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Es ist nichts mehr los dort. Der Winter ist unser Feind." Altenecken kam in Sicht. Ian hatte einen glänzenden Gedanken. Wenn man die sechs Kerle oben auf Schloß Korff hätte, wie fix wäre dann alles fertig. Aber sechs Leute kosten Geld, kosten wöchentlich ihren Lohn. Schade, schade, das ging nicht. Er seufzte auf Der Junge neben ihm merkte es und sah ihn lachend an. „Warum seufzt Ihr, edler Freund und Gönner?" »Ich dachte eben oran, wie notwendig ich sechs fixe Kerle, wie ihr es scheinbar seid, gebrauchen könnte." „Sechs . . . gleich sechs Maurer könntet Ihr gebrauchen? Wann können wir anfangen?" „Das geht bei Euch höllisch fix, lieber Freund, und Ihr sollt darum gleich eine bestimmte Antwort haben. Wenn mir der liebe Gott einmal im Schlafe hunderttausend Taler ! schenkt." Alle lachten. „Ihr habt gut lachen. Ich sitze dort oben auf Schloß Korff mit dem Besitzer, meinem freund, und seinem Vater. < Das Schloß ist halbverfallen, und wir schaffen, um es wieder einigermaßen m Schuß zu bringen. Unser bißchen Geld langt gerade zu Kalk und Steinen. Sechs tüchtige Maurer! Ein Geschenk des Himmels wären die für uns. Aber der Himmel müßte uns gleich den Lohn für ein halbes Jahr mitschicken." Seine unbekümmerte, fröhliche Art gefiel den Gesellen. Sie waren am „Bären" angelangt, und der Grüne hielt. Vie Gesellen bedankten sich und traten mit Ian Peter Hollem in die Gaststube. Kein Mensch saß drinnen Durch die sechs fröhlichen Gesellen, die gleich bei ihrem j Eintritt ein Zunftlied anstimmten, kam Leben in den „Bären". Der Wirt erschien, begrüßte Peter und die Ge- > sellen. Man sah, daß ihm Ian ein lieber Gast war, und daß er sich auch der sangesfreudigen Gäste freute. „Wie geht es auf Schloß Korff, Herr Hollem?" „Ausgezeichnet. Wir haben uns tadellos eingerichtet. ! Bringen Sie mir 'nen heißen Grog. Ich bin 'n bißchen aus- gefroren. Wißen Sie was, Herr Ehrenklau, machen Sie ! gleich einen ordentlichen Topf mit Grog, der für alle langt, die Gesellen sind auch ausgefroren, und bringen Sie Wurst § und Brot für sie. Hunger haben sie gewiß alle." Dankbar schwenkten die Gesellen die Hüte und fielen wie die hungrigen Wölfe über das Gebrachte her. Als dann der dampfende Grog kam, nahm der Jubel kein Ende. Sie sangen Ian Peter zu Ehren das „Danklied" der Gesellen. Dann erzählten sie von ihren Reisen. Jan hörte ihnen gern zu. Er fühlte sich im Wesen den frischen, lachenden j Kerlen verwandt, und die schienen es zu fühlen. So verging Stunde um Stunde, und der pflichtvergessene ! Ian Peter Hollem dachte nicht daran, seinen Auftrag auszu- führen. Bis er zu seinem Schrecken feststellte, daß der Nach mittag angebrochen war. „Jetzt muß ich mich leider verabschieden, meine Herren," j sagte er bedauernd „Das ist schade. Aber Sie kommen doch noch einmal vor- § bei, auf dem Rückweg?" fragte der Wirt. Ian Peter überlegte. „Ja ja, auf einen Sprung komme ich noch einmal herein. Wiedersehen!" „Auf Wiedersehen!" brüllten die fröhlichen Gesellen. Bereits nach einer halben Stunde kam er wieder. Er war verdrießlich, denn er hatte nicht erhalten, was er brauchte. Auf zwei Tage hatte man ihn vertröstet. Als er wieder Platz genommen hatte, trat der junge Wort- j führer der Gesellen zu ihm. „Edler Freund und Gönner," ' begann er artig, „Sie sagten uns vorhin, daß auf Schloß ! Korff Arbeit für sechs tüchtige Gesellen sei." „Stimmt! Aber kein Geld, sie zu bezahlen." „Wenn wir darauf verzichten und zufrieden sind, wenn wir Unterkunft, Essen und Trinken und Heizung erhalten? Klamotten brauchen wir de» Winter nicht. Unsere Sachen sind in Ordnung. Auch das Schuhzeug klappt. Wie wäre es? Wir sechs Gesellen würden gern zusammenbleiben." Jan Peters Herz schlug freudig. Er mußte sich gewaltsam zusammennehmen, um seine große Freude zu verbergen. > Der Vorschlag übertraf seine kühnsten Hoffnungen. Abgemacht!" Er streckte dem Gesellen die Hand hin. „Abgemacht!" Der Geselle schlug ein, und die anderen folgten seinem Beispiele „Aber Arbeit gibt's bannig." „Wir können was! Heisa, das soll ein lustig Leben ! werden!" ! Da bestellte Jon Peter noch einmal Grog, für sich selbst aber ließ er Kaffee kommen. NaH ^wZ ZgM.es l'sULG^Mtr ick hrs lOs Le- j sellen ab. Es war eine der fröhlichsten Fahrten in seinem Leben. „Wo nur der gute Jan steckt? Ich hatte gedacht, daß er spätestens zum Mittagessen wieder da sein würde. Die Brat kartoffeln verbrutzeln ja ganz." Hanno lachte und klopfte seinem Koch-Vater herzlich auf die Schulter. „Du hast auf Mittag gerechnet? Da hättest du mich fragen sollen, Vater. Ich kenne doch meinen Ian. Der ist heute wieder einmal losgelassen, und wenn er do in eine fröhliche Gesellschaft kommt, dann kann es Abend werden. Er ist ein unruhigerer Geist als ich, Vater." „In Gottes Namen, Hanno. Ich habe nichts dagegen, nur, ich habe mich so sehr an ihn gewöhnt, daß er mir lieb ist wie ein Sohn, und — lache mich nicht aus — er fehlt mir beute ickwn." „Schon nach ein paar Stunden? Glücklicher Ian! So rasch und restlos hat er dein Herz erobert? Und ich war drei Jahre fort." „Drei Jahre, Hanno!" Der alte Tessing nickte und sah durch das Fenster auf den weißen Burghof. „Junge, wenn du gefühlt hättest, wie du mir gefehlt hast." „Vater, heute weiß ich es, und die Schuld, die ich, ohne zu wollen, angehäuft habe, ist so groß, daß ich mich immer frage, ob mein Leben reichen wird, sie abzutragen." „Hanno, so darfst du nicht sprechen." „Doch, Vater, denn es ist Wahrheit. Als ich dich verließ, glaube mir, hatte ich dich so herzlich lieb wie heute, und doch ich habe dich. drei Jahre alleingelassen. Egoismus der Jugend. Ja, es ist im Grunde genommen nichts anderes, aber hier ist es zur bitteren Schuld geworden." Robert Tessing sah den Sohn gütig an. „Nein, Hanno, es war Schicksal, und heute glaube ich, daß es gut war." „Du willst daran glauben, Vater, darum vermagst du es," sagte Hanno eindringlich. .Tessing wich dem Blick des Sohnes nicht aus. „Ja, ich will es. Warum sollte ich's leugnen? Ich will es und kann es, Hanno Ist das nicht überhaupt alles? Eine Aufgabe wollen und darum auch können." „Du hast gewiß recht, Vater. Aber ich will nicht vergessen, was ich dir schuldig bin. Wir wollen immer zusammen bleiben." Tessing lächelte. „Immer! Nein, mein guter Hanno, das setze dir nicht in den Kopf. Einmal wirst auch du heiraten, und dann werden wir nicht mehr zusammen sein. Verstehe mich richtig. Die Trennung wird nur äußerlich sein, denn unsere Herzen sind so fest verbunden, daß sie nichts mehr trennen kann." Hanno schüttelte den Kopf. „Ich werde nie heiraten, Vater." „Schwöre das nicht, »nein Junge. Jetzt hast du vielleicht keine Lust, aber auch du findest dein Schicksal." „Mein Schicksal?" Schmerzlich war Hannos Stimme, und ein weher Zug trat in sein Antlitz. „Mein Scbicksal, Vater, das ist tot. Das liegt in den Urwäldern Brasiliens begraben und wacht nicht wieder auf." Robert Tessing wandte seinem Sohne erschreckt das Haupt zu. „Hanno!" „Laß, Vater. Eine alte, wehe Erinnerung. Laß ruhen. Die Toten erwachen nicht wieder." „Willst du mir nicht erzählen, was dich einst Schweres ge- troffen hat, Junge?" bat Tessing mit bebender Stimme. Doch Hanno schüttelte den Kopf. „Heute nicht, Vater. Vielleicht später einmal, wenn zehn Jahre oder noch mehr ins Land gegangen sind, erzähle ich dir von AimeS." Da hupte es dreimal. Beide eilten zum Fenster und sahen, wie eben der Kastel lan über den Hof eilte, um das Tor zu öffnen. „Ian kommt! Da kannst du ihm gleich deine verbrutzelten Bratkartoffeln servieren " „Soll er haben, der Schlingel, der Herumtreiber!" sagte Tessing lachend und begab sich in die Küche. Die beiden Tessings waren ganz erstaunt, als plötzlich vor der Freitreppe sechs junge Männerstimmen ein Lied an stimmten. „Fahrende Gesellen, Vater!" lachte Hanno. „Da wirst du unsere Speisekammer wohl etwas plündern müssen. Wer weiß, wo die unser braver Ian aufgegabelt hat. Jedenfalls sind sie uns willkommen." Der alte Tessing nickte vergnügt. „Das will ich meinen. Gastfreundschaft soll jeder aus Schloß Korff finden. Die wird uns heilig sein." tüMWL.KM)