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zu blieb sie stehen, wie um in sich hineinzuhorchen, schüttelte den Kopf und setzte ihre Wanderung wieder fort. Die Er regung war noch immer fürchterlich in ihr, aber sie flaute doch etwas ab und machte einem ruhigen Erwägen und Ueberlegen Platz. Richtyofen benützte ihre versöhnlichere Stimmung, um auf sie einzureden. „Ich fahr jetzt naus, Mizzerl, zu ihm und bring vir Nachricht. Er wird sich gar net denkn können, warum keins zum Nachschaun und zum Frag» kommt. Soll ich ihm sagn', er möcht in die Mariahilferstraßn gehn, daß d' dich mit ihn» ausredn kannst?" „Jal" „Wirst ihm doch nicht gleich 's Messer auf die Brust setzn, heut, wo er so schon soviel zum tragn hat?" „Ich werde ihm nicht zu wehe tunm gab sie mit leichtem Spott zurück. „Wenn er wirklich eingesteht, daß es sich so verhält, wie es in dem Briefe heißt, werf ich ihm mein Geld vor di« Füße, dann soll er sich eine neue Existenz damit gründen. Ich selbst aber will nichts mehr mit ihm zu schaffen haben." Richthofen kam nicht dazu, etwas zu erwidern, denn der eintretende Diener meldete den Baron Hettingen. Leopold riß die Türe auf, die nach dem Korridor führte. „Joachim! — Alter!" Er schluckte an den Worten, vermochte vor Erregung nicht weiterzusprechen und zog ihn zu sich in das Zimmer. „Kopf hoch haltn, mein Lieber! Kopf hoch! Kommen auch wieder andere Tag. Das verdammte Geld! Nix wie Scherereien hast damit! Wie geht's dem Herrn Papa?" Ein Achselzucken. Das blonde Haar klebte Hettingen feucht und wirr an den Schläfen. Das ins Gelbweiße spielende Gesicht war völlig verändert. „Ich habe meine Mutter vor einer Stunde ins Irrenhaus gebracht." „Na, Joachim! Das net!" Hettingens Kopf fiel mit einem todwunden Aufstöhnen zur Brust herunter. „Die ganze Straße hinunter hat man sie lachen hören, Leopold! Lachen! Sie hat kein Weinen mehr gefunden!" „Du armer Kerl!" Richthofen nahm ihm den Hut ab, den er noch immer krampfhaft zwischen den Händen hielt. „Kann ich dir was Liebs tun, Joachim? Sag! Er wischte sich hastig über Augen und Wangen. „Js dir für 'n Augn- blick mit ein paar taufend Schilling gholfn? Brauchst jemand, der für dich einspringt? Hast Auhenständ, die ich rechtmachn kann? Mein letztn Groschn nimm ich raus aus 'm Gschastl Red doch, Alter!" (Fortsetzung folgt.) M« Menschen Gedanken von August Roesch. Die Liebenswürdigkeit mancher Menschen besteht darin, daß sie etwas zu verbergen haben, oft eine Niederträchtigkeit^ * : Mitunter mag es nützlich erscheinen, eine kleine Torheit! zu begehen, um sich bei seiner Umgebung beliebt zu erhalten. O Den Lorbeer dürfen wir nicht da zu ernten suchen, wo Nicht einmal das schlichte Gras der.Selbstachtung wächst. Es gibt geborene Herren, und es gibt geborene Knechte. Beide können nie zu einander kommen. Dar SM des zahmaanss MS Johann Sebastian Bach aus der Höhe seines Ruhmes stand, wurde er ost von Leuten belästigt, die nur Neugier zu ihm trieb oder die ihre Eitelkeit befriedigen wollten. Unter diesen aufgeblasenen Musikdilettanten war Bach besonders der Franzose Teletel lästig, der dem deutschen Meister rücksichtslos aus dessen eigenem Klavier die Ohren vollpaukte. Um den Ueberlästigen los zu werden, gebrauchte Bach eine List. Er schrieb an seinen Freund Ludwig Krebs, einen der vorzüglichsten Orgel- und Klavierspieler seiner Zeit, von dem er scherzend zu sagen Pflegt«: „Ich habe nur einen Krebs in meinem Bach gefangen". Er lud ihn zu sich ein und entwarf mit dem Freunde im Geheimen einen Plan. Am folgenden Tage, als Teletel wieder den unglücklichen Meister mit seinem Spiel langweilte, klopfte es und Krebs erschien, ganz wie ein Fuhrmann gekleidet, mit einer großen Peitsche. „Ah", ries Bach, „da findet Er gleich einmal Gelegenheit vor diesem Herrn da seine Kunst zu zeigen!" Der vermeintliche Fuhrmann tat verlegen, sträubte sich etwas, nahm aber doch Platz und begann ein schlichtes Präludium, führte eine einfache Stimme ein, nahm eine zweite und dritte hinzu, steigerte seine» Bortrag irymer mehr in kunstvollen Verschlingungen, türmte dKe zu einem wahren Prachtgebäude empor mit tausend wunder- vÄlen, entzückenden Einzelheiten und wurde geradezu hinreißend und überwältigend in seinen großartigen Phantasien. Der Franzose stand starr vor Erstaunen. AIS der Spieler zu Ende war, trat Bach zu Teletel, legte ihm die Hand aus die Schulter und sagte ironisch: Sehen Sie, mein Lieber, so spielen bei unS — die Fuhrleute!!' Der Franzose empfahl sich und ward nie mehr gesehen. Ferdinand Brüger Begegmm- mit Tart Hauptmann Bon Paul Steegemann Das war mitten im Kriege, jo anno 17, da wuchsen Marme lade und Steckrüben wild in den Restaurants, der Tanz war verboten, die Musik eingrzäunt; da wurden wir geistig, da war Hausse in Vortragsabenden. Und auch durch Hannover zogen ne, die Dichter und Denker, und hielten, eingeladen von einem freundlichen literarischen Verein, ihr« groß« oder kleine Rebe. Kein Saal war groß genug. Und auch an Carl Hauptmann war di« Reihe. Gespenstisch saß er am Bortragspult und gestaltete seine inneren Gesichte. Magisch strahlte lein Rübezahlkopf. Und als die Sache vorbei war, da rankten wir uns, junge Buchhändler und ältere Mädchen, um seinen Tisch im Bahn- hossreftaurant. Teil« lauschten wir leinen Wortrn, teil« hatte er Angst, den Zug zu verpassen. Weshalb er plötzlich den Kellner heranrief, das Bier für die kleine Runde zu zahlen. E« mögen ein paar Mark gewesen sein, die Höhe de« Trink geldes stand noch im Belieben des Gastes; schweigend strich der Kellner dar Geld ein und entfernte sich finster. Verwundert schaute Carl Hauptmann in jein Biergla»; „Wie der Krieg die Menschen verroht. Jetzt habe ich dem Kellner fünf Pfennig Trinkgeld gegeben. Er dankt nicht einmal .. Dem deuWen Bau« Von Rudolf Presber. Wo Menschen geweilt und geschritten und sannen auf Kampf und Tat, da haben sie auch gelitten unter verruchtem Verrat. Und wenn sie nach hohen Zielen freudig den Bogen gespannt, da wurden sie irr' an Vielen, die sie „Freunde" genannt. Daß die Entscheidungsstunde fo viel Enttäuschung trug, oas gab manchem Heldemnunde den bitters«, den steinernen Zug. Du, zwischen Saat und Herde, den Weizen sondernd von Spreu, Bauer, dein ist die Erde — und die Erde ist treu! Arbeit, dis mühevolle, erbte dein stolzes Geschlecht, Bauer, dein ist die Scholle — und die Scholle ist echt! Du darfst der Hoffnung warten, die sich im Leiye rankt — Bauer, dein ist der Garten, und der Garten dankt! Du vergissest der Leiden und des Jammers der Wett, wenn du Wiesen Md Meiden, Mm und Anger bestellt. Neue Hoffnungspsalmen spürst du und neues Licht, wenn aus Kräutern und Halmen grünendes Werden bricht. Wenn sich die Schollen heben, von demer Saat gesprengt, wo die Kraft zum Leben und zur Sonne drängt. Feim vom Lärm der Markle tust du deutsche Pflicht, dem der Tauwind stärkte trotzige Zuversicht; der im Weltbetruge sich der Arbeit freut, stark die Hand am Pfluge, Keime der Zukunft streut. Tu, zwischen Saat und Herde Weizen sondernd von Spreu, Bauer, dein ist die Erde, und die Erde ist treu!