mitgefahren — und da hat Mister Hanno ein Diner fertiggestellt. Ich sage dir, das war famos." „Sie sind ja ein fabelhafter Mann! So e^> Mann braucht eigentlich keine Frau," scherzte Esther. Hanno lachte hell auf. „Das ist «in vernünftiger Wort. Da steigen Sie in meiner Hochachtung. Sie haben recht, ich brauche nie eine Frau, denn ich bin ja schon verheiratet." Verdutzt sahen ihn die drei an. „Jawoll," lachte er fr^lich, „mit u«oem Vater mid mit mMrm Srsurde . _