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- -- «.LZ «^S .Damals am ersten Tag nach unserer Hochzeit? Ja?" Maria starrte ihn cm. „Auch davon weißt du?" „Ich habe es geahnt und bin dir nachgeschwommen." »Ich hatte es gelobt!" „Was hattest du gelobt! —" Seine Hände spannten sich erschrocken um ihre Arme. „Daß ich freiwillig von dir gehe, — daß ich für immer allem Glücke entsage, wenn mir der Himmel nur eine einzige Nacht, nur einen einzigen Tag an deiner Seite gönnt!" „So sehr hast du mich geliebt, Maria!" Er preßte ihr Gesicht gegen seine Brust, daß sie nicht sehen konnte, wie seine Augen sich feuchteten. Dann hob er es wieder zu sich auf, sah wie ihr Mund in Tränen zuckte, und drückte den seinen darauf. „Nun, nicht mehr weinen, Kind! Vergiß, was hinter uns liegt. Cs war viel und schwer — nein, frage nicht Maria, ick weiß, was du sagen willst — es ist alles vergeben! — Alles! — Wir wollen nie wieder daran rühren. Und nun schenk mir ein Lächeln, ein Lachen! Dein Lachen, von früher, mein Liebes! Denn sieh, morgen fahren wir nach Wien, drum bin ich heute noch so fleißig, und ich möchte doch Poldl ein strahlend glückliches Weib entgegenführen können, das keine Tränen, nur noch einen Himmel voll Glück in den Augen hat!" „Achim!" Marias Arme umschlossen den Mann, der trotz allen Leides, das sie über ihn gebracht, sie dennoch zu seinem Weibe gemacht hatte. „Achim!" Sie fand nichts als seinen Ramen! Als am übernächsten Abend dichtes Schneetreiben über die Dächer Wiens wirbelte und die Auslagen blendende Ltchtfluten auf die menschenüberfüllten Straßen gossen, schrillte in Richthofens Heim die Klingel. Franz, der Diener, kam über die Treppe herabgeschlürst, um zu öffnen. Mit einem Ruk des Staunens, sah er eine Gestalt an sich vor- überschlüpfen, die nach der Treppe hinlief, eine zweite folgte, die sie am Mantel erhaschte. „Wirst du warten, bis ich mitkomme?" lachte eine Männerstimme. „Ich muß doch Poldls Gesicht sehen, wenn wir so plötzlich vor ihm auftauchen." Dann ein leises Flüstern, Tuscheln, Maria lieh den Gatten allein die Treppe dinaufsteigen und blieb mit Franz zurück, den sie am Aermel hielt. Bittend legte sie den Finger an die Lippen, denn eben kam Richthofens Stimme nach dem Flur herab. „Was ist denn los, Franzl?" Und dann Hettingens Lachen. „Guten Abend, mein Lieber!" Ein Ruf maßlosen Staunens, unendlicher Freude. „Joachim! — Alter! — Wann das kein Christkindl ist!" „Ich will's meinen, Poldl! Meine Frau und ich möchten gerne mit dir Weihnacht feiern, wenn wir dir keine Störung bringen!" „Aber gwiß net, Alterle, gwiß net! Wo is denn, die — die — deine Frau?" „Glaubst du, daß deine Schwester mich nicht hinauswirft, Poldl?" Hettingen verbiß das Lachen, als er in Richthofens Gesicht sah und dann zur Erwiderung bekam: „Die Mizzl, die is gar net da! — Na, Joachim, die is net da! — „Mso gar nicht bei dir?" „Nein, Joachim!" „Dann wird sie wohl bei mir in Bellinzona sein! Meinst du nicht auch, Poldl?^ Und ehe dieser noch Zeit hatte, verblüfft zu sein, hing ein junges Weib an seinem Halse und erstickte ihn mit Küssen und stammelte und schluchzte: „Ich bin ja so maßlos glück lich, Poldl! So maßlos glücklich." Richthofen schnappte nach Luft. „Mizzerl, willst mich mit Gewalt beerbn? Der Schreckn hat mich net umbracht, aber die Freud jetzt, die hätt mich schier umgworfn! Joachim, Alter, sag, ob's denn wirklich wahr is!" „Was soll denn wahr sein, Poldl? Daß ich dein Schwager bin? Das stimmt allerdings! Du kannst nichts mehr da gegen machen!" „Seit wann weißt du's denn?" „Du frägst wie Maria! Sie wird dir's schon erzählen. Ihr h»ht mich hinters Licht geführt und ich euch! Das war meine Rache! Aber nun hab Mitleid mit meiner Frau. Sie ist ganz durchkältet und wohl auch ein bißchen müde von der Reise und von der großen Freude jetzt. Willst du dich nicht ein wenig legen, Kind?" Hettingen schob Richthofens Hände zur Seite und schälte Maria selbst aus ihrem Mantel. Herr Leopold sah es mit Augen, die ganz verdächtig feucht waren. „Ich kaun's ja noch alleweil net glaubn, Joachim!" Da klang ihm Marias Kinderlachen entgegen, sie lief an ihm vorbei nach den Räumen, denen sie so lange ferne gewesen war, und die all ihre Reue und all ihr Leid gesehen batten. „Joachim!" Sie flog ihrem Manne, der eben über die Schwelle trat, an den Hals. „Joachim!" „Ja, mein Liebes! Freu dich nur, Kindl" Mit einem Lächeln sah er ihr nach, als sie wieder davoneilte. Richthofen drückte den Schwager in einen Stuhl. „Bitt schön, Alter, ich muß was unter die Füß und in mein Magn kriegn, sonst dermach ich's nimmer. Trägst ihr wirklich nix mehr nach, der Mizzl!?" Hettingen blickte ihn von der Seite an: „Zweifelst du daran?" „Na, Joachim! Ich hab's ja eh gsehn, wie gut daß du mit ihr bist! Ich dank dir halt! Recht viel tausendmal darr! ich dir!" Hettingens Finger lagen ganz blutlos, als Richthofen sie wieder freigab. Und dann kam Maria und steckte die beiden Männer mit ihrem Jubel an. Eine halbe Stunde später fuhr man zu Isabella, die, von ihrem Erzherzog betreut, auf einer Chaiselongue ruhte. Als Joachim eintrat, sprang sie auf. „Jessas, der Bub! — Und die junge Frau auch? Und der Herr Leopold? Wann das nix zu bedeuten hat!" Und als sie alles wußte, nahm sie Joachim sehr unsanft bei den Ohren: „Du Erzschlawiner — Was sagst jetzt, Christoph?" wandte sie sich an ihren Mann. „Ist das net ein schrecklicher Mensch?" In dem ernsten Gesicht des Erzherzogs spielte ein Lächeln. Er drückte seine Frau wieder auf das Ruhebett zurück. „Du sollst dich schonen, mein Liebes! Du weißt doch, was Dr. Feßmann gesagt hat." „Isa!" Hettingen beugte sich zu der Schwester herab und liebkoste ihre Wange. Sie hielt seine Hand fest und ließ ihren Mund darübergleiten. „So viel freut er sich, mein Erzherzog! So viel," sagte sie ihm leise und zog ihn neben sich auf den fellbelegten Diwan, während ihr Gatte die Geschwister Richthofen unterhielt. Nach einer halben Stunde wußte auch Feßmann und dessen Frau, daß Maria Richthofens Glück nur noch in lauterste Sonne getaucht war. „ Was wird Mutter sagen?" fragte die junge Frau und drückte sich enger an den Gatten. „Sie weiß es seit unserem Hochzeitstage!" beschied er, und als er ihren wortlos erstaunten Blick sah, zog er ihren Arm fester durch den seinen. „Mutter hätte wohl geschwiegen, aber ich sah, wie sie darunter litt, und machte ihr das Herz leichter, indem ich ihr vor der Trauung gestand, daß ich wisse, wen ich mir zur Frau gewählt habe. Die Baronin Hettingen schloß die Schwiegertochter herz lich in die Arme, als diese sich über ihre Hände neigen wollte. „Ist mein Junge gut zu dir, Kind?" Und als die junge Frau unter Tränen strahlend zu ihrem Gatten aufsah und nur zu nicken vermochte, legte die Baronin die Hände der beiden ineinander. „Ich habe so hart gewartet auf diese Stunde, in der ich euch so wie jetzt vor mir sehe. Nun habe ich nur noch einen Wunsch — wenn du mir diesen erfüllen wolltest, Achim?" „Was soll es sein, Mutter?" „Komm wieder heim zu uns! Bleib wieder in Wien." Hettingen wurde etwas blaß! Richthofen wechselte die Farbe und getraute sich kein Wort zu sagen. Maria wagte , kaum aufzusehen. Ihre Hand lag zitternd in der des Gatten. „Was sagst du zu Mutters Vorschlag?" fragte Hettingen und zwang ihren Blick in den seinen. Ihre Kehle gab keinen Ton von sich. Hilflos hingen ihre Augen an dem Bruder. Richthofen mußte sich erst räuspern, ehe er zur Rede ansetzte: „Wann ich dich halt bittn dürft, Achim! Wann du mir's halt net verübeln tätst — ich braucht an Teilhaber für die Fabrik! — Ich —" „Einen Teilhaber ohne Geld!" wehrte Hettingen etwas schroff. Maria erschrak tödlich und flehte Leopold mit den Augen an, zu schweigen. Sie selbst würgte an den Worten die sich überhasteten. „Mein Mann hat vollkommen recht, Poldl! Wir wollen uns erst etwas ersparen. Bis jetzt ist es noch nicht gegangen. Joachim hat zu viel Auslagen für mich gehabt, die Wäsche und die Möbel und alles andere. Viel leicht später! Nicht wahr, Liebster? Später, wenn wir irgend ein kleines Kapital in die Fabrik einlegen können." Hettingen war entwaffnet und bis ins Innerste erschüttert. Mit keinem Worte erwähnte das geliebte Weib ihr großes Vermögen, das einmal ihrem Glücke zur Katastrophe geworden war. Ganz auf ihn allein, nur auf das, was er verdiente und ihr durch seine Hände zukam, wollte sie an gewiesen sein. Er fühlte, wie ihre Finger die seinen um klammert hielten, als könnte er ihr noch einmal genommen werden. Sein ganzes Herz tat sich auf, ihr etwas Liebes zu tun, ihr zu zeigen, wie über die Maßen selig sie ihn durch ihre Worte gemacht batte.