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HM-Unrugs Ek kMsyrscksr Lksmnitr Vksvktsn-öoppsn Isseklsn-Uossn iS u. vreschss. erprohD, bak(- Beilage znn, Fvankeabevger Tageblatt Rr. lS8 Areitag, d.u I S. Jimi I»2q 87. Jahrgang Der Berlin« Songreh (13. Juni bis 13. Juli 1878.) Bau Georg Wagener, Hannover. . Die Entscheidung im russisch-türkischen Krieg »ar bei Plewna gefallen, aer Weg nach Kon- Hantinopel lag den Russen assen. Nur das euro päisch« Interesse kannte die Besiegten retten, t Aus dem BündmsverhSltnrs zu Ruhland her- Krs war es verständlich, das; Deutschland jede Einmischung kn den Streit ablehnte. Um so Peniger zeigte sich England, dem die Besetzung der Dardanellen und des Bosporus durch Rutz- «md nicht gleichgültig bleiben kannte, geneigt, Kcgsnd welche Rücksicht auf St. Petersburg zu Nehmen. So erklärte der englische Außenminister Kord Derby dem russischen Botschafter Grafen Wchuwalow am 30. Januar 1878, daß Eng- Dand russische Truppen in Konstantinopel nie PrÄden weich«. Unter dem Druck dieser Drohung Dahm Ruhland am nächsten Tags das türkische Mafssn'tillftcmdsangebot an. s Trotzdenc schoben sich ohne Rücksicht auf die ^diplomatischen Verhandlungen russische Kolonnen Weiter gegen den Bosporus vor und erreichten Kn auf dem europäischen Ufer bei Bujukdere. Daraufhin bewilligte das in Eike zusammen- Kerufcne Parlament in London demonstratio ^inen außerordentlichen Nüstimgskredit von sechs »Millionen Pfund, und gleichzeitig legte sich die Englische Mittelmserflotte im Mamaramser vor Anker. Zur Verschärfung der Lage trug nun noch der am 3. Mürz 1878 durch Waffengewalt erzwungene Friede von San Stefano bei: er Widersprach den vor Kriegsausbruch von St. Petersburg gegebenen Versprechungen, sich jeder Eroberung zu enthalten, und schaltete die Türkei als europäische Macht aus. Schon im Januar 1878 Hatto der österrekchisch- Mg arische Außenminister Gras Andrassy Nutz- land klar zu verstehen gegeben, daß die Donau monarchie bei der Regelung der Vesitzvorhältnisse «auf dem Balkan ein Wort mitzusprechen wünsche, sind deshalb die Einberufung einer Konferenz «ach Wien Vorschläge. Von einer Zusammen kunft in der österreichischen Hauptstadt wollte man aber in Ruhland nichts wissen, und der Kanzler Fürst Gortschakow erklärte: „Wird Mion gewählt, so nehmen wir nicht teil; gegen Berlin hätte ich nichts einzuwemden." - Bismarck war mit der russischen Anregung einverstanden, weil er auf alle Fälle die Ge gensätze zwischen St. Petersburg und Wien über- ibrücken imd den Drsikaiserbund erhalten wollte. Much England erklärte feine Zustimmung, an seiner KonfereiH in Berlin tsilMrshmen, falls sie Enster dem Vorsitz des deutschen Reichskanzlers stattfindsn würde. Gleichzeitig gaben auch -Frankreich und Italien ihre Zusage. Hatten sich somit dis Mächte grundsätzlich mit Hilker friedRchsn Regelung der Streitfragen em- derstanden gezeigt, so standen der Konferenz doch Doch manche Hindernisse im Wege. Vor allem war das Verhältnis zwischen England und Nutz» skand infolge der britischen Flottsndemonstration äußerst gespannt. Der Bruch schien unoermeid- Wh, Äs noch dazu dis Londoner Regierung ver- Angts, daß alle Bestimmungen des Friedens von ,San Stefano der Erörterung durch dis Konferenz untsMegen und der Zustimmung der Mächte unterworfen werden sollten. Wochonlange Verhandlungen zwischen London Md St. Petersburg führten zu keiner Einigung. Das englische Kabinett hatte sich dem Parlament Agenüber zu sehr feftgeksgt, um noch nachgebsn M können. Ende März verschärfte sich die Lage wesentlich durch den unerwarteten Rücktritt Lord Derbys, der noch immer mit der Kriegserklärung gezögert hatte. Jetzt schien eins Schlichtung der Streitfragen nicht mehr möglich, und wirklich verfolgte die Mobilisierung der englischen Re serven. In dieser bedrohlichen Lage schuf Mitts April der Vermittlungsoorschlag Bismarcks, daß die englischen Schiffe sich aus dem Mamarameer und De russischen Truppen sich aus Adrianopel zu- ülSziehen sollten, endlich den Ausweg. Der pffecksichtkiche Wille Oesterreich-Ungarns, auf der Mtfülkmg seiner Wünsche hinsichtlich der Adria- rifchon Küste zu bestehen, verstärkte'in Rußland .das Verlangen nach einer friedlichen Einigung, And auf Grund wochenlanger Verhandlungen «ahmen London und St. Petersburg den deut- Wen Vernnttlungsvorschlag an. Das Zustande kommen der Berliner Konferenz war somit in- Mge der Initiative und des persönlichen Ein flusses Bismarcks gesichert, und die Einladungen MMgon von Berlin aus an die interessierten Wegieymgon. Am 13. Ami 1878 eröffnete der deutsche Reichskanzler den Berliner Kongreß. Die Ver treter der Großmächte, der Türkei, Rumäniens, Werbiens, Bulgariens. Griechenlands, Montene gros u-nd Persiens waren erschienen. Mes, was An der europäischen Diplomatie einen hervor ragenden Namen besah, versammelte sich im sproßen Konferenzsaal der Wilhelmstrahe. Nach eingehenden, teilweise recht bewegten Derhamdlungen, die aber innner wieder durch ,!das persönliche Ansehen Bismarcks in ruhige Bahnen gÄenkt wurden, emigic man sich. Ser bien, Rumänien, Bulgarien und Montenegro Wmrdea für unabhängig erklärt, fr«lich ohne von Gmfang zu erveichon, den Russland in San Ste- Wno mit der Waffe in der Hand für seins Bundesgenossen verlangt hatte; Oesterreich- I bietsteile ine Kaukasus, Persien die Stadt Kho- tur. Am 13. Juli 1878 wurde der Kongreß geschlossen. Uneigennützig imd geschickt hatte Bismarck, dessen Wort in allen Fragen von Ausschlag gebender Gewichtigkeit war, die Rolle des ehr- kichen Makkers gespielt und Europa vor dem Krieg bewahrt. Fünfzig Jahre sind seit der Berliner Kon ferenz vergangen: fünf Jahrzehnts, in denen Deutschland von der Höhe seiner Macht als Opfer feindlicher Willkür herab gezogen wurde, um wieder durch zähe Friedensarbeit zu einem wichtigem Faktor im Rat der Völker zu werden. Noch sind wir weit davon entfernt, einen deut schen Staatsmann die maßgebende Rolle spielen zu sehen, die damals im Sommer des Jahres 1878 dem Fürsten Bismarck zuteil wurde, doch unser unerwarteter Aufstieg aus dem Chaos des Kriegsendes läßt die Hoffnung auf ein neues „Deutschland der Berliner Konferenz" bei Aende- rung der politischen Lage nicht als aussichtslos erscheinen.. MH» der Präsidiums im Reichstag (Von unserem parlamentarischen Mitarbeiter.) Berlin, 14. Juni. Die Gefchäftsmaschine rauscht. Der alte Bock, der disse zwei Tage init bewundemrswertsr Frischs das Amt des Wtarspräsidenten versehen hat, fordert Vorschläge zur Präsidentenwahl. Ditt mann schlägt seinen Parteigenossen Löbe vor. o. Gu 6 rard beantragt Wahl durch Zuruf. Kommunisten und Nationalsozialisten, treulich vereint wie Humer, erheben Widerspruch, also Zettslwahl. Sie ergibt eins überwältigende Mehrheit für Löbe, obwohl die Deutschnatio- nalon sich der Stimme enthalten haben und die Kommunisten und Nationalsozialisten in Thäl- maim und Dr. Frick eigene Kandidaten aufge stellt haben. Löbe ist also gewählt und nimmt auf dem Präsidentenstuhl Platz. Die Mittel- parteion und Sozialdemokraten klatschen Beifall. Eins kurze prograimnatische Mrsprache Lö bes, dann geht die Abstimmungsmaschine weiter ihren Gang. Für die Deutschnationalen wird Gräf vorgeschlagen, das Zentrum will Esser zum 2. Vizepräsidenten machen. Soweit geht alles gut. Für den dritten Präsidentenposton aber sind zwei Bewerber vorhanden: der Kom munist Geschke und der Dvlksparteilcr v. Kardorff. Da die Kommunisten gegen Löb« gestimmt haben, wollen die Sozialdemo kraten nicht für Geschke stimmen, sondern weisze Karton abgeben. Kardorffs Wahl geschieht mit 203 Stimmen. -Wg. Dr. Scholz (D. Vp.) schlägt nunmehr für den Posten des dritten Vizepräsidenten den . Abg. Graef (Dnatl.) vor. Abg. Koch-Weser (Dem.) schlägt Frau Dr. Bäumer (Dem.) rwr. Für den Abg. Graef werden 199 Stimmen, für Frau Dr. Bäumer 150 Stimmen, für den Abg. Geschke 54 Stimmen abgegeben. Da keiner dec Bewerber die absolute Mehrheit erreicht hat, mutz wieder Stichwahl erfolgen. Sie ergibt die Wahl des Abg. Graf mit 205 Stimmen. Für Frau Dr.. Bäumer wurden 167 Stimmen abgegeben. Da Abg. Graef nicht im Saale anwesend war, konnte noch nicht festgestellt werden, vb er die Wahl annimmt. Der kommunistische Antrag auf Haftentlassung des Abg. Kippenberger-Hamburg wird gegen die Stimmen der Deutschen Volks partei und der Deutschnationalen bei Stimment haltung der Wirtschaftspartei und der kleineren Gruppen angenommen. Das Haus vertagt sich dann auf Freitag 3 Uhr. Nmnestieanträge. Nach der Freitagssitzung wird sich der Reichstag auf unbestimmte Zeit vertagen, bis die Regierung dem Reichstag ihr Programm vorkegen kann. Im übrigen interessiert das, was im Plenum .vorgeht, viel weniger als die Vorgänge hinter den Kulissen. Hermann Müller-Franken und Heilmann, der Führer der Sozialdemokraten in Preu hon, verhandeln unausgesetzt. Die Füh rer der Landtagsfraktionen, die die preutzischs Negierung unterstützen, sollen heute nachmittag im Reichstag zusammentreten und die erlösend« Formel suchen, dis der Volkspartei den Ein tritt in die Reichsregierung nach ihrer gestrigen Erklärung möglich macht. SozMpoMWs MchmMu Die heitzumstrittene Sozialpolitik. — OKrtschast und Fürsorge. — Die Kurzarbeiterunterstützung. Aus dem 21. Verbandstage des Verbandes Deutschnationaler Handlungsgehilfen, der am ver gangenen Sonntag in Dresden stattfand, hat Neichswirtschaftsminister Dr. Curtius einen Satz geprägt, der inzwischen zu grotzen Debatten Än- latz g^eben hat. Der Minister sagte dort: ,^OHne blühende Wirtschaft kann es keine Sozialpolitik' geben, ohne gesunde Sozialpolitik aber auch keine blühende Wirtschaft". In Verbindung mit einer Redewendung in dem Jahresbericht des Reichs arbeitsministeriums, in dem es heisst, datz die deutsche Sozialpolitik nach „Weltgeltung" strebe, wird die Auslassung des Reichswirtschaftsministers von den Gegnern unserer Sozialpolitik reichlich benutzt, die deutsche soziale Gesetzgebung als Geissel, bzw. als Totengräber der deutschen Wirt schaft hinzustellen. Man sieht daraus wieder ein mal, das; sich mit einem aus seiner Verbindung mit anderen Zusammenhängen herausgerissensn Satz schon allerhand anfangen lässt, um gegen eine unbequeme Sach« zu Felde zu ziehen. Es! mützte doch nun bald für jeden klar denkenden Menschen einleuchtend sein, das; unsere Wirtschaft mit kranken Menschen nicht wieder hochgebracht werden kann und datz es ein Gebot reinster Men- schenpflicht ist, die Arbeitskräfte des Wirtschafts lebens vor Krankheiten und nachteiligen Folgen des Arbeitsprozesses zu hüten und zu schützen. So und nicht anders ist der Satz auszufassen, das; ohne Sozialpolitik keine blühende Wirtschaft zu denken ist! Eine Ueberspannung der sozialen Fürsorge wird auch von allen Arbeitnehmern abgelehut, die einen Stolz darein setzen, mit ihrem einzigen Kapital, ihrer Arbeitskraft, der deutschen Wirt schaft zu dienen. Alles, was nach „Fürsorge" schmeckt, ist dem sich seines Wertes bewussten Arbeitnehmer nicht genehm, aber sein gutes Recht und den gesundheitlichen Schutz seiner Person mutz man ihm schon lassen, wenn die verschiedenen Klüfte innerhalb unseres Volkes nicht noch er weitert werden sollen. In solcher Einsicht sollt« man es sich auch abgewöhnen, die Arbeitslosen versicherung immer wieder als „Faukheitsprämle" zu bezeichnen, wie dies immer noch von Kreisen geschieht, die durch die vorsichtige Wahl ihrer, Eltern und durch andere Glücksumstände davor bewahrt sind, einmal eine zeitlang von dieser , Saul hei tsprä wie" leben und ihre Familie er nähren zu müssen! Es mutz mit Nachdruck betont werden, datz alle Behauptungen, nach denen die Arbeitslosenversicherungsbeträge die Höhe des Wochenkohnes in manchen Fällen übersteigen i können, nicht zutreffend sind. Solcherlei Kunst- stückchen hat sich der Gesetzgeber nicht erlmcbt, wo Gegenteiliges behauptet wird, tut man gut, die Fälle genau prüfen zu lassen. Was nun die „Weltgeltung" der deutschen Sozialpolitik be trifft, so stehen wir nicht an zu erklären, datz auch wir Sinn und Ziel der deutschen Sozial politik nicht darin sehen, allen anderen Nmionen auf diesem Gebiete unter allen Ilmständen und um jeden Preis eine Nasenlänge oder noch mehr voraus zu sein! Eine sozialpoMschs Rekordjägerei ist ein Unfug, den niemand gutheitzen kann, der sich des Ernstes dieser Angelegenheit bemüht ist. Ein treffendes Beispiel dafür, daß in Deutsch land nicht „sinnlose Fürsorge" getrieben wird, bietet das Kapitel „Kurzarbeitemnterstützung". Bekanntlich war die Geltungsdauer dieser Unter stützung schon mehrfach abgslaufen, neuerdings wieder am 1. Juni. Das Reichsarbeitsministe- rium konnte sich aber auch an diesem Termin noch nicht entschließen, diese Fürsorge aufzuyeben, da die Statistik zeigt, datz bei allem erfreulichen Rückgang der Arbeitslosigkeit in den letzten Mo- naten, für verschiedene Industrien die Zahl der Kurzarbeiter im Steigen begriffen ist; aus diesem Grunde wurde die Verordnung zunächst bis zum 30. Jimi verlängert. An diesem Tage wird man erneut zu prüfen haben, ob und inwieweit dieser Zweig der sozialen Fürsorge abgebaut werden kann, K. Lgt. sus Covercoat, Oksviot, Kammgarn Und imprägnierten Stötten, selbst in den billigsten Preislagen gut verar beitet und einwandkrel passend. Mglings- um! KnsdsMsickmg in überrsscksnüer Ouswsbi u. bormen- sckönksit, besonders preiswert. 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