„Die Mo-e vom Tage" Der Herr im Herbst. Die Herbstmode für die Herre« bewegt sich wie bisher ans bekannte« Bahnen. — An der Sakkosorm hat sich wenig geändert: mittelbreite, leicht geschwungene rre« vers» leichte Andeutung der Taille, normale Länge gelten auch weiterhin als korrekt und vorbildlich. — Noch immer trägt mau mit Vorliebe zweireihige Jacke«, jedoch finde« statt der bisher bevorzugten Karos nun wieder Streifen mehr Beachtung. — Der Sport-Sakko weist stets drei KuSpfe auf, betont aber sonst feine Aufgabe nur durch derbe Qualität des Stosses und lebendiges Muster, vorausgesetzt, daß man nicht den nngemusterten Sakko znm gemusterte« Beinkleid irr Knickerbockersorm vorzieht. — Von besonderer Bedentung sind im Herbst die Mäntel: für die Stadt und vor allem offizielle Veranlassnngeu gilt der gerade, glatte Paletot, zweireihig «nd mit Samtkragen, ans glattem Tnch in Schwarz, Dunkelblau und Marengo als schick, während der immer flott wirkende Ulster neuerdings wieder den rundherum gehenden Gurt zeigt, der im Verein mit den hier bevorzugten Karomusterungen auf braunem Grund sehr sportlich wirkt. Wir armen Männer sind wirklich schlimm dran! Wenn «nsers Frauen, Mütter, Bräute, Schwestern und Töchter die ersten welken Blätter sehen, dann verschwinden sie in Mode salons, tn Schneiderateliers und Putzmacherläden und ver tiefen sich in ungeheuer wichtige Konferenzen: „Was bringt die Herbstmode Neues?" Ihnen bringt sie nämlich wirklich Immer etwas Neues! Nebenbei bemerkt, sie haben auch «inen sozusagen sechsten Sinn dasllr, diese Neuigkeiten auf- ,»spüren, vorzuahncn, auszukosten, während wir . . . . ? Ja, wir stellen uns vor unsern Kleiderschrank, prüfen ernsten »nd kritischen Blicks Anzüge und Mäntel und sind keines wegs sehr entzückt, wenn wir seststellen, daß wir einige Neu anschaffungen nicht umgehen können! Denn das bedeutet, Laß der alte, liebgewordene Anzug, der brave Mantel vom vorigen Herbst auch in abendlichem Dunkel wirklich nicht mehr repräsentabel auSschen, es bedeutet somit — abgesehen vom Griff in den Geldbeutel — den Gang zum Schneider -zw. Konfektionsgeschäft. Und das, nebst den unvermeidlichen Folgen, den Anproben, Ist der Mehrzahl der Herren, im Gegensatz zu allen Damen, sehr selten «in Genuß. Mangels genügenden Selbstvertrauens lassen sie dabei dann auch noch meistens die Frau Gemahlin Sitz und entscheidende Stimme im hohen Rat haben — was dem Kleiderkünstler nicht un bedingt reine Freude macht, weil der oben bereits erwähnte sechste Sinn der verehrten Damen die Geheimnisse der „herrlichen" Bekleidung nicht in sedem Fall unsehlbar durch dringt. Abgesehen von Stossarbe und -Musterung ist ihnen Anzug — Anzug, Mantel — Mantel. Das Resultat: erstens muß der Fachmann im hohen Rat den Ausschlag geben, zweitens schimpst das Geschlecht der Männer über die „lang weilige" Herrenmodel Zugegeben: mir bewegen uns mit der Herrenmode seit Jahren in einem munteren Kreis; aber wollen die Herren denn überhaupt andere Grundformen, und welche? Bet der Damenmodc besteht die Kunst des Mobeschaffenden darin, ans den Wünschen und Jdeen^ der Frau selbst die neue Idee vorahnend zu erschaffen und da durch daS Tempo tn der Erscheinungen Flucht zu regulieren. Er bekommt also die Anregung, die er als Künstler braucht, von denen, für die er schasst. Kann das der Herren- bekleidungskttnstler von seiner Kunst auch sagen? Er ist auf sich selbst angewiesen und kann — da er ja eine Kunst übt, die so gut wie alle andern nach Brot geht — es sich nicht leisten, seiner Phantasie freien Spielraum zu geben: die Herren sind zu konservativ auf modischem Gebiet, er riskiert also glatte Ablehnung! Tempo kann nur aus den Kreisen der Herren kommen — es hat einst solche Männer gegeben, die Moden für den Mann schufen. Die Kulturgeschichte meldet von Georges Brummcll, vom Fürsten Pückler- Muskau, von Englands König Edward VII.: sie. besaßen modische Phantasie und doch entsprechenden Takt, um der Herrenmode ihrer Zeit neue Wege zu weisen, ohne durch Uebertriebenheiten Geckentum und Unnatürlichkeit zu fördern. Liegt eL daran, daß die ganze Welt amerikanisiert wirb, daß die unendlich langweilige Sucht der Amerikaner nach dem Standardanzug, dem Standardauto, der Stanöard- lebeiißanschauung immer mehr Lebensideal der alten Welt wird? Liegt es einfach daran, baß der Mann unserer Zeit zu viel beschäftigt ist, daß er sich einfach einredet, eS genüge, gut nnd korrekt angezogen zu sein, weil die Beschäftigung mit modischen Fragen „unsachlich" sei? Wo ist da die Grenze: man legt heute unbedingt und bewußt viel Wert auf guten Stoff, guten Sitz — aber man gibt sich nicht die geringste Mühe, dem Künstler mit Nadel und Schere die Möglichkeit zu schassen, die Grundform lebhafter zu variieren? Denn es liegt wirklich nicht an denen, die die Herrenmode schaffen! Sie haben den besten Willen und bekunden ihn, indem st« selbst der schematischen Grundform in scder Saison ein paar neue, interessant« Ideen akgcwinnen — aber zu weiterem dürsen sie sich vorläufig nicht wagen, solange die Mehrzahl der Herren den modischen Fragen noch so uninteressiert gegenübcrstcht. Vielleicht kommt erst dann Leben in dis Herrenmode, wenn sich die Damen ihrer noch mehr laber auch mit Gründlichkeit!) annehmen! Es wäre zwar ein Armutszeugnis sür das „stärkere" Geschlecht — aber sicher eine Bereicherung des VildeS der Herrenmode. Die Plauderecke. Jung gefreit Es ist mit Sprichwörtern eine zweischneidige Sache: mal haben sie Recht, mal treffen sic meilenweit vorbei. Wenn wir dem Volksmund glauben, dann hat cs noch niemand bereut, jung in den Stand der Ehe getreten zu sein. Aber im praktischen Amerika gibt man nicht allzuviel aus weise Worte aus grauer Zeit, sondern packt solche Probleme mit wissenschaftlicher Zange und legt sie unter die Lupe der Kritik. Amerika betet ja noch mehr als alle anderen Erd teile und Länder die Zahl an: slugS machten sich also zwei gelehrte Herren auf, nm mit der Sonde der Statistik die Wahrheit über daS „Jung gefreit, hat noch nie gereut!" zu erforschen. Standesamt und Ehcbcratnngsstclle von Phila delphia lieferten das Material und über tausend willkürlich herausgcgrisfcne Ehen wurden nun untersucht. Die klugen Herren sagten sich: „Je weniger Eheleute, die In einem be stimmten Älter geheiratet haben, die Hilfe -er Ehebcratnngs- Pelle tn Anspruch nehmen, nm so günstiger muß dieses Alter sür die Eingehung einer idealen Ehe sein!" Sie kamen auf diese Weise dazu, als günstigstes Alter zunächst einmal 2g Jahre für den Mann, 24 Jahre für die Frau zu er mitteln — allerdings mit der Einschränkung, daß sich diese Grenze nach oben und unten sür den Mann um vier, sür die Iran um zwei Jahre verschieben könne. Demnach müßte also für den Mann die Zett vom 22. bis 88., für die Frau die Zeit vom 22. bis 26. Lebensjahre nnzuraten sei». Und von diesem Ergebnis ausgehend, wurde nun weiter nach geforscht, wie es denn mit solchen Ehen aussähe, die in noch früherem Alter geschlossen würden. Und da ergab sich, daß unser schönes Sprichwort arger Schwindel sein muß: je weiter die Grenze bei den Gatten unter 24, bei den Frauen unter 21 Jahre sank, desto mehr wußte die Statistik von Ehe scheidungen zu berichten! Sie waren nicht nur um das Viel- fache häufiger als bei im „Jdcalaltcr" geschloffenen Ehen, sondern sie übertrafen auch sehr wesentlich die Zahl der Scheidungen solcher Paare, die bereits über die obere Grenze hinaus waren, als sie den entscheidenden Schritt taten. Nun sind zwar die Gesetzgeber des Landes Pcnnsylvanien, in dem Philadelphia liegt, auch ohne unsere beiden Forscher klug genug gewesen, bei zu jungen Leuten einen Riegel vorzu» schieben: sie forderten in solchen Fällen daS Einverständnis der Eltern. Aber was Hilst daS, wenn man in kurzer Bahn» oder Autofahrt rasch über die Grenze nach Maryland kommen kann, wo man eine rechtsgültige Ehe ohne diese Einschrän kung schließen kann? Die Praxis hat eben meist ein anderes Gesicht als die Theorie: die beiden wißbegierigen Forscher stellten voll Betrübnis scsi, daß leider nur 10 Prozent der Ehen überhaupt im Jdcalaltcr geschlossen seien! Aber immerhin: mit dem Sprichwort vom jungen Freien ist cs doch wohl nichts — wenigstens in Amerika. Bei uns im alten Europa wird es ja wohl auch nicht anders sein; nur, daß wir schon durch Not der Zeit, Vorsicht der Eltern, weniger leicht zu umgehende Gesetzgebung und — sehr viel schwieri gere SchoidungSmöglichkeiten auch ohne kluge amerikanisch« Professoren vor allzu srüher Ehe meist ganz automatisch be wahrt bleiben. And so eS doch mal der Fall ist, und dann sogar glückt, da Helsen wir uns eben rasch mit einem andern Sprichwort: „Ausnahmen bestätigen die Regel!" -V. 8.