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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 16.08.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-08-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-192808161
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19280816
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19280816
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-08
- Tag 1928-08-16
-
Monat
1928-08
-
Jahr
1928
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Acht der Reichstagsabgeordnete Künstler eine Entgegnung aus den Versuch des „Vorwärts" vom Mittwoch, die Haltung der sozialdemokra tischen Reich-Minister >am Bau des Panzerkreuzers /V zu rechtfertigen. Er verweist darauf, dc.ß fast zur selben Zeit, da die sozialdemokratischen Mi nister im Reichskabinelt für den Panzerkreuzer; gestimmt hatten, den Referenten und Vertrauens leuten der Partei da; Referentenmaterial des Parteivorstandes ausgchändigt worden sei, in dem gegen den Panzerkreuzer Stellung genommen wurde. Die Partei sei dadurch in eine Lage geraten, die viel ernster zu bewerten sei, als jene, die durch die Zustimmung der preußischen LandtagsfroMon zum Fürftmabfindungsgeseiz, heroorgerufen worden sei. Die sozialdemokra tischen Minister hätten nicht das Recht gehabt, die Partei und Fraktion vor eine vollendet» Tatsache zu stellen. Wenn es bei dem Beschluß der Neichsregierung bleibe, so werde sich daraus die Tatsache ergeben, daß die sozialdemokratische Fraktion vor die Frage gestellt werde, in Kon sequenz der Zustimmung der sozialdemokratischen Minister zum Panzerlreuzerbau auch ihrerseits die weiteren erforderlichen Raten zu bewilligen. Bei der Einstellung der Mehrheit der Fraktion werde die Fraktion den sozialdemokratischen Mi nistern die Gefolgschaft verweigern müssen. Der Abschluß des PmWages der SluomiWtang London, 16. 8. (Funkspruch.) Der Parteitag der Kuomingtang, der am Mittwoch abgeschlossen wurde, hat den Plan de- Finanzministers auf Einführung eines internationalen Dekreteutwurfes angenommcn. Dadurch wird .die Macht der provinzialen Behörden wesentlich eingeschränkt. Die Frage der Umbildung der Armee und der Auflösung der überflüssigen Negirrungstruppm wird auf einer späteren Tagung behandelt wer den. Weiter wurde beschlossen, daß alle wich tigen Verwaltungsposten in den Provinzen dem Zentrakoollzugsausschuß verantwortlich sein sollen, Ter Entwurf einer neuen Verfassung, der von einem Ausschuß ausgearbeitet wird, muß dem nächsten nationalen Kongreß vorgelegt werden. Der letzte und wichtigste Beschluß sieht die Ein berufung einer Nationalversammlung zum 1. Januar für das gesamte China einschließlich der Mandschurei, Mongolei und Tibets vor. „Wer Ziel bleibt die sozialistische Republik" Wien, 16. 8. Die Wiener Arbeiterzeitung, das offizielle Organ der österreichischen Sozial demokratie, bringt unter der Ueberschrift „Re publik, Sozialismus und Internationale" Aus führungen, die ein bezeichnendes Licht werfen auf die wahre Stimmung der Sozialdemokraten, die fnit biedermännischer Geste an den Feiern der Republik teilnehmen. So schreibt das genannte Blatt im Hinblick auf die deutschen Verfassungs feiern am 11. August u. a.: „Sozialdemokrat sein heißt, gegen die kapitalistische Ordnung Krieg führen bis zur Beseitigung, für die sozia listische Ordnung kämpfen, bis sie erreicht ist: Und keine Phase in der Entwicklung der ökono mischen und politischen Dinge, keine augenblick liche Verteilung der Machtmittel wird von diesem Grundgedanken des Sozialismus das geringste abzusplittern vermögen. Die Arbeiter können den Festtag der Republik überall mitfeirrn, aber auch die Genugtuung empfinden, daß sie vor wärts geschritten sind und vorwärts schreiten werden. Aber um so eindringlicher geloben sich die Arbeiter an dem Tage, der die bürgerliche Republik feiert, dgß ihr Ziel die sozialistische Republik ist und ihre Ausgabe die Durchführung des sozialistischen Programms." «eine Rkmesüe für Frieders Weimar, IS. 8. Die Fenenkainmer de» Land- periLls Weimar hat beschlossen, da« Gesetz für Straffreiheit vom 15. Juli 1928 auf die dem Ober- ftuat»auwalt Dr. Frieder« zur Last geleate Straftat keine Anwendung finden zu lasten. Mit Rücksicht aus die Lage, die durch die Ablehnung des der Regierung vom Landtag zur Berücksichtigung über wiesenen Gnadengesuch»-! für Oberstaatsanwalt Dr. Frieders entstanden ist, bat der Landtagspräsident das Plenum aus den 23. August vorzeitig einbe- rusen. Aus der Tagesordnung steht ein Mißtrauens- antrag gegen die Negierung und ein Antrag auf Auslösung des Landiags. Nie Arbsitsmarltlage im Reich Berlin, iS. 8. Nach den Berichten der Landes arbeitsämter über die Arbeitsmarktlage im Reich waren in der Woche vom 6. bis 11. August die Landwirtschaft und das Bauaewerbe weiter in be trächtlichem Maße aufnahmefähig. In einer Reihe von Landesarbeitsamtsbezirken war aber diese Auf- nahmesähigkeit der Außenberuse nickt mehr stark genug, um den auch auf dem Arbcitsmarkt deut- licker fühlbaren konjunkturellen Rückgang einzelner Wirtschaftszweige auszualeichen. In der Hauptsache ist in der Metall- und Moschinenindustrie (Wersten), sowie in der Spinnstoffindustric, lm Holz- und Schnittstoffaeweröe und im Verkehrsgewerbe die Zahl der Arbeitslosen leicht gestiegen. Der Tiesst- punkt der Arbeitslosigkeit, der im Vorjahre erst Mitte Oktober mit etwa 850069 Arbeitsuchenden und 412000 Hauptunierstützunascinpfängern erreicht wurde, scheint in diesem Jahre wesentlich früher und mit etwas höheren Zahien als im Vorjahre erreicht zu werden. Politische Nachrichten Hindenburgs Anerkennung für die Flotts. Bei der Flotte ist folgendes Schreiben des Reichspräsi denten v. Hindenburg nach dem Besuch bei den Schießübungen In Kiel eingegangen: „Die Schieß übungen der Flotte, an denen ich teilgenommen habe, haben mich in hohem Maße interessiert und befriedigt. Mit meiner Anerkennung an alle Be teiligten verbinde ick meine besten Wünsche für weitere erfolgreiche Durchführung der kommenden Manöver." Kommunisten beschimpfen Hindenburg. Eine Gruppe Kommunisten veranstaltete in Heringen einen Umzug. Ein kommunistischer Redner ergina sich in wüstesten Beschimpfungen gegen die Republik und gegen den Reichspräsidenten v. Hindenburg. Eine Anzahl Bürger gab darauf ihrem Mißfallen durch laute Pfuirufe kund, woraus es zu Tätlich keiten kam. Erst nach mehrfacher Aufforderung durch die Polizei zogen die Kommunisten ab. Anklage wegen Landfrledensbruches, Aufruhr und Beleidigung wegen der Vorfälle bei der Kyritzer Landbundkundgebung. Wie dem Amt lichen Preußischen Pressedienst aus dem preußischen Justizministerium mitgeteilt wird, ist die wegen der Ausschreitungen bei der Kundgebung des Land- bundcs in Kyritz am 12. März 1928 geführte um fangreiche gerichtliche Voruntersuchung abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft bat nunmehr gegen den Geschäftsführer des Landbundes aus Kyritz und 30 Mitangefchuldigte Anklage wegen schweren und einfachen Landfriedensbruches, Aufruhr und Be leidigung erhoben. Wegen weiterer Einzelansschrei tungen, sowie wegen Aufforderung zum Steuer- streik ist eine größere Anzahl weiterer Strafverfahren eingeleitet. Endlich Einsicht auch in Australien. Die austra lische Bundesregierung hat die dcuüche Regierung davon verständigt, daß sie nickt beabsichtige, die ihr nach dem Vertrag von Versailles zuftchenden Rechte auf Beschlagnahme von Eigentum deutscher Staats angehöriger in Australien im Falle der Nichterfül lung Ler deutschen Verpflichtungen ans dem Frie denevertrag auszuüben. Vertagung des japanisch-mandschurischen Kon fliktes. Sichere Berichte aus Mulden besagen, daß der japanisch-mandschurische Konflikt vertagt worden ist. Japanilcherseits neigt man stark dazu, Rücksicht auf die Stimmung der übrigen Mächte zu nehmen und will die Vertagung hinnehmen, ohne Maßnahmen zu ergreifen. Die Chinesen deuten diese Haltung Japan« al, Rückzug-manöver. Die allgemeine Lage kastn al« recht gespannt be trachtet werden. Antwort d«r Nankinaregierung auf die java nische Rote. Die japanisch« Gesandtschaft in Pe king erNärt, daß sie eine Teilnote der Nanking- reaierung auf die japanisch. Note vom 81. Juli er halten habe. In der japanischen Note war nach drücklich unterstrichen, daß eine Revision der zwischen beiden Ländern bestehenden Vertrüge nur auf dem Wege gegenseitigen Uebereinkommens möglich sei. Die einseitige Außerkraftsetzung durch China hatte Japan mit allem Nachdruck abgelehnt. Die chine- fische Antwort zeigt ein gewißes Einlenken, besteht aber auf dem Recht, Sonderrechte von Ausländern außer Kraft zu setzen und die chinesischen Zolltarife zu bestimmen. KompetenzronsllN zwischen Harburger und Hamburger Feuerwehr Hamburg, 16. 8. Die Riesenbrandkata- strophe von Wilhelmsburg bei Harburg, die Mil!- lionenwerte vernichtet hat, droht zu einem großen Skandal zu führen. Die zur Bekämpfung eines großen Brandes unzulängliche Harburger Feuer wehr hatte es abgelehnt, die Hamburger Feuer wehr zu Hilfe zu rufen, trotzdem es ihr wieder holt dringend nahegelegt worden war, trotzdem die Hamburger Feuerwehr, wie der Harburger Behörde mitgeteilt wurde, ihre sämtlichen ver fügbaren Mannschaften bereitgehalten hatte, und trotzdem der Brand mit seiner außerordentlich starken Rauchentwicklung auch Hamburger Gebiet stark in Mitleidenschaft gezogen hat. Ein selbstän diges Zuhilfekommen, wie von privater Seite wiederholt dringend gefordert wurde, war der Hamburger Feuerwehr nicht möglich, da die famo sen verwaltungsrechtlichen Verordnungen desUn- terelbegebietes eine solche freiwillige Hilfeleistung geradezu verbieten und außerdem das man gelnde Interesse der zuständigen Harburger Stel len an solcher Hilfeleistung nur zu deutlich zu erkennen war. Nicht nur in der Hamburger, sondern auch in der Harburger Bevölkerung herrscht über dieses merkwürdige Verhalten der Harburger Feuer wehrbehörde lebhafte Mißstimmung. Das Schönst« oder vielmehr Schlimmste ist, daß die Versiche rungsgesellschaften angesichts solcher unglaublichen Zustände es abgekehnt haben, den Millionen schaden zu decken. Sofort nach Vekanntwerden dieser Vorwürfe gegen die Harburger Feuerwehr haben sich die zuständigen preußischen Regierungsstellen mit den Leitern der Feuerwehr in Harburg in Verbindung gesetzt, um Aufklärung über die Haltung der Feuerwehr, sowie die dafür maßgebend gewesenen Gründe zu erhalten. Die Leiter der Feuerwehr erklärten, daß sie in keiner Meise an Parti- kularismus dachten, als sie die Hamburger Feuer wehr nicht zu Hilfe riefen. Man war in Har burg vielmehr der Auffassung, daß man des Feuers allein und ohne Hilfe der Hamburger Wehr Herr werden könne. Aus Heimat mid Vaterland Frankenberg, 16. August 1928. Ein sterbendes Tal Das Zschopautal lockt mit seinen landschaftlichen Reizen in jedem Jahre Tausende von Wanderern an. Der Teil des Zschopautales zwischen Wald heim und Mittweida wird allerdings den Natur freunden lehr bald verlorengehen: wird doch schon jetzt an der großen Zschopautalsperre gebaut, die 1929 vollendet sein soll und dann das Tal zwischen Kriebstein und Mittweida in einen neun Kilometer langen Stausee mit 11'/, Mill. Kubikmeter Fassungs vermögen verwandeln wird. Wer das Gebiet noch einmal durchwandern will, ehe das Staubecken ge füllt lein wird, muß sich deshalb beeilen. Auch-M bekannte Lauenhainer Mühle wird dem TalspekrW bau »um Opfer fallen. * - fb. Ein schwere» Gewitter zog gestern in b«n Abendstunden über unsere Stadt dahin. Es br2lM endlich die heiß ersehnte Abkühlung. Der Tag baM wohl ziemlich frisch begonnen, und es sah am Mop gen wahrlich nickt darnach aus, als ob e« hM werden würde. Im Laufe des Nachmittag« jedW wurde es heiß und heißer, und schließlich laste» »Ine geradezu unheimliche Schwüle über Stadt und Land, über Mensch und Natur. Die W Elekirlntät gesättigte Atmosphäre fand dann geaim 6V, Uhr durch den Ausbruch des Gewitters jW erlösende Entspannung. Unter gewaltigem Donneh getöse und während zeitweise Blitz ans Blitz folgte, rauschte der Regen reichlich vom gewitterdüsteren Himmel herunter. Trat auch mitunter vorübex- gehend eine kleine Pause im Kampf der Ele mente ein, so dauerte der himmlische Spektakel doch bis kurz nach 9 Uhr abends. Dann -erst gab es Ruhe. Seit einigen Wochen war die» das erste Gewitter, und so wird der Regen der. Landwirtschaft gewiß gut getan haben, es hättet nur mehr davon herunterkommen müßen. Immer hin hat das Gewitter eins auch heute noch anhal tende empfindliche Abkühlung und Trübung des Himmels gebracht, der heute bleigrau drohend über uns hängt. Nach unseren Erkundigungen ist unseres Stadt und ihre nähere Umgebung von Gewitter schäden verschont geblieben. Hin und wieder folgte, auf einen besonder» grellen Blitz eine gewaltige Detonation, so daß inan meinte, es habe einge schlagen, aber erfreulicherweise ist kein Unheil ast- gerichtet worden. In der Richtung nach Euba hat man einen Feuerschein beobachtet. Vermutlich han del! es sich um den durch Blitzschlag verursachten Brand In Oberhermersdorf, über den wir an anderer Stelle berichten. In der Chemnitzer Gegend und in Chemnitz selbst ist dar Gewitter besonders stark gewesen. f Erwischter Schwindler. Vor einiger Zeit ist in Frankenberg ein Unbekannter ausgetreten, der für eine Wäschefabrik in Ellefeld bei Fal kenstein i. V. Bestellungen auf Wäsche (Leib- und Bettwäsche) aufzunehmen suchte und An zahlungen in Höhe von 10—20 Mark ange nommen hat. Die bestellte Ware konnte nicht geliefert werden, da der Verkäufer als Schwind ler entlarvt und auswärts festgenommen wurde« Geschädigte wollen sich evtl, beim hiesigen Een- darmerieposten, Rathaus (Hof), melden. f Das Vermögen der Landeshauptstadt. Nach einer jetzt erschienenen Uebersicht über das Vermögen der Stadtgemeinde Dresden nach dem Stande vom 31. März 1927 beträgt bei einem Gesamt»«» mögen von 391991630 M. und bei einer Schulden summe von 119616094 M., das Reinvermögen der Sladtgemeinde Dresden 272375535 M. und unter Hinzurechnung des Reinvermögens des Schulbe zirks von 48016891 M. insgesamt 320392426 M. Da» Werkvermögen, d. h. die von der Stadt unterhal tenen Betriebe und Unternehmungen, erreicht einen Gesamtbetrag von 104677689 M., der Grundbesitz einen Betrag von 196043061 M. 1 Gründung eines WeltsSngerbundes. Auf Grund des großen Erfolges der Jniernationaley Festversammlung des Welt-Musik- und Sanges-' bundes hat die Bundeshauptleitunq einstimmig beschlossen, Ende Juni 1930 aus Anlaß des zehn jährigen Bestehens des Bundes den Ersten Inter nationalen Kongreß des Welt-Musik- und Sänger bundes für die Musiker, Sänger und Musikfreund» der ganzen musikalischen Welt In Wien als Grün dungsstätte des musikalischen Weltbundes zu ver anstalten. f Die Normung im Bervackungswesen. Durch die Zusammenarbeit des Ausschußes sür Verpackungen wesen mit dem Normenausschuß sind jetzt feiten? der Reichsbahn Erleichterungen In der Auslegung des Begriffes „mangelhaft verpackt" geschaffen wor den. Während bisher der Vermerk auf dem Fracht- brief gefordert wurde und das Anerkenntnis „man gelhaft verpackt" auch bei Behältern aus Papp» verlangt wurde, hat sich die Reichsbahn entschloßen, grundsätzlich auch die Verpackung in Behältern au« Pappe allaemein anzuerkennen. Die Frag« def zweckmäßigen Verpackung in Pappe wird gegen wärtig von einem Ausschuß für Verpackungswesen geprüft. MMV IM Wv VUNM VMH OLE VMV/1U 3K. (12. Fortsetzung.) Wie auf Kommando hatte er sich in der Gewalt. Behut sam stellte er die Fürstin auf die Füße. Er verneigte sich vor ihr, dann vor den Gästen und rief mit schallender Stimme über die erregten Menschen hin: „Das — Herr schaften — nennt man tanzen!" Er hatte erreicht, was er wollte. Man nahm seinen Tanz nicht als Taumel oder Entglei sung, sondern als beabsichtigt gewesenes Kunstwerk hin und erwies sich durch erneuten noch stärkeren Beifall dankbar. Die Situation war gerettet — die Gästeschar düpiert. Mit vornehmer Gelassenheit führte der Held des Abends feine fürstliche Partnerin zu ihrem Sessel zurück. Nur einer war, der hatte sich nicht düpieren lassen — Pieter Calisch. Mit aschfahlem Gesicht hatte er dieser — Orgie zugcsehen. Er war nahe daran gewesen, zu gehen. Nur Trautes Gegenwart hatte ihn gehalten. In seinem Leben nicht würde er das Doppelbild vergessen können, das so greifbar nahe vor seinem Auge gestanden: dort diese bacchantische Lust — hier diese wägende Nüchtern heit, dort ein Treubruch des Mannes, ein offensichtlicher und nie entschuldbarer — hier gänzliches Unberührtsein, dort eine Flamme — hier Eis. Wacht sie oder schläft sie — hatte er sich immer wieder sagen müssen — lebt sie oder ist sie tot, fühlt sic oder ist sie zerbrochen schon und dessen nicht mehr fähig? Wo ist ihre Seele? Wo?! Da war ein Wort ihren Lippen entschlüpft — leise nur, unhörbar kaum, aber doch! Das hatte ihn erlöst. Und dieses Wort hieß: Kitsch! Ganz plötzlich hatte Calisch empfunden: Sie wertet den Tanz als Kunstwerk, sie sieht nichts anderes in ihm als nur dieses. Sie vertraut ihrem Manne so restlos und vollkom men, daß sie das Zwingende in seinem Tun nicht sieht und Las Sinnliche in beider Gebühren Sie ist Parzifal, der reine Tor — wenn sie ein Mann wär. Und diese Erkenntnis wieder, die wie eine innere Befrei ung war, warf ihn dennoch in bodenlose Abgründe. „Was wird werden, wenn sie erwacht, wenn der Tag kommt, an dem sie begreifen lernt — wenn aus dem Kinde ein Weib wird?" Und ihn erbarmte ihrer in seinem Herzen. Es war ein Lachen, Leben, Beglückwünschen und Erstaunt sein sondergleichen an ihrem Tische, das der Sensation dieses Abends galt, so daß Pieter glaubte, sich für eine kurze Zeit entfernen zu können. Ihn würden sie nicht vermissen, weder die Gäste, noch die drei, die überschwenglich gespen dete Huldigungen in Gnaden entgegennahmen. Aber den Herrn Leod wollte er sich doch aus dem Jubel Herausbitten lassen, um ihm in der Diele oder Bar einige passende Worte zu sagen. Draußen fing er einen Piccolo ab. „Kennen Sie einen Herrn Mac Leod," fragte er ihn. Der Kleine strahlte. „Sehr wohl, mein Herr," versicherte er. „Dann gehen Sie hin zu ihm und bitten ihn in die Diele. Er sitzt im Saal, rechter Hand, am fünften Tische. Ein Herr erwartete ihn in dringender Angelegenheit für einige Minuten. Verstanden?" „Sehr wohl, mein Herr. — Und der Name des Herrn, der Herrn Hauptmann zu sprechen wünscht?" „Sei Ihnen leider nicht genannt worden." „Sehr wohl," ries der kleine Mann zum dritten Male und fegte davon. Pieter saß kaum noch im Vestibül, da erschien Mac auch schon. Er machte ein verdutztes Gesicht, als er den Freund erblickte, hatte sich aber sehr schnell gefaßt. „Was soll dieser Unfug, Calisch," fragte er unwillig und blieb vor ihm stehen. „Nehmen Sie wenigstens einen Augenblick Platz," ant wortete dieser, „ich möchte Ihnen gratulieren." „Gratulieren? — Einen Moment!" — Er drehte sich um. — „He, Ober, bringen Sie bitte zwei Curacao" — und über die Schulter zu Pieter — „Sie trinken doch mit?" „Natürlich, dafür bin tch doch Holländer." Der dienstbare Geist ging und brachte das Gewünschte. „Also gratulieren wollen Sie mir," sagte Mac, indem er sich in einen Sessel gleiten ließ, „zu was, wenn man fragen darf?" „Daß es diesmal noch gut gegangen ist, Leod. Es kann aber auch anders kommen. Was dann?" „Ich verstehe Sie nicht, Calisch, beim besten Willen nichch Sie müssen schon deutlicher werden. Ich habe keine blasse Ahnung, wo sie eigentlich hinauswollen. „Wozu baten Sie mich nach Wiesbaden, Leod?" „Es ist doch nett hier. Sehr nett sogar, finde ich. Auch die Gesellschaft ist nicht übel. Man kann sich hier leidlich wohl fühlen. — Und dann glaubte ich auch, eine Erholung könne Ihnen nicht schaden." „Sie fühlen sich augenscheinlich nicht nur leidlich, sonder« sogar sehr wohl?" „O ja, Calisch, ich kann nicht klagen." ' „Trotzdem Sie der veitstanzende Ungar aus Ihrem Himmeln riß?" Da wurde Mac hellhörig. „Allerhand Hochachtung vor Ihrem Scharfblick," sagte er, „das haben Sie gemerkt?" „Wie Sie sehen?" I „Traute auch?" „Glücklicherweise nein! Und deshalb eben sitze ich Ihnen jetzt gegenüber." Mac hob die Hände in komischem Entsetzen abwehrend ln die Höhe. „Um Gotteswillen, Calisch, fangen Sie nicht an zu Hollän dern, Moral zu pauken, zu tante-friedländernl Ich hab» den Zimmt dicke, ich kann ihn selbst in kleinen Dosen nicht mehr vertragen. Ich habe noch genug davon von Amster dam her. Ich will leben, Calisch, leben, aber nicht in Eurer Moral ersaufen." „Leben Sie nicht an der Seite Ihrer Frau?" Da wurde Mac nachdenklich. Langsam erwiderte er: „Ich weiß es nicht, Calisch. Ich weiß nur, daß ihr etwas fehlt« Sie braucht eine Ergänzung." , „Und das ist die Fürstin?" „Augenblicklich — ja! Er könnte aber auch eine ander« sein — ein Dienstmädchen, ein Tippfräulein oder eine Bar dame — irgendeine, die das Triebhafte oder Tierhafte be sitzt, das Undefinierbare, das man nicht schildern, sondern, nur empfinden kann, eben das, was ihr abgeht. Ich hätte doch wohl — nicht — heiraten — sollen." (Forts, Y
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