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Eine besonders interessante Abteiluna der, so fettreicher, aber auch um so schwerer und mengenmäßig cnährungsauSstellung in Berlin I bedeutender wird, je mehr wir nach Norden kommen. als mit Olivenöl arbeitet. Aber Sl .heizt" weniger, ent- B. einem Südfranzosen ungeheuerlich erscheinen. Fische allen Zubereitungsarten, besonders solche, die recht fett- Wie den Vaterlandes so erhebliche Unterschiede zeigen? Ebenso Kleidung und Behausung ihre besonderen Eigenarten natürlichen Bedingungen des Landes verdanken, in dem ein Volk zu leben gezwungen ist, ebenso ist auch die Zusammen setzung und Zubereitung der menschlichen Nahrung davon ab hängig, in erster Linie also von der Bodenbefchaffenheit und den Rohstoffquellen, dann aber auch von den Notwendigkeiten, die sich durch das Klima ergeben. Um dies zu verstehen, ist es notwendig, sich zu vergegenwärtigen, daß der menschliche Organismus, der hinsichtlich der Arbeitsweise einer Maschine gleicht, ebenso wie diese geheizt werden muß. Den Brenn stoff geben die in der Nahrung enthaltenen Wärmeeinheiten (Kalorien) ab. Lebt der Mensch in kälteren Gegenden, be nötigt sein Organismus stärkerer „Heizung" und bevorzugt solche Nahrung, die recht kalorienreich ist, vor allem also tierische Fette. Deshalb finden wir, daß die Nahrung um Natürlich richtet sich die Auswahl der Nahrungsmittel nach den zur Verfügung stehenden Rohstossen. Die Eski mos z. B. wissen Walfischtran sehr zu schützen und vor einer Seite fetten Robbenspecks geht ihnen das Herz auf, eine Vor liebe, die nicht alle von uns teilen würden. — Wenn auch die schwedische Küche aus solche Zutaten verzichtet, so ist sie doch ebenfalls auf reiche „Brennstosszusuhr" eingerichtet, und was man dort oben noch als Gabclbissen ansicht, würde spricht also durchaus den klimatischen Erfordernissen. Des halb ist auch in Spanien und in Portugal der Ge brauch des Ols noch verbreiteter. Daß die Kochkunst in Frankreich auf der Höhe steht, wird niemand bestreiten, der sich einmal in ihre Leistungen vertiefen konnte. Oberste Prinzipien sind leichte Verdaulich keit und Abwechslung, die manchmal sogar in Verspieltheit umschlägt. Mit immer neuen Mitteln soll die Eßlust an geregt werden und deshalb sind die Vorgerichte, die „HorS d'oeuvres", die Hauptsache bei einer guten Mahlzeit. Natür« lich gibt es auch handfestere Gerichte, z. B. die „Bouillabaisse", Wenn die Eskimos schwelgen! Robbenspeck und Walfischtran. z. in haltig sind, wie Aal usw., geräuchert, gepökelt, in Essig und Sl, sind ein Hauptbestandteil der schwedischen Mahlzejt Auch in Rußland bringt man den Fischgerichten eine starke Zu neigung entgegen. Schon die „Sakuska", die Vonasek, die zur Anregung des Appetits dienen soll, enthält Kaviar, der löffelweise genossen wird, verschiedene Sorten Fischrogen usw. Dem Westeuropäer, der mit den Eigenheiten der russischen Speisekarte noch nicht sehr vertraut ist- kann nur geraten werden, sich den Freuden dieser Vorgerichte nicht über mäßig hinzugeben, damit er auch noch die anderen köstlichen Sachen genießen kann, unter denen die berühmte „Borscht"- Suppe, die unter hauptsächlicher Verwendung von roten Rüben hergestellt wird, aber auch Rindfleisch, Weißkohl, Zwiebel und saure Sahne enthält, hervorragt. Auch die Kohlpasteten mit einer Füllung von Fisch und harten Eiern setzen einen kräftigen Magen voraus. Polen bildet ein Verbindungsglied zwischen der russischen und der deutschen Küche. Eines der beliebtesten polnischen Gerichte sind Karpfen, die in einer Tunke gekocht werden, der u. a. auch das Fischblut zugefügt wird. Auch in Deutschland leben die stärksten Ester im Norden. Ein ostpreußischer Magen bedarf einer sehr gründ lichen und soliden Füllung, ehe er seinem Besitzer das Ge fühl der völligen Sättigung vermittelt. Königsberger Klops und Königsberger Fleck, sowie Erbsen mit Sauerkohl, sind keine Speisen für Leute, die gern schlank bleiben wollen, überhaupt liebt man in Norddeutschland und ganz besonders an der Wasserkante eine recht robuste Küche. Wer einmal nach Hamburg kommt, sollte es nicht versäumen, „Snuten und Polen" (Schnauzen und Pfoten, und zwar vom Schwein) zu probieren. Recht lieblos ist die Berliner Küche, die kein eigenes Gericht besitzt. Eines der wenigen Gerichte, die sich da erhalten haben, sind „Grüne Bohnen mit Salzhering" Hier, wie allgemein in Norddeutschland, steht die Kartoffel in hohem Ansehen. In Thüringen liebt man es bereits, die Kartoffel zu reiben und zu Klößen zu verarbeiten. In Süd deutschland, wo der Weizenanbau im Vordergrund steht, pflegt man diese Klöße dagegen aus Mehl hcrzustellen und sic in Bayern Knödel und in Württemberg Spätzle zu nennen. Die klassischen Länder der Mehlspeisen sind aber die Tschechoslowakei und Österreich mit ihren Nockerln, Drei typische deutsche Nationalgerichtet LeberknSdek, Pellkartoffeln mit Hering und Eisbein mit Sauerkraut. "U'«NUU" Krapfen, Schmarrn und Strudeln. Prag und Wien sind seit jeher die Stätten einer bedeutenden Eßkultur gewesen. In Italien erscheint die Kartoffel noch seltener auf der Tafel. Wozu gibt es Weizen, Mais und neuerdings auch Reis im Lande? Da kann der erfinderische Geist immer wieder neue Spielarten ersinnen. Polenta, der besonders in Ober italien viel gegessene Maisbrei, ist noch die einfachste. Aber wer zählt die Sorten von Spaghetti, Makkaroni und Taglia- telli, für die wir in Deutschland, bezeichnend genug, nur den Sammelbegriff Nudeln haben? Man hat die italienische Küche eine „Slpumpe" genannt, weil sie weniger mit Butter Ernährungsauö stellung zeigt in anschaulicher Weise, wie stark die Speisekarten der Völker ourch klimatische Vcr- hältnisse beeinflußt sind. Das geflügelte Wort „Sage mir, was du ißt, und ich will Pir sagen, wer du bist" läßt sich mit ebensoviel Berechtigung dahin abwaudel», daß man behauptet: „Sage mir, was du ißt- und ich will dir sagen- woher du stammst." Menschen, die baS Schicksal aus dem Vaterland hcrausgcnommen hat, um ft« irgendwo jenseits der Grenzpfähle niederzufetzen, Pasten sich, so gut e- geh«, den Sitten und dem Lebensstil ihrer neuen Umgebung an. Sogar die Muttersprache wird bedauerlicher weise nicht immer so bewahrt, wie es eigentlich sein sollte Uber selbst zwanzig und mehr Jahre Auslandsaufenthalt schützen nicht vor dem Heimweh, das auch den Abgehärtetsten packt, wenn ihm aus einem ttüchenfenstcr der Dust seines Nationalgerichtes entgegenweht. Findige Köche wissen die Erkenntnis dieses Zuges zum heimatlichen Kochtopf in klingende Münze umzusetzen, indem sie in den großen Städten des Auslandes Speisehäuser er öffnen, in denen ihre Landsleute die Möglichkeit finden, sich auch in der Fremde mit Gaumen und Magen ans Vaterland »u erinnern. Dabei ist nicht einmal immer die Güte und Schmackhaftigkeit der heimatlichen Gerichte für deren An ziehungskraft maßgebend. Vielmehr scheinen deren Wurzeln tief int menschlichen Unterbewutztsein verankert und mit Er innerungen an Jugendeindrücke innig verflochten zu fein. Woher mag es nun überhaupt kommen, daß die Küchen Hinsichtlich der Beschaffenheit und Zubereitung des Gebotenen m» den verschiedenen Orten des Erdballs, ja des eigenen Vie odw«lr,flnnjisrcichste Kiiche der Welt haben di« Chinesen, für die d.r At s die im Ferne« Osten unbekannte Kartoffel ersetzt. Die klimatischen Verhättniffe Italiens bedinge» leichte Kost. Makkaroni sättigen, ohne den Magen zu belasten, Wassermelonen und andere Früchte stillen den Durst. eine provenyalische Fischsuppe, die einem ausgehungerten Ester schnell sein körperliches und seelisches Gleichgewicht wiederverleiht. Legt man in Frankreich vielleicht auch einen übertriebenen Wert aus die Zubereitung der Speisen, so ist in England, diesem Nebellande, das Gegenteil davon der Fall. Seine Suppen ähneln einander zum Verzweifeln und die halbrohen- innen noch blutenden Beefsteaks und Roastbeefs zeichnen sich eher durch große Abmessungen als durch besondere Schmack haftigkeit aus. Nur die scharfen Tunken (Worcestersoße usw.) geben dem Ganzen eine anregende Untermalung. Der viel genannte schwere Plumpudding gehört zum eisernen Bestands der englischen Sonntagstasel, so daß die Inder ursprünglich glaubten, er bilde einen Teil der christlichen Religion. AuS Indien haben .die Briten übrigens die „Curry-Gerichte" über nommen. Curry ist ein sehr scharfes Gewürz und sein Genuß verdünnt das Blut, was aber in den Tropen nicht als un angenehm empfunden wird. Die Reichhaltigkeit der exotischen Küchen kann hier nur gestreift werden und beruht auf der Verwendung der vcr- schicdcnartigsten Nahrungsmittel, die eine freigebige Natur den Menschen in diesen fernen Ländern schenkt und die unter den jeweiligen klimatischen Bedingungen als die geeignetsten herausgefunden wurden. Mit zunehmender Kultur ver feinert sich dann auch die Zubereitung, bis die Völker lernen^ sich nicht nur zu ernähren, sondern auch zu speisen. Dr. Franz Ortner.