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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 02.03.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-03-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-192803023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19280302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19280302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-03
- Tag 1928-03-02
-
Monat
1928-03
-
Jahr
1928
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E.» »rotzstiWssem Mmdrrdar, berauschend, erschütternd und grausig zugleich ist das eine Wort: Großstadt! — Ein gar seltsames Gefühl durchrieselt da man chen. Fieberträume der Luft und des Schmerzes. Bilder der höchsten Schönheit und der entsetz- lichsten Laster. Ein Kaleidoskop der Farben und der Geräusche. Sinfonie des Verkehrs. Moloch der Nerven und Spenderin aller Genüsse dieses Lebens: Grossstadt! — Und doch, wie so gar märchenhaft malt sich ost in unsern Hirne» dies buntscheckige, goldstrotzenoe und dann wieder so düstere Bild neuzeitlichen Großstadtlebens. Die Wirklichkeit ist weitaus nüchterner, grauenerregen der und gewaltiger vielleicht, wie die flimmernde Leinwand sie »ns zu zeigen vermag, eindrucks voller gar, als mr- der Dichter darüber be richtet, wenn wir der Sprache der Zahlen zu lauschen verstehen. In dem in diesen Tagen zur Ausgabe gelangten Sammelwerk unter dem mehr denn bescheidenen und etwas banal klingenden Titel „Offizieller Führer der Stadt Berlin" ist unter anderen ein hochbeachtenswerter Aufsatz aus der Feder des Leiters des akademischen Arbeits amtes erschienen. Zahlen in schier endloser Reihe marschieren darin auf. Zahlen, oftmals so nüch tern und langweilig, weil niemand zu ihnen rechts Beziehung hat. Und hier Zahlen von so un erhörter Lebendigkeit, daß man allein aus ihnen eine machtvolle Sinfonie der Grossstadt, wie sie eines Beethoven oder Mahler im Reiche der Töne würdig wäre, zusammensetzen könnte. Ber lin, die 4,2-Millwnen-Stadt — ein Zehntel Preu- Hens, vier Fünftel Sachsens, zwei Drittel Bayerns der Bevölkerung nach! Seit dem 1. Oktober 1920 sind hier 94 Einzekgemeinden eine einzige Stadt geworden, — die größte Stadt der Wert der Fläche nach mit 87 814 Hektar. — Ueber die Armut erzählt der erschütternde Artikel, Groß- stadtarmut mit 3500 Blinden, 4100 Taubstum men! Eine ganze Stadt nur der Unrerstützten mit Zahlen, die der Einwohnerschaft wie etwa Magdeburg, Königsberg oder gar Bremen! 70 OM Unterstützungsempfänger! — Tann Winterbei- hilfe dieser Stadt: 3 Millionen Zentner Koh len! Das bedeutet 10 OM Waggons Kohlen, die auf ein Gleis dicht hintereinander gesteht die Strecke von Berlin nach Frankfurt a. d. Oder ausmachen. Daim Obdachlosensürsorge: am 6. Dezember 1926 waren es 3095! Heute einige Hundert weniger! — Jugendwohlfahrt: 21000 Krüppelkinder, 16 OM Hortkinder, 9000 Fürsorge- zöglinge, 16M Pflegekinder! Don 53 OM Mün- delkindern — 50 OM uneheliche! Und das Drama schreitet weiter: in Berlin nicht weniger als LOM abgeschlossene Strafverfahren gegen Ju gendliche in der Zeit von Januar bis November vorigen Jahres. Verblüht der „Krantz-Prozeß" mit seinen äußeren Sensationen da nicht jählings? — Die Familienstatistik der Großstadt, ein Fitm seltsamster und eindrucks- vollster Art: 1925 : 45 MO Lebendgeburten, LOOO Totgeburten, 45 700 Todesfälle, also — 700 Sterbende mehr als Geborene/ Das gibt -u devkm! — Zuwanderung: 1925 zugezogen 689 OM, abgewamdert 584000, also ein Plus von 105 OM l Eheschließungen im Jahre: 415 OM und — 67M Ehescheidungen, Zeichen unserer zermürbten und zermürbenden Zeit! — Vom Weltbrand sind noch viele Wunden zu Heiken oder doch wenigstens Schmerzen zu lin- Kem: noch werden 44 OM Kriegsbeschädigte von der Stadt betreut, auherdem 88 700 Krkeger- Hinterbliebone, davon ÄM Vollwaisen, 48 OM Halbwaisen, 23M Ettovnpaare und — 35000 Witwen. Und dann kommen die entsetzlichen Ziffern der Justitia, bei deren Lektüre der Menschheit ganzer Jannner u» jäh anpackt. Täglich durchschreiten die Tore der Berliner Ge fängnisse, des Zuchthauses und des Unter- suchungsgefüngnksfts — 3M Menschen in die Freiheit, also etwa 110 OM! — Die gesäurte deutsche Wehrmacht umfaßt bekanntlich nur 100000! Welch ein Vergleich, der uns in alle Tiefen erschüttert! — Mit Recht bemerkt der Verfasser des Artikels, daß man weder der flimmernden Leinwand, die uns „Sinfonien der Großstadt" zu zeigen vorgibt, noch dem nächt lichen Rumniel der „Lebestadt" Berlin, noch dem Neklameflammenmeer in den gewaltigen Straßan- zeilon Glauben schenken soll. Das wahre Berlin ist gang wo anders zu suchen. Der Verfasser gibt uns einen Wegweiser, wohin wir uns zu wenden haben. Es »väre recht gut, wenn man auch in der sogenamrten „Provinz", vor allem aber auch auf dem flachen Lande sich einmal recht bewußt würde, wie nun das Bild Berlins, der vielge priesenen und ebenso viel verlästerten Reichs hauptstadt sich in seiner „phantastischen Nüchtern heit" — uni die Paradox« zu gebrauchen — prä sentiert. Das dürfte auch zu dem langersehnten und so überaus motwenl^gm Ausgleich zwischen Land und Großstadt beitragen! Was soll aus der evangelischen Bollsschnle werden, nachdem die Verhandlungen über das neue Neichsschülgesetz gescheitert sind? Um diese brennende Gegenwartsfrage sammelten sich am Mittwoch, den 22. Februar, die Pfarrer unserer Ephorie in Flöha zu ernster Beratung. Ober kirchenrat Lie. theol. Wolf eröffnete die Tagung mit einer biblischen Ansprache, in der er den Klageruf der Hagar (1. Mose 21,16): „Ich kann nicht zusehsn des Knaben Sterben!" auf unsere Kinderwelt bezog, die aus Mangel au dem Lebenswasser christlicher Unterweisung see lisch zu verschmachten droht, weil die selige Schulerzkehung die Kinder zwar zu „tätigen Mit gliedern der menschlichen Kulturgemeinschaft", aber nicht zu Eotteskindern heranzubilden be strebt ist. Er schloß mrt der Verheißung, daß Gott, der einst der Hagar in der Wüste einen Wasserbrunnen für ihren verschmachtenden Sohn gezeigt habe, auch uns noch einmal die evan gelische Volksschule geben werde, wenn wir nur nicht aufhörsn, dafür zu beten und zu kämpfen. Pfarrer Geißler aus Dresden, Direktor des Landesverbandes Ler christlichen Elternvereine, hielt den Hauptvortrag über das Thema: „Evangelische Gemeinde und evangelisch« Schule." In nüchterner Sachlkchleit ging er von der bitter ernsten Tatsache aus, daß die Zukunft der evan gelischen Gemeinde aufs schwerste bedroht sei, wenn nicht die Zukunft eine evangelische Schelle bringe, in welcher die evangelischen Kinder von evangelischen Lehrern in allen Fächern in bewußt evangelischem Geiste unterrichtet würden. Viele befürworten die Gemeinschaftsschule nur deshalb, «eil sie eine Zerklüftung innerhalb der Schule und innerhalb der Gemeind« befürchten. Aber muß uns nicht auf alle Fälle das Evangelium höher stehen als der das Evangelium ablehnende Volksteil? Eine tüchtige evangelische Schule wird sowieso — wie das Beispiel Hollands zeigt — die weltliche Schule immer mehr verdrängen. Auch viele christlich gesinnte Lehrer sehnen den Tag herber, wo die evangelische Volksschule die jetzt so schmerzlich entbehrte Gesinnungsgemein- schaft unter den Lehrern wie unter den Schülern derselben Schule herbeiführen wird. Das Schei tern de» letzten Gesetzentwurfs darf ims nicht «tnrutigon^ fanden, muß zu beharrlicher Weiler arbett anspomm. Denn so lange bi« einschlä- gigen Paragraphen der Reichsverfasfung nicht geändert werden, muß sich der Reichstag immer wieder mit dem Reichsfchulgesetz befassen. Unter dem Eindruck dieser trefflichen Ausfüh rungen wurde ein Ausschuß gewählt, der mit dm Vorarbeiten zur Schaffung von evange lische» Volksschulen bett aut wurde. Oberpfarrer Ludwig a« Frankenberg berichtete sodann über die Bestrebungen der Allgemeinen ev.-luth. Kanferertz, unter den ver schiedenen lutherischen Ernzelkirchen der Welt den Einheitsgedanken zu wecken und zu pflegen, damit das Luthertum in der Wett die Geltung erringe, die es mit seinen 80 Millionen Anhängern be anspruchen darf. Die Gründung einer Ephoral- gruppe dieses lutherischen Einigungswerkes, der ein Drittel der Versammlung bettrat, war die Frucht dieses Berichtes. Nach Erledigung verschiedener Amisangelegen- heiten und Mrfragsn wurde di« Tagung ge schlossen. Aus dem Gemeindeleben Oeffenttiche Eemeindeorrordueteu-Sitzung in Niederwiesa am 24. Februar 1928. Das Kollegium nimmt zu Punkt 1 der Tages ordnung Kenntnis a) von dem Rechnungsabschluß der Gemeindelassen per 31. Januar 1928, b) von einer Einladung des Allgem. Sachs. Siedler- verbandes zu einem in Chemnitz am 11. März 1928 stattfindenden Siedlervortrag, c) von einem Schreiben der Verwaltungs-Akademie Leipzig über Veranstaltung eines Kursus für wirtschaft liche Verwaltung, ü) von der durch das Amts gericht Frankenberg erfolgten Verpflichtung des Bürgermeisters Bach als Ortsrichter für Nieder wiesa, e) von einem Schreiben des Herrn Hauser wegen der Mietpreise im Neubau der Allgemeinen Baugenossenschaft, t) von dem durch den Bürger meister erneut bei der Oberpostdirektion Chem nitz gestellten Antrag auf Anschluß der Gemeinde Niederwiesa m» das Fernsprechamt Chemnitz, x) von einem Dankschreiben der Hinterbliebenen des Herrn Adolf Weber für die Beileidsbezeugung bei dessem Llblebm. Auf Vorschlag der Orts» krankcnkasse wird Herr Jacob Hirschfeld dem . Wohlfahrtsausschuß zugewählt. Dem Schreiben Les Zentralverbandes der Invaliden und Wit wen, Sitz Chemnitz, in dem um Zuwahl der Mitglieder Fritz Richter und Hermann Hauk ge beten wird, kam» nicht entsprochen werden, da der Vorschlag zu spät eingegangen iß. Hinsicht lich der Schulzahnpflege beschließt man, weitere Erörterungen anzustellen. Durch Umsra"« bei den Nachbargemeindon sollen gleichzeitig die Kosten der schulzahuärztlichsn Untersuchung und Behandlung ermittelt werden. Der vorliegenden und von dem Schulausschuß vorberatonen Dienst- anwoilimg für den Schukbausmer-ter wird zuge stimmt. Desgleichen geuehungt das Kollegium gegen 5 Stimmen die im Entwurf vorliegende Badeordmmg für das Schulbcausebad. Ein hierzu gestellter Antrag, der die Beschaffung von Bade kappe»», Handtüchern und Seife auf Killten der Schulgemeinde bezweckt, wird gezon 7 Stimmen abgelehnt. Die Angelegenheit soll vorerst im Finanzausschuß und Schnlausschuß wettere Be handlung erfahren. Ein Antrag der sozialdemo kratischen Fraktion auf AmLerung der Gemeinde- verfafsung in dem Sinne, daß es den Fraktionen, die nicht in einein Ausschuß vertreten sind, er ¬ möglicht sein s»", .. ^agsberochrrg» an da» Sitzung« der tkisschüfse teikzunehma^ «fährt g«gm 7 Sttmm« «blelpnmg. Die tmvH di« Gewährung von Schulentlassenen-Bekhtlfai entstehenden Kosten werden gemäß Vorschlag d« Woykfahrtsmlsfchusses bewMigt. Den» von den» Baumtsfchuß gemachten Vorschlag hinsichtlich zweier Straßenbonmnungo» stimmt man geg« 7 Stimmen zu. Darnach soll die nach dem Grund stück des Zontralsportvereins führende Straße zukünftig die Bezeichnung „Schulftraße" und der- nach dem Neubau des Mar Büschel führende Weg die Bezeichnung „Gärtnerweg" erhätten« Ein hierzu gestellter Antrag, die neu ernannte- Schulstraße Pestalozzkstraße und den Weg zum;' Büschel'schen Grundstück Freiligrathstraße zu nonnon, findet dadurch feine Erledigung. Den' Vorschlag des Finanzausschusses, im Rechnung^ jahr 1928/29 Äs Feuerschutzsteuer pro Einheit einen halben Pfennig zu erheben, heißt das/ Kollegium gegen eine Stimme gut. Alsdann fand das durch den Baimusschuß für dass kaufende Jahr ausgestellte Wegebau- und FuA Wegherstellungsprogramm einstimmige Annahme!.' Bei dem dadurch entstehenden bedeutenden Ko^ stenanfwand hofft das Kollegium auf größtmög lichste Unterstützung des Staates bzw. des B«- zirks. Zum Ausdruck dabei kam, daß unbedingt die Oberwiesaer Dorfstraße gepflastert und mit Fußwegen zu versehen ist. In dem jetzigen Zu- stand ist diese Straße bei ungünstigen Wittes rungsverhättnifsen kaum begehbar, so daß im Interesse der Oberwiesaer Einwohnerschaft un geachtet der hohen Kosten bestimmt Wandel gell schaffen werden muh. Das vorliegende Gesuch der Arbeiter-Samartter-Kolonne findet durch Cs-, Währung einer einmaligen Beihilfe von 100 RM. seine Erledigung. Zu einem Gesuch einiger An wohner der Lichtenwalder Straße zwecks An- bringung von Straßenlampen sollen weiter« Er örterungen in die Wegs geleitet werden. MW Rücksicht darauf, daß infolge der ungünstigen Finanzlage der Gemeind« der zweite Hochbehäl ter für das Wasserwerk zur Zeit nicht gebausis ^SU-prelswert-pfsktiseK Dress vortrekklicktti Li§en«ckaLen kau» äa« jetrl »u völlig neuer Le ardeikui^^vieäd' errckrenene Dr. Oetksr's Lckulkock^ knck, ^usAakv O Lür siel» in ^nspruok »«Innen. Ls will Lür joäe Hauskrau unck ke«onüers kür üie anAekenäen ein xnter Katheder kür äie Hau«kaIlLükrnnA sein» ^enii es trÜSt üen veränderten wirtsckakt:-. LckenVerkältnrrsen LecknunAUnäkerück- »»cktiAt üie neuen korsckunßsser^ekni«8S in üer LrnÄunn^swissenseliLkL. Lsklreicks Larkins lakeln ükerk^eisck, 6emüre,ki1re, Lucken, Sorten, üker üie ^nricktekunsv «sw. vervoIIsränüiAen äie Sammlung von Lest 500 Lock-, Lack- unä Linrnacke-Le» »eptenDa« 150 Leiten starke Luckin üauer» kaktem ?appbanä ist, wo nickt vorrätige AeZen LinsenünnK von 30 Lk^. in Clarken von mir portofrei Lu deLieken. Lacken kietet Omen mein kereitr in IVIiUr- vnen-^uLa^e verbreitetes neueskarkiA illustrierte« Le reptkuck, ^uZAake ' «las kür 15 Lk§. in allen Oesckükten erkalt» Hick ist. Lie erkakren aus üem Lucke auck Väkeres üker üen vcrrü§licken Lack apparat „X ückenwunäe r", mit «lern Lie suk kleiner OaskockerLrunrno kacken, braten unü kocken können. < Dr. Oetker'« Lackpulver „Lackin", Luüäinxpulver, Vanillin - Lucker,' Oustin usw. «inä in allen Oesckakte» «tets kriscb ru kaben. ^uk äie Lckutr- marke „Heller LopO' woll. Lie bitte acbten. Or.augustOstlrsr.SisIskolrt oEeKarnsr Ilrheberreästsschutz durch Verlag Osiar Meister, Werdau (Sa.) 12 Nachdruck verbalen. Karner verhandelte zusammen mit Hattenbach mit den Direktoren der Elektrizitätsgesellschaftei» der Städte Berlin, Leipzig mv» Halle im Kon ferenzsaal des Zentral-Hotels. Ter gewaltige Fragenkompler wurde ein gehend Lurchgesprochen »md die Direktoren -staunten, wie virtuos Kavner, ebenso Hallen bach, die ganze Materie beherrschten. Jeder Punkt fand restlose Klärung, nichts wurde ver gessen, und sie einten sich restlos. Als nach einigen Stunden der provisorische Vertrag abgeschlossen war, sprach Direktor von Hotthammer im Namen seiner Kollege»» Kanrer und HMcmbcv-h einen Dank aus. Er verhehlte «richt, daß khm der unerwartet rasche Abschluß ein gut» Omen sei, das ihn hoffen lasse, Herrn Karners große Erfindung werde sich bald im Großen zum Segen für Deutschland bewähren. Danach sprach Karner einige liebens würdige Worte, und bat die Herren, am Abend seine Gäste zu sein. Um sieben Uhr hoffe er alle im Speise- faal des Hotels wieder zu begrüßen. „Wenn Sie," führte er werter aus, die Stunden, Lie dazwischen liegen, benutzen würden, um den In Frage kommenden Stellen Anwei sung zu erteilen, damit mit der Kabellegung von» unseren ALnahmestarione» zu den Werken so rasch als möglich begonnen werden kaum, dann begrüße ich das sehr." Dem Vorschlag wurde gern entsprochen. Kerne Zett verlieren! Das war Karners Motto. Zett nutzon, dabei aber den inneren Menschen selber nicht vergessen. Im Speisesaal vom Monte Carlo. Zwei Franzosen, anscheinend Brüder, mit pechschwarzem Haar und dunklen, sehr lebhaften Augen sahen dem Roulettespiel zu. Es waren zwei Großindustrielle aus Lyon, dje Brüder Bourdet. Der Etache Bernhard Espalier, ein bekannter, junger Lebemann, der mehr in Monte denn in Nom war, gesellte sich zu ihnen. „Sie spielen nicht, Monsieur Espalier?" „Nem, Messieurs! Ich Lin m einer Pechsträhne. Habe gestern zehntausend Franken verlöre»». Das Glück läßt sich nicht erzwingen. Ich werde warten." „Sehr vernünfttg! Sehen Sie den Herrn dort drüben mit dem geistvollen Gesicht? Ich gestehe, daß «h selten ein Antlitz gesehen habe, das mich so stark fesselte. Er verliert andauernd. Kennen Sie ihn?' „Won meinen Sie, Monsieur Bourdet?" „Dort den dunklen Herm zwischen dem Amerikaner mit den Koteletten »md der dicken Russin." Espalier folgte seinem Blick und nickte verständ nisvoll. „Aha! Das ist Marin» Donell, Monsieur Bourdet!" „Marim Donell? Kenne ich nicht! Der Herr ist anscheinend sehr reich?" „Ja und nein. Eigentlich ist er arm wie eine Kirchenmaus. Aber er hat einen reichen Onkel. Wenn er hunderttausend Franken verspielen will, schickt er ein Telegramm." „Sehr interessant, Monsieur Glatter. Wer ist denn der reiche Onkel? Kennen Sie ihn?" „England!" sagte der Attache nachlässig, aber er wartete doch gespannt auf die Wirkung seiner Worte. Und die Wirkung blieb nicht aus. Ueberrascht sahen ihn die Brüder an. „England?" sagte der junge Bourdet, erstaunt. „Sie scherzen, Monsieur Espckkier?" „Durchaus inicht, Monsieur Bourdet. Sehen Sie sich diesen Mann genau an. Er ist die in teressanteste Persönlichkeit Montes. Mar im Do nell ist — der Geheimagent Englands. Er ist ei» gefährlicher GegTier von einer übermenschlichen Energie, do» die schwierigste Aufgabe nicht schreckt. Wenn alle versagen, »vom» es sich um ganz be sondere Dinge handelt, dann fetzt ihn England ein. Er kostet Millionen, aber England weih, daß Lor Mann unbitzahlbar ist." Die Eröffnungen des jungen Diplomaten stei gerten das Interesse der Brüder. Ihre Augen wanderten wieder zu Markin Donell hin, der mir für die rostend« Kugel Interesse zu haben Wen. „Das ist außerordentlich interessant, was Cie uns da berichten, Monsieur Espalier. So ist Marin» Donell gewissermaßen ein Abenteurer?" „Ja! Ein großer Abenteurer! Sehen Sie sich das Gesicht an. Geistvoll in jedem Zug, energie- geladen die starken Augen. Er ist ein leidenschaft licher Spieler, aber er hat Men Zug seines Gesichts in der Gewalt. Sieht es nicht aus, als wollten die mergievollsn Augen den Lauf der Kugel bestimmen? Die spottet freilich aller Mühe. Sehen Sie, er hat wieder verloren. Er blickt sich uni. Sei» Geldgeber scheint nicht in der Nähe zu fein. Er spielt nicht weiter." Sie sahen, »sie Marim Donell mißmutig auf- g«standen war. Ein Dioner trat zu ihm und reichte khm ein Telegramm. Donell erbrach es. Mit einem Ruck strafften sich seine Züge. Hart stieß er den Sessel zurück. Ohne die anderen um ihm eines BNckes zu würdigen, verließ er den Spielsaal. Die Drei sahen ihm interessiert nach. „Was mag das zu bedeuten haben?" sagte der jüngere Bourdet nachdenklich. „Ich vermute, er hat eins» neuen Auftrag der englischon Regierung erhalten. Wer weiß es! Vielleicht ist er in weingeil Stunden m England und wird heute oder morgen mit dem Flugzeug nach Indien, China »der sonstwohin fahren. Er ist überall zu Haufe, spricht sieben Sprachen, und inan weiß nicht, welcher Natton er angehört." „Ein interessanter Mensch!" gestanden die Brüder. Der Attachä hatte recht geraten. Marin» Donell hatte einen neuen Auftrag aus England erhalten. 3. Es war Ende August geworden. Die Baronesse Ann« Walthaus saß auf der Terrasse des Schlosses Walthaus kn Schlesien und sah di« letzten Erntewagen von den Wurm Heimkehr««. , . D«r Jag war heiß. Gewitterschwüle lag m der Luft »md bedrückt« die Schonende. Tag um Tag sah sio auf der Terrasse m»d sah über das weit« Land, tt«ß ihren Blick bis zu den Borgen des RiesMgMrges, die in der Ferns sichtbar warm, schwekfm. Tag um Tag, mit. dem gleichen hart« Gesicht. Sie trauerte um den abgöttisch geliebten Bruder, um de» Grafen Martin von Walthaus,! der vor zwei Jahren gestorben war. Nur si«! wußte, daß er feinem Lebe» freiwrllig ein Eno« gemacht hatte, um des Weibes willen, das ev sich einst erwählt. Sie hatte an den Bruder mit allen Fasern ihres heißblütigen Herzens gehangen, sie hatte ihn geliebt, tiefer und inniger, als man sonst! einen Bruder liebt. Nach zwei Jahren hatte sie noch nicht verwunden, daß der Bruder tot in de« Gruft der Ahnen lag. Martin tot! Tag um Tag sagte sie es sich Tag um Tag' kämpfte sie um den Frieden der Seele. 'Doch si« fand kein Ende in ihren Trauern. Das «Hedem so weiche Jungmädchengesicht war hart geworden! Schöner noch als vordem, aber hart, fo hart-, daß es Graf Maximilian Walthaus ins Herz schnitt, wenn er in das Antlitz feines Kinde; sahj Er war ein hoher Fünfziger, dem damals de» Tod seines Jungen das Lachen und Freuen nahm- Wem, nicht seine Tochter noch gelebt hätte, wahvl lich, es wäre nichts mehr gewesen, was ihn a» diese Wett gebunden hätte. „Fräulein Anne, Lie Zeitungen," hörte sitz hinter sich die Stimme des alten, grauen Dieners Marr. „Es ist gut, lieber Marr," sagte sie sanft, „Legen Sie alles auf dm Tisch." Doch der atte Dimer blieb stehen. Ann» wandte sich um und sah ihn erstaunt an. „Was ist Ihnen, Marr," fragte sie herzlich. „Si« find so erregt!" Der alte Diemer Marr nickte, »md sein« Auge« irrten angstvoll von ihrem Antlitz auf die Zeit en, di« er auf dm Tisch gelegt hatte, uni» wieder zurück zu ihr. „Fräulein Anne," sagte er heiser. „Ich — ich werde verrückt. Ich hatte das nicht mehr auÄ Si« trauern zwei Jahre um d«>» Bruder. Ich —- mir ist's nicht anders. Nein, nein, ich kann's nicht fassen, daß er tot ist! Es »st ja Walmsinn, -M kann ja nicht sein! Aber ich kann doch nicht —> »md —l" (Fortsetzung folgst)
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