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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt - - 7.,. M. 82 Mittwoch, den 1. August ISA LsGe Bazazzo Roma» von I» Schneider-Foerstl Urheberrechtsschütz durch Verlag von Oskar Meister in Werdau. 18 Nachdruck verboten " Der Chefarzt bat die Damen, sich aus dem Zimmer zu ent fernen, da man einen Eingriff beim Herrn Baron vor nehmen wolle. „Sie werden ihm den Arm wegnehmen? flüsterte die Mutter entsetzt. „Rein!" „Was sonst?" „Sie werden es erfahren, wenn es vorüber ist, gnädige Frau!" Er schob sie gütigen 'Blickes über die Schwelle, an der eben drei Aerzte in weißen, fleckenlosen Kitteln erschienen. Kaum hatte sich die Tür geschlossen, riß Feßmann den seinen herunter und warf die Weste zur Seite. Das Hemd glitt über die Achseln und wurde nur in der Mitte vom Beinkleid festgehalten. Der Chefarzt trat auf ihn zu. „Ich bin außer jeder Ver antwortung, Herr Kollege?" „Außer jeder!" stimmte Feßmann zu. - „Dann — in Gottes Namen!" Ein Wattebauschen fuhr über Feßmanns linken Oberarm — etwas Blitzendes bohrte sich in sein Fleisch — dunkel farben floß sein Blut in das bereitgehaltene Gefäß, um von dort in Hettingens Venen übergeleitet zu werden. „Siebenhundert Gramm," konstatierte der Chefarzt und ' sah in Feßmanns farbloser werdendes Gesicht. Ein gleichmütiges Nicken. „Nehmen Sie, was Sie brau chen!" i „Noch einmal die gleiche Menge dürfte genügen," sagte eine Stimme vom Bett her, wo Hettingen in vollständiger Apathie lag und nicht wußte, was mit ihm geschah. Unaufhaltsam rann Feßmanns Blut! — Er sah bunte Nebel tanzen und die Dinge im Zimmer auf und nieder schaukeln. Hörte, was die anderen sagten, und sann den Tönen nach, als kämen sie aus meilenweiter Ferne. Dis weit in die Lippen hinein abgeblaßt, merkte er, wie jemand auf ihn zutrat, an seinem Herzen horchte und ihm dann mit geübten ' Händen eine Binde um die geöffnete Körperstelle wickelte. „Wie fühlen Sie sich, lieber Kollege?" „Ich bin vollkommen wohl!" sagte er und mußte sich zu gleicher Zeit gegen den Schrank hinter seinem Rücken lehnen, > um nicht zu fallen. Einer der Kollegen brachte ihm ein Glas Wein, das er s gierig leerte. Wie Feuer rann es durch seine Adern. Die - Schwäche war überwunden. Er ging zum Bette und sah - auf Joachim, der reglos in den Kissen lag. Die Kollegen standen noch im Gespräch beieinander, da neigte er sich hastig herab und küßte den schwelgenden Mund. „Nun rinnt mein Blut in dem deinen! Latz es als Sühne gelten für das, was ich dir getan habe!" bat er lautlos. Im Korridor warteten die Frauen in tödlich verzehrender Angst. Die Baronin erfuhr nichts von dem Geschehenen. Nur Isabella Ieska erhielt die Mitteilung davon sowie Richt- ' Hofen, der seit zwei Stunden im Wartezimmer saß; beide fuhren sie auf, warum man ihnen das Recht geschmälert hatte, sich auch zur Verfügung zu stellen. Als Isabella in Feßmanns Gesicht blickte, verstummte sie. , „Wenn er gesund ist, werde ich ihm sagen, Herr Doktor, in welcher Schuld er bei Ihnen steht." Er hielt ihre rechte Hand in die seine geklemmt. „Das j werden Sie nicht tun, gnädige Frau! Er muß selbst wieder zu dem Glauben kommen, daß ich das nicht bin, wofür er mich hält, und daß ich wirklich zu jeder Stunde Treue um Treue und Leben um Leben zu geben gewillt war." Die kommenden Stunden und die folgende Nacht ver- ' brachte Hettingen verhältnismäßig ruhig. Feßmann wich keine Minute von seiner Seite. Aber erst, als gegen 7 Uhr morgens der Chefarzt seine Meinung teilte, daß eine aus fallende Wendung zum Besseren eingetreten sei, ließ er sich von Isabella aut das kleine SM drHAn uHd HMckK Heck , Kopf über eine halbe Stunde schlaftrunken gegen die Polste rung. Joachims Stimme ließ ihn unvermittelt aufspringen. Het tingen schob sich mit Hilfe der Mutter etwas hoch und lächelte ihm entgegen. „Ich habe so furchtbar komisch geträumt: man pumpte mir mein Blut aus den Adern und anderes floh dafür hinein — aber ich fühle mich seiHer viel wohler,- Herr Doktor!" „Daan hat der Traum ja feinen Zweck erfüllt, Hm» Baron!" war die liebenswürdige Antwort. „Run bleibt Ihnen nichts mehr zu tun — als sich gesund zu schlafen." Und das tat Joachim Hetturgen. Kttzmcmn hiev es schon nach drei Tagen nicht mehr für ratsam, noch länger in seiner Nähe zu bleiben. Möglicherweise, dcch er ihn doch einmal erkannte, und dann waren die Folgen für den Genesenden unberechenbar. Ein Rückschlag mußte um jed-n Preis ver- mieden werden. Als er nach sechs Tagen Abwesenheit nach Hause kam, war sein Haar von grauen Strähnen durchzogen, und von den Nasenflügeln zum Munde herab zogen sich zwei scharf«, tief- rinnige Furchen. Ein stahlhartes Blitzen lag in den sonst so gütigen Augen und seine Sprache hatte etwas Barsches, kurz Abgehacktes bekommen. Frau Brunhildes Herz schrie auf vor Gram und Mitleid,' als sie den Gatten so zurückbekam. „Din ich dir nichts mehr?" klagte sie, als er st« wortlos zur Seite schob und nach seinem Zimmer ging. Die Hand bereits auf der Türklinke, sah er sie schweigend an. „Laß mich erst den Toten begraden — ou bist mir ja geblieben, kleine Frau!" Sie begriff. Erst mußte er den Verlust des Freund« ver winden, der ihm gestorben war, obwohl er lebte. Dann erst würde er wieder der Alte sein. Und sie wollte geduldig warten, bis diese Stunde kant. Mit nimmermüden Händen und unendlich gebender Liebe umsorgte sie ihn. Acht Tage später teilte ihm der Chefarzt der Klinik mit, der Baron hätte das Krankenhaus bereits verlassen können und sich zu Isabella Ieska begeben. Die wecket« Behand lung hatte Kollege Dr. Sanders übernommen. Feßmann nickte. Er war für Joachim nur mehr ein Nam« aus der Vergangenheit. Nichts band ihn mehr au sein« Person. Von den beiden Menschen, di« er über all« liebt«, blieb ihm nur einer: Sein Weib! Anderen Tages schickte er die Summe von tausend Schil ling, die er von Joachim zu leihen gehabt hatte, an diesen ad. Sie kam postwendend an ihn zurück mit dem Bemerke«, er müßte sich geirrt haben, er hätte nie Geld an jemand ge liehen. Feßmanns Zähne knirschten aufeinander. Er hatte den Freund eodgültig verloren! Das große mit bequemen Ledermöbeln ausgestattete Kontor Richrhofens lag ganz in Helle, goldfarbene Herbst- sonne getaucht. Die beiden großen Fenster standen wett offen und ließen den leichten Windhauch über den mächtigen, mst Zeitungen, Briefen und losen Zetteln bedeckten Diplomaten schreibtisch gleiten. Richthofen gegenüber, in einen tiefen Stuhl gelehnt, saß deffen Schwester und hatte die Hände reglos im Schoß» liegen. Zuweilen blickte sie auf und sA nach den Sonnen- funken, die über den roten Belag des Bodens huscht«, und von diesem weg nach dem Gesicht des Bruders, der über einen halbbeschriebenen Bogen geneigt war. Rach einer Weile hob er den Kopf. „Ich bitt dich um Dov« Wiki«. Mizzerl, red! So druckr, dir ja das He»l ab? Wiüeidttz bog er sich zu ihr hinüber und streichelte ihre Dangen. An ihm vorbei starrte sie nach dem Stück blauen das zu den Fenstern hereinluate. „Wenn es wirklich wahr ist, PM. was mir und di» Atüftn Haruach