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MD Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Nr. 71 Sonntag, den 2. September 1S28 Lang Us her Bon Rudolf Herzog. Nachtschatten seine Flügel svannt. Die Träume wachen falt allein. Im kleinen Haus am Straßenrand Singt eine Frau ihr Kindlein «in. Sie singt und wandert immerzu, Ihr Auge ist von Tränen schwer. Wo bleibst du? Es ist Abendruh'. Lang ist es her, lang ist es her. Die Lindenwipfel rauschen sacht. Kühl geht der Wind. Ich lausche bang. Was ist es, das mich traurig macht? Woher das Lied? Woher der Klang? Grüßt mich die ferne Jugendzeit? Steht Liebe auf aus ihrem Grab, Die mir so oft voll Seligkeit Das Lied mit in den Schlummer gab? Daß es im Lebenssturm mir blieb Ein Mahner an verlornes Glück —? Di- Mutter sang's. — O Mutterlieb', O kurzer Fruhlingssonnenblick! Die Glocken künden nächt'ge Stund'. Die Welt ist still, der Wald ist leer. Le's singt ein blasser Frauenmund: „Lang ist es her, lang ist es her." Es schallt ihr Schritt, ihr Lied, es tönt, Unsagbar faßt mich an der Schmerz, Und in der Brust, die sturmgewöhnt, Spür' ich das weiche Kinderherz. Und in dem Herzen sammelt es Eich an wie Sehnsucht nach dem Glück, Und: Mutter, Mutter! stammelt es, Und: Mutter, Mutter! klingt's zurück... Sonntagsbetrachtung „Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel gekommen. Wer von diesem Brote essen wird, der wird leben in Ewigkeit." (Evangelium Johannes 6, Sl.s Draußen auf den Fluren sammeln jetzt die Landleute die Feld früchte im Schweiße ihres Angesichtes ein. Die Jahrtausende alte Gottesverheißung, daß, Io lange die Erde steht, Samen und Ernte nicht aufhören soll, erfüllt sich wieder einmal. Die vierte Bitte des Vaterunser: „Gib, Herr, uns unser täglich Brot," wird wieder einmal zur Tatsache. Ja! „Gott gibt Speise reichlich und überall, sättigt nach Vaters Weise allzumal." Wenn nun aber der Herr Jesus Christus gerade setz! zu uns spricht: „Ich bin das lebendige Brot, vom Himmel gekommen" — warum tut er dar? Weiß er etwa nicht, was für eine große Bedeutung der Brotfrage und ihrer Lösung zukommi? Sind ihm etwa di« ungeheuren Schwierigkeiten, die gegenwärtig die Vrotfrage verursacht, nicht bekannt? O. das weiß und kennt er alles. Er lebte doch selbst auf Erden. Die Miseren de» Erde n» lebens machten auch ihm zu schaffen, ihm mehr als den meisten unter uns. Und wer sich darinnen vertrauensvoll an ihn wendet, darf seines Verständnisses und seiner Hilfe stets gewiß sein. Inder, die Brotsrage war ihm niemals die Hauptsache, «andern immer nur etwas Nebensächlicher. Sein« Schlußfolgerung lautet»: Der Vater im Himmel bekleidet die Lilien, obgleich sie weder arbeiten noch spinnen, und ernährt die VSg«l, obwohl sie weder säen noch ernten noch in die Scheunen sammeln: er vergiß! erst recht nicht der Menschen, gleich gar nicht der Seinen. Darum warnte er vor allem unnötigen, ängstlichen irdischen Sorgen und mahnte, statt dessen nach dem Reiche Gottes zu trachten, und sagte in diesem Sinne auch einmal: „3ch bin das lebendige Brot, vom Himmel gekommen." Er hätte auch sagen können: „Ich bin der Weg und die Tür zur zeitlichen und ewigen Gemeinschaft mit Gott." Nur sie, nicht die kaum magere Kost der Wissenschaft und Kunst, nein, die Gemeinschaft mit Gott sättigt, befriedigt, stillt wirklich den Hunger de» forschenden Geiste», der suchenden Seele, der unruhigen Herzens, der auf und ab wogenden Gemütsbewegungen. Di« solches schaffende Gottesgemeinschaft vermittelt aber allein d«r Herr Jesus Christus, allein die klare und erhabene Religiosität und Sittlichkeit des Herrn Jesus Christus, die Nachfolge in seiner Gottesliebe und Nächstenliebe. Mso grüble und kritisiere nicht, was seine Person, Sache und Ehre anbelangt, sondern halte mit ihm, deinem besten Freunde, treueste Freundschaft, indem du ihn dir in deinem Hause, Stand« und Berufe zum Vorbilde nimmst, dich in deinem Denken, Fühlen, Empfinden, Reden, Handeln nach seiner Gesinnung richtest, dieselbe immer vollkommener in die Tat umsetzen lernst und dir dazu den Sonntagsgottesdienst, das Hören und Lesen seines Wortes, das Gebet ohne Unterlaß, die Feier des heiligen Abendmahls als Lehrmeister dienen läßt. Niemand findet festen religiösen Grund und festen sittlichen Halt, er erfüll« denn dies« Christenpflichten. Und man mag in den Parlamenten das Biaue vom H mmel herunterschwätzen, bei Ministerkonserenzen Völler bunds- und Kriegsächlungspakte schließen, sich in den Tage», blättern Finger wund schreiben, in den Versammlungen noch so viel versprechen — man wird nicht vorwärts kommen ohne j Gott, ohne den durch den Herrn Jesus Christus geoffenbarten ! Gott des ewigen Lebens und der ewigen Liebe, in dessen j Namen der Herr Jesu» Christus bezeugt hat: „Ich bin das ! lebendige Brot, vom Himmel gekommen." Psarrer Lessing-Augustusburg. LaGe Vajazzo Roman von I. Schneider-Foerstl Urheberrechtsschutz durch Verlag von Oskar Meister in Werdau. 25 ' , Na-bdruck verboten Feßmann! Wenn Dr. Feßniann in Bellinzona war, — dann war Joachim krank! Schwerkrank! — Vielleicht schon tot! — „Tot!" wimmerte sie auf. „Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?" erbot sich der Schaffner, dem die Not der schönen jungen Reisenden nun wirklich zu Herzen ging. Die Decke mit sich zu Boden ziehend, sah sie vor ihm auf dem Rand des Bettes und sah ihn verzweifelt an. „Wie lange, sagten Sie, ist noch, bis wir in Bellinzona eintreffen?" „Zwei Stunden." „Und Wartezeit hier in Chiasso?" „Noch eine halbe!" „Ich kann es so lange nicht mehr hinausziehen — jemand, der mir sehr nahe steht, muß sehr krank sein, sonst würde man mich nicht rufen. Können Sie mir irgendeine Fahr- gelegenhesit besorgen, die mich rascher nach Bellinzona bringt?! Der Kostenpreis spielt keine Rolle. An Lire oder Franken — wie es gewünscht wird — Nachltaxe selbst verständlich. — Ich bezahle sie doppelt, wenn Sie mir nur einen Wagen verschaffen — wenn nötig, steuere ich selbst." Der Schaffner überlegte und schüttelte dann den Kopf. „Es läßt sich kaum machen! Und viel Zeitvorsprung läßt sich davon nicht erwarten, meine Gnädigste. Zudem — der Auf ruf steht schon seit drei Tagen in allen großen Blättern — da spielen diese zweieinhalb Stunden wohl keine nennens- werte Versäumnis mehr." „Seit drei Tagen." In Marias Augen stand nichts mehr als eine hoffnungslose Leere. Der Schaffner wurde von anderen Reisenden in Anspruch genommen, und so saß sie nun allein, die Knie im Bett aus gestützt, mit beiden Handflächen die Schläfen haltend, daß ihr Gehirn nicht in die Brüche ging über all dem Entsetzlichen, das es sich ausmolte.