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Doktor Karsten kam von einem Krankenbesuch durch dm Wald über dis Lichtung. Ms er die Schläferin erblickte, stockte sein Fust Das war Lona Petersen! Wahrhaftig! Hier im Moos zu liegen, wie unvorsichtig! Es fühlte sich ganz feucht unter den Fügen. Ein Aft knickte unter seinem Tritt und ritz Lona aus ihren Träumm. „Wie haben Sie mich erschreckt", sagte sie, sich aufrichtend. „Das tut mir leid, aber hier ist kein paffender Ruhe platz. Es ist sehr feucht im Moos. Das gibt einen Schnupfen, wenn nicht mehr." » Ein leichter Spott zuckte um ihren Mund. „Ich brauche Sie ja nur rufen zu lassen, wenn es mir wirklich schaden sollte." „Glauben Sie?" — Seine grvtzen dunklen Augen senkten sich fest in die ihren, die hohe Stirne zeigte eine tiefe Falte. „Sie würden wohl nicht einmal kommen, wenn ich Sie bitten lieget"' frug sie forschend. „Doch, ich würde kommen!" sagte er in eben dem ruhigen Tone wie zuvor. „Aber ich denke, es wird sich niemand einen Arzt rufen lassen, dm er für einen Puscher hält!" Ein brennendes Rot stieg über ihr Gesicht. Ihre Augen miedm die seinen, dann sah sie ihn vorwurfsvoll an. „Ich habe Ihnen das böse Wort doch damals abgebeten, Herr Doktor, und Sie haben verziehen. Warum quälen Sie mich?" Er merkte wie ihre Stimme schwankte und ihre Lippen sich aufeinander preßten, um das Weinen zu unterdrücken, das in ihre Kehle stieg. Ihr die Zand reichend, sagte er freund lich: „Ia, lassen wir's, Fräulein Petersen. Tas Ver zeihen ist eben leichter als das Vergessen. Ich werde Sie nie wieder daran erinnern. Aber nun kommen Sie, der Platz hier ist wirklich nicht günstig. Man soll nicht ohne Not gegen seine Gesundheit sündigen. Weiter unten ist ein herrlicher Fleck Erde, ebenso windgeschützt wie hier, obendrein eine prächtige Aussicht und was die Hauptsache ist, trockener Boden." Sie erhob sich ohne Widerrede und ging an seiner Seite nach der angegebenen Richtung. Ter bezeichnete Platz war wirklich einzig in seiner Art. Das gmye Tal lag zu ihren Füßen. In das Rauschen des Waldes mischt« sich von ferne das Tosen des Wehrs. Von einem feinen Dunstschleier um spannt lag gegen Osten die Abtei Merbach mit ihrem mäch tigen, weiten Steinbau, daran Motz sich Turm an Turm. Wie die Küchlein um ihre Henne scharten sich die Ort schaften um dieselben. Zu beiden Seiten des Flusses dehnten sich Felder Und Wiesen, wo das Wehr brauste, lag ^die Fabrik ihres Vaters, düster, schwarz, daneben der rote Back steinbau des Gutes; aus dem Grün des Parkes schimmerte das weitze Herrenhaus. Gegen Westen schloß die Burg ruine derer von Adelsdorf das Bild. Lona war entzückt. ,Laben Sie dieses reizende Stückchen Erde noch nie auf gesucht?" frug Karsten. „Nein, noch nie! Ich wutzte gar nichts von seiner Eristenz Die Bank hier, war die schon immer da?" Karsten schüttelte den Kovf. ^Helbing und ich haben sie erst vor drei Wochen glimmert. Ist sie nicht bequem? — Und so geschützt gegm die grellste Sonne und doch den wundervollsten Ausblick gewährend." Lona bohrte den Hohm Absatz ihres weißen Stiefels tief in den Bodm. „Sie sind befreundet mit Direktor Helbing?" ,Za!" „Schon länger?" „Gewiß! Wir waren Nachbarskinder und drückten zusam men dis Schulbank, saßen hernach auf ein und dem selben Gymnasium und absolvierten gleichzeitig. Helbing ging aufs Technikum, ich an die Universität, aber wir teilten ein und dieselbe Bude und haben an guten Tagen mit sammen gelacht und an bösm die gräßlichsten Gedanken aus geheckt. Ich fteue mich unsinnig, daß ich ihn hier habe. Er ist der edelste Mensch, dm die Erde trägt, treu, selbstlos, aufopfernd und dabei so sehr bescheiden!" Gescheiden?" warf Lona rin. „Ich finde, daß er ein fürchterlich eingebildeter Mensch ist." .Lelbing? — Nicht möglich, gnädige- Fräulein! — Hans und eingebildet?" — Karsten lachte belustigt auf. „Sie kennen ihn eben nicht. Er ist der letzte, der etwas aus sich macht, obwohl er eigentlich Grund hatte!" ,Hater sagt, daß er sehr tüchtig ist," warf sie ein. „Mir ist er nun einmal nicht sympathisch." Karsten matz sie mit einem ernsten Mick. „Nicht sympathisch, gnädiges Fräulein? Sympathie ist manchmal etwas sehr Trügerisches, wenigstens diese Sym pathie auf den ersten Blick- Sie schlägt sehr gerne ins Gegenteil um." (Fortsetzung folgte Selbstdildllis Von Manfred Hausman». Anmerkung der SchriftleUung: Mr stellen mit diesem Sekbffbild- nis einen Dichter vor, der durch seine jüngste Romaudichtuug „Lampioon küßt Mädchen und kletue Birken" (Tarl Schünemann, Verlag, Bremen) größtes Aufsehen erregt hat. Man wünscht eine Autobiographie meiner wenige» Person. Boila: Ich ereignete mich am 10. Sevtember 1898 in Lasse! als Erstgeburt. Blond, blauäugig und langschädeüg. Meine Eltern schmückte» mich mit dem poetischen und, wie man einsehes wird, zu AußergewSH». lichem verpflichtenden Namen Manfred. Die Folgen hatten sie als bald zu tragen. Kaum waren wir nach Göttingen übergefiedelt, so tat ich mich durch schikanische Heldentaten, Straßerckämpfe, Katzen morde, Obstdiebstähle und Fensterscheibeneinwürfe unter allem Boll hervor. Leider mußte ich auch zuweilen ia die Schule. Solauge vir dort deu Leistungen entsprechende Plätze hatte», war ich durchaus darauf bedacht, dereinst im Himmelreich der Erste zu sei». Ms wir später alphabetisch geordnet wurden, kam ich neben einen Jüngling zu fitzen, der mit ungeheure« Kenntnissen und einer Handschrift von erstaunliche: Klarheit begabt war. Natürlich wirkte solchen Geistes Nähe ungemein fördernd auf Lie Qualität meiner Klaffenarbrite« ei«. Im übrigen konnte ich in dieser Zett infolge süßer Gefühlt im Busen nicht umhin, melancholische Reime ans Papier zu schreibeu. Lach sah ich nachts viel in den Mond und dachte an das Mädchen, das gerade an der Reche war. Tagsüber spielte ich robuste» Fußball und galantes Tennis, schoß mit Pfett und Bogen und lies als Wander vogel selig mit Freunden zw scheu der Nordsee und den Schweizer Bergen umher. Mit einem Male erwies es sich als notwendig, von der Schulbank auf den Kasernenhos und von dort ins Feld zu ziehe». Sinu und Bedeutung des Krieges erfaßte ich - als achtzehnjähriger Sturmtruppmauu in den unheimlichen Rausch von Trommelfeuer, Gas, Wasser, Tod und Verwüstung gefüllt — nur unvollkommen. Im Sommer 1918 kehrte ich mich durchschossenem Fuß und nihilistischer Seele von der Marne zurück, arbeitete in einer Munitionsfabrik und begann bei kleinem an der Alnia Mater Georgia Augusta Gottingensts den Studiis obzuliegen. Dies getan, sprang ich kopfüber io den Strudel der Münchner Boheme. Fahrten ins Gebirge, ins Oester- reichische und Italienische, Schneeschuhuntcrnehmungeu i« Sturm und Einsamkeit folgten. Um meine besorgten Eltern ein wenig zu er- heitern, machte ich eines Faschings zwischen zwei Atelierfeßen meine» philosophischen Doktor. Danach ging es leider mit mir bergab. Den» ich sollte einen Beruf ergreifen. Die erste Hälft« des nunmehr an- hebenden Sommers faulenzte ich halkyonisch in Heidelberg als Zeit- genösse, die zweite auf dem Hohentwiel als Dramaturg der dortigen Festspiele Im Herbst wollte ich diese Tätigkeit im Kontor meiner väterlichen Mikroskop-Fabrik sortsetzen, wurde aber, unter uns gesagt, hinaus geworfen. Das war gerade Weihnachten, und da heirateten wir erst recht, meine stille und verwegene Herzallerliebste und ich, mit Standesamt, Brautkutsche und Kirchenglocken, jawohl! Das folgende Jahr hindurch thronte ich in Bremen auf dem Kontorjchemel einer Uebersee-Spedition und machte Dollars für den Boß. Schließlich wurde ich Schriftleiter bei der Weser-Zeitung. Derart auf den Hund gekommen, unternahm ich es, Novellen uud dergleichen Tand zu schreiben, auf die dann der eine oder andere Verlag Heceinsiel. Da ich nicht mehr tiefer finken konnte, gebar mein Weib ein Söhnlein zart, und wie ich genauer hiuguckte, waren es sogar zwei. Jetzt find sic schon über drei Jahre alt uud beginne», wie man so sagt, in die Fußtapfen ihres lieben Vaters zu treten. Es ist ein Jammer! Mein Weib und ich steheu ost da und lassen uns die Träneu in den Bart rieseln Haha! Man glaube kein Wort von alledem! Wir find die glück lichsten Menschen ans der Welt! Wir haben keine Sorge», kein« Kleider und kein Geld Uebrigens auch, beide, keinen Bart. Ich habe meine Stellung au den Nagel gehängt und mir in Worpswede am Hang des WeyerbergeS ein winziges Häuschen auf Kredit gebaut. Nun haben wir im Frühling den leisen Duft über dem Moor und der Geest, wir haben im Juli die Bootsfahrten aus Ler totenstille» Hamme, zwischen Schaumkraut uud Wasserliesch, wir haben iw Herbst den Sturm und die fahlen Sonnenblicke über der uneudlichen Eben«, wir haben im Winter die bläulichen Sterne, dir Nordlichter uud die Wanderungen durch die verschneite» Föhrenwälder. Wir leben so hi«. Gedankensplitter Von Felix Julius Caesar Manche stolpern sogar über Steine, die gar nicht vor handen sind. Vor den Müllwagen gespannt, ist das edelste Rennpferd minderwertig. Auch das Mundwerk ist oft ein Handwerk mit goldenem Bodeu. Auf der Weide wird auch die schönste Blume uur mü aufgefressen. Düs beliebteste geistige VewegnngsmittcI ist das Steckenpferd-