Volltext Seite (XML)
Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage znm Frankenberger Tageblatt M. 70 Mittwoch, den 28. August 1828 LWGe VÄMHH0 Roman von I. Schueider-Foerstl Urheberrechtsschutz durch Verlag von Oskar Meister in Werdau. 24 Nachdruck verboten Feßmanns Erregung war derart groß, daß er den Tisch mit den Knien Hochstemmle. So weit war er also! Wenn Hettingen sagte, er war es nicht gewesen, so galt das einem Eide, an dem es nichts zu rütteln gab. „Hast du das dem Staatsanwalt gesagt, Achim?" Ein Nicken. „Er hat mich ausgelacht! Sie haben ja lücken lose Beweise meiner Täterschaft." „Du bist selber schuld," brauste Feßmann unbeherrscht auf. „Warum schweigst du immerzu und versuchst nichts zu wider legen. Jankes sagt, deine Wortkargheit bringe ihn zur Ver zweiflung." „Was soll ich denn reden? Niemand läßt das, was ich sage, gelten. Kein Mensch glaubt mir. Ich habe mir die Schramme da" — er fuhr resigniert über die Narbe in seinem Gesicht — „an einem Stein geschlagen. Sie sagen mir's auf den Kopf zu, daß sie vom Kampfe mit meinem Opfer her rührt. Die Blutlache, die sie in der Baracke fanden, und die Flecken in meinen Kleidern " „Die rühren natürlich auch von dieser Schramme her," unterbrach ihn Feßmann. „Nein!" „Nicht? " „Nein!" „Woher dann?" „Ich kann es dir nicht sagen, Hans!" Hetlingens Kopf glitt tief auf die Brust hinab, um das Gesicht dem Auge des Freundes zu verbergen. Feßmann beobachtete ihn scharf und überlegte dann. Hier galt es anzusetzen. Das war der tote Punkt! Ueber den hieß es wegzukommen — dann lag die Wahrheit klar zutage. Er verschwendete alles, was ihm zu Gebote stand: Liebe — Zorn — Borwürse — Bitten — Drohungen und selbst Grobheiten. Hettingens Schweigen überdauerte alles und jedes. ,Zch kann es dir nicht sagen, Hans," war die ewig gleiche Ant wort, die er gab. Verärgert verabschiedete sich der Doktor bis zum Nach mittag. Vielleicht, daß es ihm doch noch gelang, so lange er hier war, Joachim umzustimmen, daß er ihm sein Vertrauen schenkte. „Es war alles vergeblich!" gestand er dem Kommerzienrat, besten Gast er beim Mittagtische war. „Wenn ich nur wüßte, welche Frau hier im Spiele ist. Es gibt nur eine einzige, die allenfalls in Betracht käme. Ich werde ihn nach mittag fragen. Sagt er auch nicht ja oder nein. Ich brauche ihm nur in die Augen zu sehen. Dann weiß ich schon, ob meine Vermutung richtig ist." ,Za, tun Sie das!" stimmte Diebow erregt zu. Es war wie ein Hoffnungsstrahl, der in tiefschwarze, trost lose Nacht fiel. Richchofen war mit dem Abendschnellzuge in Villach ange- kommen, hatte sich sofort einen Wagen gemietet und fuhr nach dem Landhause seiner Tante, das etwas außerhalb der Stadt lag. Die Karawanken lagen von glutroten Bändern umzittert. Eine kühle Luft kam von den Häuptern der Tauern herüber. Etwas verärgert, schlug er den Mantelkragen hoch und tuschelte sich fröstelnd zusammen. Die Mizzl war zuweilen von einer Rücksichtslosigkeit cchne- gleichen. Seit drei Wochen zwei einzige Karten mit einem knappen Gruß darauf. Er hatte wahrhaftig etwas mehr um Le verdient. Aber so war es nun. Sie hatte nur mehr für Joachim Sinn und Gedächtnis. Wie sie das Schreckliche auf nehmen rvürde? Denn sagen mußte er es ihr, ehe sie es von irgendeinem anderen erfuhr, wenn sie es nicht ohnedies schon wußte. B-to nor e««- GUtentÜre. hinter der ein kleiner Zwerghund kläffte. Dom Hause her gebot eine Stimme Ruhe, was zur Folge hatte, daß da» Ge heul nur noch ohrenbetäubender wurde. „Sei stad, Foxerl!" mahnte Richthofen. „Schmeckst denn heut das Herrle net?" Ein Winseln hob an und ein Hin- und Herrennen, bis eine alte Dame eilig den Weg herabgelaufen kam und das Tor öffnete. .Leopold!" Ein Kuß auf den Mund und zwei auf Augen und Dangen, dann zog sie ihn zu sich herein. „Daß du mir die Freude machst, mein guter Junge. Hast die Mizzl mitgebracht?" Richthofen öffnete Mund und Augen und verhielt den Schritt. „Die Mizzl? Ist denn die nicht bei dir, Tante?" „Aber solch komische Frage, Leopold! Wie sollte Maria bei ! mir sein? Hat sie denn gesagt, daß sie zu mir fährt?" Er nickte. „Wie s' vor drei Wochn von z' Haus fort is, hat s' mir angebn, sie möcht für einige Zeit zu dir, wann's inir recht ist. Was hätt ich dagegen habn soll»? und jetzt hat's mich anglogn!" 1 „Es wird ihr wohl nichts zugestoßen sein?" erregte sich dir alte Dame. ' „Woher denn! Ich hab zwei Karten von ihr kriegt, aber i auf den Stempel hab ich gar nicht gschaut, bloß verärgert bin ' ich gwesn, daß s nur ihrn Namen hnrkritzelt hat. An alles , hätt ich denkt, aber an das nicht, daß s' net bei dir ist. Kann ich ein Telegramm aufgebn, wo in der Nähe?" „Gleich unten an der Kreuzung ist das Postamt." „Ich lauf noch nunter. Sorg dich nicht, Tante. Mit dem i nächsten Schnellzug fahr ich wieder zurück. Zwei Stunden können wir noch zusammen sein." Kopfschüttelnd sah ihm die alte Dame nach, wie er eikg die Straße entlangschritt. Nachts — wenige Minuten vor zwölf — lief bei Zantes ein Expreßtelegramm folgenden Inhalts ein: „Dr. Feßmann, z. Z. Bellinzona-Haus Jankes. Frage Joachim — ob Maria bei ihm gewesen ist. Richthofen. „Exprehrückantwort bezahlt." Diebow brachte es Feßmann ans Bett, da ec sich infolge der letzten schlaflosen Nacht bereits zurückgezogen hatte. In den Ellenbogen aufgestützt, las der Doktor di« Depesche. „Wenn ich das wüßte, verehrter Herr Diebow. Ich habe natürlich keine Ahnung! Am Nachmittag habe ich bei meinem Freunde mehr den Arzt als sonst etwas gespien, fso schlecht war er beisammen. Ein Fragen schien «str mtter diesen Umständen gar nicht ratsam." > „Darf ich fragen, wer diese Maria ist?" forschte Dkebow. „Natürlich dürfen Sie! Die Dame, um die es sich hier sandelt, war seine frühere Braut!" „Dann kann ich ja Auskunft geben, Herr Doktor! Nv entzückende Blondine, groß, schlank, mit einem richtend kinderreineu Augenpaar." s „Stimmt!" sagte Feßmann sarkastisch. „Also die Dame war einige Wochen hier und hat im Belle vue gewohnt. An jenem Unglücksabend habe ich Joachim gefragt, warum er immer so tief den Hut vor ihr zieh«, da bat er mir eingeftanden, daß er mit ihr verlobt war, dos Ganze aber auf ihren eigenen Wunsch zurückgegangen ist." Feßmann nickte. „Wann die Dame weggefahren ist, imssen Sie nicht zu sagen, Herr Diebow?" i „Nein! Vielleicht kann man es im Bellevue erfaße». ! Soll ich hintelephonieren? Der Nachtportier kann sich« Aus kunft geben." „Wenn Sie so gut sein wolltest" ' Während Diebow an den Apparat lief, der st» feine« Zimmer stand, hatte Fehmaon sich wieder völlig angekleidet. Er knöpfte eben noch fäna» weich«» Kragm fest, at» Kurt wieder eintrat.