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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 15.09.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-192809159
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- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19280915
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-09
- Tag 1928-09-15
-
Monat
1928-09
-
Jahr
1928
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PoWcher Motzenfilm Tas grohe Ereignis der Woche waren die Abrüstungsrede» der drei keimenden Staatsmänner Deutschlands, Englands und Frankreichs, Her- rnann Müller hatte an den Völkerbund die klare Forderung gestellt, in de 'Abrüftungssrage Farbe zu bekennen. Jede deutsche Negierung, die sich im enenen Lande halten will, must im Interelse Ker deutschen Sicherheit sich zu dieser Forderung bekennen. Hermann Müder tat das ehrlich, ein deutig und ohne Winkelzüge. Dies ist auch von der Opposition in Deutschland anerkannt worden, nnd es darf als ein Zeichen der Entgiftung unserer innenpolitischen Verhältnisse angesehen werden, dast der Führer der Opposition, Graf Westarp, den taktlosen französischen Angriff gegen die Par teistellung Herrmann Müllers gleichfalls zurück wies. * Die Antworten Briands und Lord Cusheklduns haben Klarheit in die Abrüstungsfrage gebracht, allerdings eine Klarheit, von der sich viele Leuts in Deutschland bisher nichts träumen liehen. Es hat sich erwiesen, dast Paul-Boncour mit seinem „Patentiel de guerre" der französischen Politik eine Waffe geliefert hat, mit deren Hilfe sich die Abrüstungsfrage nach Belieben verschleppen lästt. Denn, was kann man nicht alles anführen, wenn es gilt, die wirtschaftlichen Kriegsmöglichkeiten eines Landes als möglichst grost hinzustellen. Lord Eushsndun dagegen vecstieg sich zu der lapidaren Feststellung, dast jeder Staat nur in dem Mast abzurüsten brauche, wie es ihm passe. Wenn das so ist, dann meist man eigentlich nicht, wozu wir einen Völkerbund, eine Abrüstungskonferenz und einen Friedensvertrag haben, der bekannt lich die allgemeine Abrüstung rerheiht. Einen guten Anschauungsunterricht für den Abrüstungswillen der anderen haben wir in der letzten Woche in den Nheinlandmanövern der französisch-englischen Armee und in den französi schen Luftmanövern über Paris erhallen. Der kommandiernde General der französischen Rhein-' landarmes hat dabei eine Rede gehalten, die man nur als eine Provokation bezeichnen kann. Zehn lausende französischer'Soldaten haben die Felder zerstampft und den Verkehr lahmgelegt in einem verhältnismäßig armen deutschen Gebiet, das auf die Einnahmen der Fremdensaison einfach ange wiesen ist. And zum Zeichen, dast die englisch- französische Entente immer mehr Wirklichkeit wird, weilt der englische Luftfahrtsminister bei den Luftmanövern über Paris. Man kann fast wetten, dast die französische Presse nachher große Klage lieder über den mangelnden Schutz der fran zösischen Hauptstadt und der französischen Ost- grenze singt und feierlich erklärt, im Interesse der französischen Sicherheit könne das Rheinland erst geräumt werden, wenn die Ostgrenze neu befestigt ist. Gerade zur rechten Zeit kommt die englische Oppositionspresse und die amerikanische Presse mit einer historischen Reminiszenz. Im Jahre 1906 haben dir „privaten Besprechungen" statt gefunden, die den Grundstein zu dem englisch französischen Kriegsbündnis im Jahre 1914 bil deten. Niemals ist darüber etwas staatsrechtlich Verbindliches abgemacht worden. Auch jetzt glaubt die amerikanische Presse wahrscheinlich mit grosteM Recht an das Bestehen ähnlicher Abmachungen zwischen England und Frankreich. Viels Kreise in den Vereinigten Staaten gehen sogar so weit, die Ratifizierung des Kelloggpaktes durch den Senat abhängig zu machen, dast Klarheit über die englisch französischen Vereinbarungen ge schaffen wird und im Hintergründe steht das neue Rüstungsprogramm des Präsidenten Coo lidge. In Deutschland dagegen läuft man nach wie vor Sturm gegen den Panzerkreuzer. Die Sozial demokratie hat zwar den kommunistischen Vofts- entschetdsantrag abge'ehnt, gleühgeitig aber auch erklärt, dast sie stritt gegen den Weiterbau des Panzerkreuzers ist. Schon aus dieser Tatsache ergibt sich .für die jetzige Reichsregierung im Winter sine schwere Belastung, denn sie darf nirlt darauf rechnen, dast ihr die Opposition bei der Abstimmung über den Panzerkreuzer die Kastanien aus dem Feuer holt. Mit einigem In teresse darf man der wehrpolitischen Debatte ent- gegensehen, die sich auf dem nächsten Parteitag der Sozialdemokraten eutspinuen wird. In der Tat entscheidet die Sozialdemokratie auf diesem Parteitag darüber, ob sie in den, nächsten Jahren regierungsfähig bleibt oder nicht. Innerhalb der deutschnatioualen Volkspartei haben sich die bestehenden Gegensätze durch einen neuerlichen Vorstost der Konservativen noch wei ter verschärft. Der Fall Lambach wird den gro- sten Streitpunkt auf der Partsivertretertagung bilden, die nunmehr Ende Oktober zusammontritt und die gleichfalls dazu berufen sein wird, die künftige Haftung der Partei sehr mastgeblich zu beeinflussen. Der radikale alldeutsche Flügel hat inzwischen auf seiner Plauener Tagung einen scharfen Vorstost gegen das gesamte System und auch gegen die Person des Reichspräsidenten unternommen. Allerdings wird diese Demonstra tion voraussichtlich ohne weitere praktische Fol gen bleiben, da man vorausssheu kann, dast die Mehrheit der Dsutschnationaleu sich dieser Poli tik versagen wird. In diesem Monat der Kongresse haben nach den freien Gewerkschaften nunmehr die Bankiers und die Genossenschaften getagt. Auf beiden Ta gungen kam der Ernst der wirtschaftlichen Lage Deutschlands deutlich zum Ausdruck. Insbeson dere die Gefahr der finanziellen Ueberfremdung, über die Dr. Luther in seinen, neuesten Buch „Von Deutschlands eigener Kraft" die entschei denden Gesichtspunkte heransgestellt hat. Gegen über den Forderungen der freien Gewerkschaften, die auf eine immer stärkere Ueberführung der öffentlichen Hand ins wirtschaftliche Leben hinaus- laufen, wurde hier das Interesse der Privat wirtschaft und ihrer Unentbehrlichkeit für den Wiederaufbau Deutschlands stark betont. Die deutsche Wirtschaft kann es sich einfach nicht leisten, auf die Kraftquellen zu verzichten, die kn der Initiative des privaten Unternehmer tums beruhen, gleichgültig, ob es sich um das Grost-Unternehmertum oder um die in den Genossenschaften zusamm enges chlo ssenen mittel ständischen Existenzen handelt. Gerade diese wirtschaftspolitischen Probleme werden, gleichgül tig, welche Regierung wir in der kommenden Zeit haben mögen, im Mittelpunkt der innerpolitischen Kämpfe stehen. Der M» der PolenoerhaM«»M Berlin, 14. 9. Betrachtet man den äußeren Verlauf der deutsch-polnischen Handelsvertrags- Verhandlungen, so scheint alles in schönster Ord nung zu sein. Alle Kommissionen haben spä testens diesen Sonnabend ihre Arbeiten ausge nommen, man verhandelt schon über Wunsch listen, Kohlenfragen, Veterinärfragen — .und man mühte also annehmsn, dast über die uner läßlichen Voraussetzungen eines Handelsver trages volle Einigkeit bestände. Nämlich die Rechtsfragen. Vor anderthalb Jahren schon hat nian eine Einigung in dec Nkederlassimgsftage in Warschau erreicht und unterschrieben. Wert los gemacht wurde sie durch die polnische Erenz- zonenverordming, so wertlos, dast ihretwegen die viele Monate dauernde Unterbrechung in den Verhandlungen eintreton mußte. Daran hat sich noch nichts geändert. Im Gegenteil: die Polen versichern ganz offen, dast die Greuzzouenver- ordnung nach wie vor den Zweck habe, das Nisberlassungsabkommen unwirksam zu machen, und zeigen offenbar bisher gar keine Neigung, von diesem Standpunkt abzugehen. In dem sogenannten Wiener Protokoll vom Anfang dieses Jahres war zwischen den beiden Delegations- sühreni eine Verständigung in dieser Frage er zielt worden, die Warschau dann nickst aner kannte. Was für ein Grund besteht deutscher seits, dieses Wiener Protokoll der Oefsentlichkeit nun endlich einmal bekamst zu geben? Man sähe dann doch wenigstens klar über die pol nischen Absichten und die deutschen Aussichten. Chemnitzer ««WrsaalMen von Era. (Nachdruck verboten.) Sechs Personen brauchen eine» Erzieher Sechs junge Burschen sind. angeklagt. Alter 15—20 Jahre. Einbrecher, teils schon erprobte. Jetzt haben sie wieder 21 Einbruchsdiebstähle gemeinsam ausgeführt. Ter Anführer ist 17 Jahre alt, stämmig, rüde und energisch. Zumeist sind es Fürsorgezöglinge, Burschen, die schon in frühester Jugend das Kriminelle gestreift haben. Kantinen kn Gartsnkolonien, Konfek tionshäuser, teilweise auch Fleischer- und Bäcker läden haben sie erbrochen und ausgeraubt. Immer gemeinsam, die ganze Korona, sechs Mann stark. Vor Gericht gaben sie alles zu. Diese sechs Personen brauchen einen Erzieher, der sie energisch und verständig in geordnete Bahnen lenkt, der sie bewacht und mit straffen Zügeln leitet, bis sie selbst Festigkeit km Denken und Händeln gewonnen haben, die sie zu brauch baren Gliedern der menschlichen Gesellschaft macht. Sie brauchen einen Erzieher. Das sahen sie zwar selbst mcht ein, haben auch nicht danach verlangt, aber sie brauchen ihn "dringend nötig. Erst im Gefängnis, in das sie teilweise bis auf zwei Jahre müssen, rind danach — in Freiheit — erst recht «noch. Warum? Die grohe Frage Der Angeklagte ist Bautechniker, glücklich ver heiratet, 44 Jahre alt, arbeitsam, hat den Krieg als Soldat mitgemacht und ist eigentlich voll kommen normal. Man findet an seiner Person und in seinem Wesen nichts, das den Gedanken an Anormalität aufkommen lästt. Aber. Ja und das ist das Rätselhafte — findet er auf irgendeinem Platze oder in irgendeinem Hause kleine Mädchen unbeaufsichtigt, treibt es ihn zu Berührungen dieser, die gegen die Sittlich keit verstoßen und vom Gesetz strafrechtlich ge ahndet werden nrüssen. Schon dreimal ist er wegen solcher Delikte bestraft worden. Immer wieder geht sein Verstand mit einem ihm selbst undefinierbaren Gefühl, das blitzartig auftaucht, durch. Warum? Er weist es selbst nicht. Es überrascht ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Das must vom Kriege herrühren,- ich war einmal verschüttet, habe gelitten, sagt er. Der Mediziner erklärt, es sei zum grohen Teil Willensschwäche. Das Warum blieb unbeantwortet. Das Gericht muhte strafen, solange dec Mensch geistig nicht krank ist, solange nickst unbedingt der Nachweis gelingt, daß ihm die Verantwortung für seine Handlungen nicht aufgebürdet werden kann. Das Urteil lautete auf 7 Monate Ge fängnis. Die Kinder müssen vor solchen Elemen ten geschützt werden, sagte das Gericht. Damit ist der Fall erledigt. Gesetzt ist Gesetz. Gewohnheit. Schluß der Verhandlung. Der Angeklagte geht: „Auf Wiedersehn!" Richter: „Nein, hüten Sie sich und nicht auf Wiedersehn." Angeklagter: „Ja, schön. Auf Wiedersehn!" MMstlMMkMg Markt und Straßen werden stiller, um des Lichts gesell'ge Flamme sammel» sich die Hausbewohner, und das Stadttor schließt sich knarrend. Schwarz bedecket sich die Erde ... So gibt, uns Schiller in seinem „Liev von de« Glocke" ein anschauliches Vila von der Abend stimmung einer, mittelalterlichen Stadt. Diese Ze:« ten, von denen der Dichter singt, find längst vor* über. Aber gibt cs nicht auch in dem Haste,,' und Treiben selbst der neuzeitlichen Großstadt friedliche Abendstimmung? Gibt es Abendstimi mung nur in der blühenden Heide, an der rau^ schenken See, auf den glühenden Bergen, auH welche die letzten Strahlen der untergchendeitz Sonne fallen? Nein! Wer in der Abendzei« mit einem der schnellen Verkehrsmittel oder zch Fuß selbst durch die Straßen einer Großstadv eilt, der sieht in den Vorder- und Hinterhäuser,« ,m Vorbeihuschen freundliche Bilder der Mendä stimmung. Vater ist endlich von der Arbeit oder aus dem Geschäft nach Hause gekommen unH nun sitzt die ganze Familie beieinander um dcif Tisch. Vater hat eine der kleinen Nangen auP vem Schoß und Mutter die Jüngste, und eS Wer, der er wissen mutz Carnegie, der aroße amerikanische StablkSnig, saattz bei einer Betrachtung der modernen Neklamemethrh den: Und von allen Rellamemitteln ist unstreitig noch immer das Beste die Zeitung, sie spricht ständig zum Publikum, sie ist der belehrende und unter haltende Freund, sie soll und wird im Reklameteik der Berater des Publikums sein. wird gefüttert und gefuttert; denn für viele Familien herrscht dabei eine gewisse Feierlichkeit? und dann geht es an das Erzählen von dem) was die Arbeit und das Geschäft mit sich gS bracht haben, von den großen und kleinen Sor? gen des Tages, aus denen freilich oft auch noch der Aerger nachklingt. Aber am traulichen Hera ruht es sich nach getaner Arbeit gut ans, und wenn Nachbarn hinzukommen, so unterhält mast sich mit Scherz und Ernst. So ist friedliche Abendstimmung selbst in der Großstadt zu finden, wenn sie auch von der des platten Landes ver schieden ist. Munter fördert seine Schritte fern im wilden Forst der Wanderer nach der lieben Heimathütte. Blöckend ziehen heim die Schafe, und der Rinder breitgeflirnte, glatte Scharen kommen brüllend, die gewohnten Ställe füllend. Wenn auf dem Lande der Abend hereinbricht, so bietet sich uns ein anderes Bild vön Abend stimmung als in der Stadt. Nicht begegnet uns das ewig flutende, lärmende Leben der Groß stadt, sondern eine friedliche Ruhe und Behaglich-, keit lagert über dem Ganzen. Langsam und ge mächlichen Schrittes kehren die Feldarbeiter heim. Schwerbeladon bringen die Pferde die knarrenden Wagen auf den Hof. Durch die offene Tü« des Hauses leuchtet das Herdfeuer, auf dem dis Abendmahlzeit bereitet wird. Müde von der Arbeit ruht der Vater unter der großen Linds vor dem Hause ein Weilchen aus, während die Kinder um ihn herum spielen. Zufrieden wirft er wohl einen Blick über sein Anwesen, „steht der Pfosten ragende Bäume und dec Scheunen ge füllte Räume und die Speicher, vom Segen ge bogen". Dann geht es hinein zur Abendmahl zeit, und der Bauer fühlt: „Der-Ham ks derham", wie der Vogtländer sagt. Noch ein kurzes Plauderstündchen in behaglicher Untätigkeit, und alle gehen zur Ruhe, bis sie die Sonne zu neuer Arbeit weckt. Ein Abend der Tänzerin Cftrze von Susanne Tornwaldt. mc-rndcn Natur bricht. geht sie ruhiger, schreitet dicht neben den kleinen, begütigend und verschlafen plätschernden Weilen Wellen, die inr dunklen, nahen Hintergrund auf den Sand rollen. Da kommt Maria Petrowna. Sie fliegt durch Der Nachtwind weht ihr Kleid fest an dis elastisch schwingenden Glieder, kühlt ihr heißes Gesicht und verweht den letzten Dust, der an dis mondäne Tänzerin geinahnt. So kommt sie an das kleine Haus draußen hinter der Düne. Sie muß ein wenig suchen, denn sie kennt es erst seit gestern und erreicht es zmn erstenmal bei Nacht und vom Strand her. Es ist ein ganz kleines, einfaches Fischerhaus, dem sicherlich keiner der Kurgäste dort drüben? rund um dis Tanzdiele, eins Daseinsberechtigung, als Wohnung zuerkennsn würde. Mit zärtlicher Vorsicht drückt Maria Petrowna die Türklink« nieder. Leise tritt sie ein. Die alte Fischersrau, die strickend am Herde sitzt, winkt ihrem fragenden Blick beruhigend. Leise geht sie durch die nie dere offenen Tür in dis Stube, die von mattem Nackstlickst dämmrig hell ist, und beugt sich über das Bett, in dem ihre Kinder schlafsn. In dem großen Bett liegen sie nebeneinander. Auf die warmgcschlafenen Gesichtchen werken lange, schwarze Wimpern halbkreisförmige Schatten. Ter Tänzerin Maria Petrowna Kinder! Ihr Geheimnis, das ihr heilig ist. Vor allen weiß sie es zu verbergen, denn dieses ist ihr wahres Leben, in das sie niemand einzudringen vergönnt, Ihr Glück, um dessentwillen Maria Petrowna vor jenen fremden Leuten tanzt — mit ihrem ganzen Herzen, schöner, leidenschaftlicher al» einst, da sie mit ihrer Grazie die Feste de« Zarenhofes zu schmücken begann. In der dämmrigen, niederen Fischerstubo ver gißt die Fürstin, daß sie Fürstin ist, und di« Tänzerin ihren wohlfeilen Ruhm und die be schämende Last anmaßender Bewunderung. Maria Petrowna, die Mutter, beugt sich über ihre Kkn- Petrowna sei nicht irgend eine der kleinen Tän- j zerinnen gewöhnlichen Schlages, wie sie sich heute zu Hunderten ihr Brot verdienen. Sie sei eine unglückliche russische Aristokratin, die durch die Schreckonszeit von ungeheurem Reichtum in bittre Armut geriet und nun tanzen müsse, mm zu leben. Klatsch und Anteilnahme umrannsn sie — rät seln prüfend an ihr — als sis, beifallumbraust, wieder erscheint. Sie trägt ein brandrotes Kleid, dessen Zipfel flammengleich ihre schmalen Fesseln umwehen. Sie selbst loht in ekstatischem Tanz wie eine steile Flamme vor dem Hintergrund ihres dunklen Geheimnisses. Wer von diesen nüchteren, obwohl sensations lüsternen Menschen errät, was ihrem Tanz Feuer und Hingebung gibt? Neugierde und Begeisterung drängen herzu, um Maria Petrowna zu grüßen und mit ihr vielleicht in irgend einer Form bekannt zu werden, wenn sie nach dem Umkleiden zur Kurhaushalle kommt. Aber sie weiß es einzurichten, daß sie ungesehen in ihrem einfachen Straßenklcid aus einer Seitentür entweicht. Mit leichten, raschen Schritten kreuzt sie die Straßenpromeuade und geht zum Meer hinab. Strandkörbe liegen schweigsam wie ruhende Ungetüme in dem vom Wind gerippten Saude, der dort, wo er feucht ist, golden vom Mond- lkcht überrieselt wird. Von fern schimmert die i Tanzdiele, abgerissene Klangfetzen wehen herüber. Unter der zarten Linie des Horizonts gleiten stumm, unirdisch, zwei Dampfer aneinauder vor bei. Die Spiegelungen ihrer Lchter kriechen wie rote Schlangen bebend aus der Nacht zum Ufer. — Wie Blut... denkt die junge Fürstin und er schauert in der Erinnerung an Furchtbares. Sie beginnt zu laufen, auf der Flucht vor Gedanken, vor denen es nur eine Rettung gibt... Dann . rückgestrichen und wellt sich unter dem runden In zackigen Rhythmen hämmert das Klavier, Kamm in kurzen Locken. Auch ihre Augen sind dröhnt die indische Trommel, zittern Banjos und schwarz, sehr schwermütig, und stehen nicht im das Tarophon klagt wehmutsvoll. Nachtfalter ' NEimg mit dem strahlenden Lächeln, das ihr der sterben an den Bogenlampen, di: auf den drei- Verus vorschreibt. ten Ning der Zuschauer herablcuchten, während j M^ia Petrowna tanzt wundervoll. Gorade in bunten mystischen Farben Lampions flak-, Gegensatz zwischen der schicksalhaften Scbwere, iernd den Kreis der Tanzenden begrenzen. Die hx,, ihre Bewegungen zu hemmen scheint, und der Paare tanzm, eng aneinander geschmiegt und mit s beflügelten Grazie, die jeder Schwingung des der üktbchen Ueberzeugung, etwas mehmutvollm Sarophons biegsam nachgibt, wirkt Wulstiges zu tun, aber verschieden im Ausdruck, ^strickend. Wie durch unsichtbare Fäden ist sie so wrc Temperament und Stimmung ihn ver- ihrem Partner verbunden — im rückwärts lell m: in nahezu bewegungsloser Ruhe — mit, Leitende», liegenden weiten Schritt, im raschen tckw-r Grazie - in »eltsamen Verrenkungen. Zu-s Wirbel verwirrender Drehung, oder wenn sie, weilen sckweigt das S^ schmalen Füße kreuzend.' seitwärts weicht, mensckchche Stimme, nasal u »nt,^ hoch ist es, als tanze sie allein, und ihr amenfamsckem Wortlaut, der die Klangfarbe des schont ein zu stummen Rhythmus ge- vcräummtcn Instruments erstcumftch gut wieder-, wcMnes Gedicht.-.Anklage - Bitte - Sehn- gibt. Wahrend einer kurzen Pause der J"ZZ-ZuM kapelle erscheint der Consäremier, um mit ge- i die Menschen tanzen, die ihr mit das Auftreten j giM^ülligen, kritischen, oder auch wohl ent- die mtt igreni^j^j^ Augen folgen, und tanzt doch gleichsam Partner den ncM „ hinweg. Für di- See, die leise und schaffen-» Tango vorzntanzeu gewillt sei. s dunkel im Hintergrund rauscht. Oder für den Die Paare sind an die Tische zurückgekehrt, s Mond, der Honigfarben darüberhängt? Niemand enttäuscht, daß man sie zwingt, einen Tanz aus- weiß, für wen Maria Petrowna tanzt. zusetzen. Gleichgültige Bli e richten sich den Ein-s Da springt irgendwoher ein Gerücht auf. gang zu, de» das Publikum um das kaum erhöhte Funkengleich, scheinbar ohne Worte, fliegt es Podium von spiegelnd geschliffenen Stcinen bildet, s von Tisch zu Tisch. Aninter-ssieste Gesichter be- Tassen klirren, Eisstücke klappern in den W in-Zebra sich, Klappern und Unterhaltung worden kühler», und eine gleichmäßig raunende Unter- gehcmmt, und im Augenblick erwacht ein In- Tas Meer dunkelt weit und fremd hinter den dm Kang der Zuschauer wie ein schöner, brauner, Lickstern der Tanzdiele, die man am Strand, im fremdartiger Vogel. In ihrer zarten und schma- Freien errichtet hat. Der Himmel spannt seines-" Gestalt sieht si^ unendlich jung au^. S^ch- schwarzblaue Glocke über dis nächtliche Ertrava-!^' "der Mzehn zahre — denkt der fluchtige ganz flirrenden Badelebens, das blendend und! Frachter. Dan» aber entdeckt er kleme schmerz- gliternd einer Fata morgana gleich hinter den sch- L«"-" m ihrem Kesuhtz wie das Lebe» anftqewelllen Dünen den Frieden der schlnm- Hs- E in den erste» zwei Jahrzehnten gräbst ' ' b schwarze HE ist fest bis zum Nacken zu- der und ist glücklich. Mischa schläft fest und lacht ein wenig im Traum, aber Tallana, die Große, ist gleich ivach und kkammert fest die Hände um den gesenkte» , .... v°,. rasch und federnd, als könne sie nicht erwarten, s Nacken: „Warst Du wieder nmndcrschön, Mik- Haltung mischt sich mit dem Rausche» der kleinen tercsse, das aus Sensationslust geboren ist: Maria ihr Ziel zu erreichen. >muschka?" -
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