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^8 67, 28. März 1S1Ü. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 3595 von Verulam und von John Locke mit Entschiedenheit geltend gemacht. Amos Comenius erfaßte ihn ebenso energisch in bezug auf den Unterricht und machte in seinem »Orbig piotus« einen Versuch, ihn praktisch zur Ausführung zu bringen. In den An stalten von Aug. Herrn. Francke in Halle, solvie in den von Hecker in Berlin und Semler in Halle gegründeten Realschulen wurde der Unterricht gleichfalls auf Anschauung gegründet. Vor allem haben Rousseau und die Philanthropen, mit Basedow an der Spitze, das Ausgehen von der Anschauung im Gegensatz zum Wortunterricht gefordert; auch Freiherr von Rochow gründete den Unterricht in seiner Schule zu Rekahne bei Brandenburg a. d. H. auf denselben Grundsatz. Das Verdienst, diesen Grundsatz zu allgemeiner Anerkennung gebracht und die Anschauungsübungen wirklich eingeführt zu haben, gebührt Pestalozzi. Seine Ideen darüber und seine Methode hat er in dem »Buch der Mutter« und »Wie Gertrud ihre Kinder lehrt« niedergelegt. Seitdem ist der Anschauungs unterricht auch als besonderes Fach des Elementarunterrichts vielfach bearbeitet worden, so von Türk, Harnisch, Grasmann, Denzel, Diesterweg, Graser, Gräfe, Curtman, Karl Richter, Kehr, Dittes, Klauwell u. a., während einige Pädagogen, Vertreter der Normalwortmethode, wie Klauwell, ihn nur zum Begleiter des Schreibleseunterrichts machen. Entschiedene Gegner des An schauungsunterrichts find Karl v. Raumer, Völter und Palmer. Die meisten Pädagogen erkennen ihn jedoch fast allgemein als notwendig an. Heute hat der Anschauungsunterricht eine ganze Industrie, die Lehrmittelsabrikation, und den Lehr mittelhandel hervorgerufen, die beide von großer pädagogischer und volkswirtschaftlicher Bedeutung sind. In der Volksschule, die Schreiber dieser Zeilen Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts eine zeitlang besuchte, waren an Lehrmitteln eigentlich nur einige Wandkarten und vielleicht ein zu klein geratener Globus vorhanden. Die gestrengen Kustoden der Sammlungen der höheren Schule, die ich alsdann besuchte, schienen fast sämtlich der Ansicht zu sein, daß die ihnen unter stellten Sammlungen »nichts für Kinder« seien. Von den sieb ziger Jahren an trat dann aber eine sehr kräftige Wendung zum Besseren ein. So ermöglichten es z. B. die Fortschritte der graphischen Technik, den Volksschülern äußerst billige Atlanten (in zinkographischem Farbendruck) in die Hand zu geben. Die Her stellung von Wandkarten und Globen wurde ebenfalls billiger und vollkommener. Die Lehr- und Rechenmaschinen tauchten auf, die Industrie brachte immer mehr gute und billige Lehr mittel in den Handel, nachdem den Schulen allmählich immer größere, aber auch heute noch nicht völlig genügende Gelder zur Anschaffung von Lehrmitteln bewilligt wurden. Die Zahl der Firmen, die.sich ganz besonders auf die Herstellung und den Vertrieb von Lehrmitteln legten, wurde immer größer. Um nur einige zu nennen, sei erwähnt, daß sich 1866 die Lehrmittelanstalt I. Ehrhard L Comp, in Bensheim auf tat. Dann folgte 1877 die Leipziger Lehrmittelanstalt von l)r. Oskar Schneider, 1880 das Institut für chemische und phy sikalische Unterrichtsmittel von C. Bopp in Stuttgart, 1888 die Deutsche Lehrmittelanstalt von Fr. H. Klodt in Frankfurt a. M., 1889 das Fröbelhaus von A. Müller in Dresden, das einen sehr umfangreichen Katalog brachte. Dann nahmen die Barsortimente von K. F. Koehler in Leipzig und F. Volckmar die Lehrmittel sache in die Hand und konzentrierten in ihren Riesenbetrieben den gesamten Lehrmittelvertrieb, durch ihre sachgemäß bearbeiteten umfangreichen Kataloge den Buchhandlungen ermöglichend, er folgreich an dem Vertrieb der immer mehr anwachsenden und verlangten Lehrmittel teilzunehmen und ihren Wirkungskreis zu erweitern. Der Leiter der Lehrmittelabteilung des Volckmarschen Bar sortiments, Herr Paul Kretzschmar, hat auch ein Kapitel über den Lehrmittelhandel geschrieben, das sich in der soeben er schienenen siebenten Auflage des altbekannten und bewöhrteu Büchleins: »Wie ich den Buchhandel erlernte« von H. Starke (Gustav Uhls Verlag in Leipzig) befindet und einen recht guten Überblick über das Lehrmittelwesen, über Beschaffung, Aufbewah- rung, Verpackung von Lehrmitteln usw. bietet. Die Lehrmittel kataloge der beiden großen Barsortimente sind wohl in den Händen aller Firmen, die mit Lehrmitteln handeln, ebenso die kürzlich erschienenen Nachträge dazu für 1910. Als gutes Ver triebsmittel ist auch das von der Firma F. Volckmar heraus gegebene Zentralorgan für Lehr- und Lernmittel: »Der Schul- wart« anzusehen, der in größerer Anzahl zu äußerst billigen Preisen zu beziehen ist. Auch sonst erscheint noch etwa ein halbes Dutzend deutscher Zeitschriften, die ausschließlich dem Lehrmittel wesen gewidmet sind. Werke über besondere Gattungen von Lehrmitteln sind in neuerer Zeit an dieser Stelle mehrfach be- sprachen worden. Kürzlich erschien ein Werk, das zwar in erster Linie für Lehrer bestimmt ist, aber auch den Lehrmittelhandlungen, die ganze Klassen und Schulen mit Lehrmitteln ausstatten und Kostenvoranschläge einreichen sollen, sehr nützlich sein wird, nämlich: Grundstock einer Lehrmittelsammlung für die Volksschule. Ein Berater für Lehrer und Schulbehörden. Mit über 300 Illustrationen. Herausgegeben von Joseph Berchtold, Kon servator des kgl. Kreislehrmittelmagazins in München. (49, 179 S.) 1900, Verlag von Jos. C. Huber in Diessen vor München. 3 geb. 4 Die Lehrmittel sind das Handwerkszeug der Schule. Wenn nun auch die natürlichen Anschauungshilfen, zu denen in erster Linie der Schulgarten, das Terrarium, Aquarium, die Pflanzen töpfe im Schulzimmer, dann der zoologische und botanische Garten, die Menagerie, die Schulwanderungen und Schulreisen zu rechnen wären, im allgemeinen vorzuziehen sind, so sind sie doch nicht immer ausreichend. Denn das Lehrmittel hat sich nach dem Lehrstoff zu richten; die natürlichen Anschauungshilfen sind aber nicht immer leicht zugänglich, entsprechen oft nicht dem Entwicklungsstandpunkt der Schüler und erschweren manchmal sogar durch Fülle und Mannigfaltigkeit den Einblick und die klare Übersicht. In diesen nicht wenigen Fällen hat das künstliche Anschauungsmittel einzutreten, wobei jedoch stets ver sucht werden muß, diese künstliche Anschauung auf ihre natürliche Grundlage zurückzuführen. Der Berchtoldsche Grundstock will hauptsächlich dem Lehrer, der dem Reichtum der großen Lehrmittelkataloge gegenüber un- entschlossen und ratlos dasteht, die Wahl erleichtern und ihm be- hilflich sein, diese Wahl mit den zur Verfügung stehenden, ge wöhnlich nicht sehr reichlichen Geldmitteln in Einklang zu bringen. Zu diesem Zweck teilt Berchtold in seinem Verzeichnis die Lehr mittel 1. in Lehrmittel für die ungeteilte Schule, 2. in Lehr mittel für die zwei- und dreiteilige Schule, und 3. in Lehr mittel für die vier- bis siebenteilige Schule, eine Anordnung, die die Auswahl der geeigneten Lehrmittel zweifellos bedeutend erleichtert. Denn dadurch ist es jedem Interessenten möglich, eine den betreffenden Verhältnissen, Bedürfnissen und Mitteln angepaßte, auch auf das bereits vorhandene Material Rücksicht nehmende Auswahl zu treffen. Für jedes einzelne Lehrmittel, für jeden Unterrichtszweig, für jede Schulgattung ist auf Grund des Berchtoldschen Verzeichnisses ein sofortiger Kostenüberschlag ermöglicht. Bei der Auswahl der Lehrmittel für dieses war in erster Linie die unterrichtliche, den Anforderungen eines modernen Lehrplans entsprechende, ferner die künstlerische Brauchbarkeit des einzelnen Lehrmittels, sodann die Bedarfsfrage und im Zu sammenhang mit diesen Forderungen die Preiswürdigkeit maß gebend, wobei alles pädagogisch, methodisch und künstlerisch minder Wertvolle unberücksichtigt blieb. Der Berchtoldsche Grundstock wird den Lehrern, Schulbehörden und Lehrmittelhändlern (besonders den bayerischen und katholischen) ein guter Berater sein. Kleine Mitteilungen. « K. t. Akademie s«Ir Musik in Wien. — Der k. I. Akademie für Musik in Wien wird nach Genehmigung durch das Ministerium für Kultus und Unterricht eine kircheu- musikalische Abteilung angegliedert werden. Sie wird die erste staatliche kirchenmusikalische Lehranstalt in Öster reich sein. Der Lehrplan wurde von der Akademie im Ein vernehmen mit kompetenten kirchlichen Würdenträgern durchge arbeitet und enthält alle Disziplinen zur theoretischen und prak tischen Heranbildung von Chordirektoren, Organisten und Chor sängern. Zur Leitung der Abteilung wurde der in kirchenmusi kalischen Kreisen angesehene derzeitige Chorregent in Deggendorf (Bayern) Vinzenz Goller, ein gebürtiger Österreicher, in Vorschlag gebracht. Als zweite Lehrkraft soll der Chordirektor und Stiftsorganist 463*