Suche löschen...
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 31.12.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-12-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-192712319
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19271231
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19271231
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-12
- Tag 1927-12-31
-
Monat
1927-12
-
Jahr
1927
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
1. Beilage zunr ^vankenbevger Tageblatt Nr. »«4 Sonnabend, den »Z. Dezember L»S7 8i». Jahraaua » - 1928. Ein neues Horoskop. Katastlophen und Streiks. — Politische Verwicklungen. — Deutschland wird es am besten haben. — Untergang des Bolschewismus? Von Kaspar Murner. Wieder einmal stehe» wir vor dem neuen Jahr wie vor einer verschlossenen Tür: niemand ahnt, was es uns verborgen hält. Aber um all denen, die auf Wahrsagen, Kartenlegen, Horoskope und Bleigießen schwören, ihre Ruh« wiederzugeben, will ich es gleich vorwegnehmen: uns in Deutschland geht eg gut im Jahre 1928 — behaupten die Astrologen! So zahlreich wie die bekannten Wege, die nach Rom führen, ebenso zahlreich sind auch die Versuche, das Schicksal zu befrage», die einen werfen eine Apfelschale in die Gegend und erforschen die Runen, die sich aus der Lage der Schale ergeben, die anderen beugen sich vor dem „weisen" Kaffecgrund. Die einen zahlen Tausend« für ein Eeiftergespräch, das ihnen ein Medium ver- inittelt, die nächsten warten auf eine Sternschnuppe, um zu sehen, ob ihr größter Wunsch in Erfüllung geht. Biele nehmen ihre Zuflucht zum Spiritismus, andere gehen sogar bis zu den Sternen. Aber nicht nur dumme, leichtgläubige Wünschen wollen das Schicksal ergründen; auch ernsthafte Forscher haben es gar eilig und möchten gern vorher Bescheid wissen und gewappnet sein gegen alle Unbill, die da kommen könnte. Und trotzdem kann ich persönlich das Gefühl nicht loswerden, ob es nicht ratsamer lei, einfach abzuwarten, was das neue Jahr bringt, denn — irgend etwas muß es ja wohl bringen«? Aber wir wollten ja einmal sehen, wie es auf unserer liebe» alten Erde im nächsten Jahr zugehen soll, d h. was uns die Astrologen in Aussicht stellen. -Zahlreiche Bücher fliegen wieder in die Welt hinaus, Kalender, die jeden Tag des nächsten Jahres analysieren und feststellen, roas an ihm passieren wird. Manche Wahrsagungen stimmen überein, andere widersprechen sich bösartig. Da finden wir zunächst recht viel Naturkatastrophen; Ueber- schwemmungen und Wolkenbrüche überfluten die Länder. Stürme verursachen große Schiffsunglllcke, Erdbeben kehren das Unterste 'zuoberst. Auch der Vesuv soll sich im nächsten Jahr wieder ein mal in unliebsame Erinnerung bringen. Schließlich ereignet sich in Europa noch eine folgenschwere riesige Explosion, die lange von sich reden machen wird. Die Wirtschaftslage ist im allgemeinen recht ungünstig Im kommenden Jahre. Zahlreiche große Streiks führen zu Unruhen, die Börsen werden viele „schwarze" Tage erleben müssen und 'ansehnliche Finanzunternehmen hierbei ihren Tod finden. Von den einzelnen europäischen Ländern wird es Deutsch land ^endlich einmal!) am besten gehen! In seiner Politik wird sich nichts Nennenswertes ändern, doch soll die Anbahnung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Frankreich und Deutsch land bevorstehen. In Frankreich scheint man nicht allzu gut wegzukommen lm nächsten Jahr, denn in seinen Kolonien werden Unruhen aus- frechen. Frankreich wird viel Energie aufbringen müssen, nm sie überhaupt niederschlagen zu können. Für England sicht es ganz böse aus. Es wird in einen Krieg perwickelt und hat schwere Kämpse in Asien durchzufechien, bei heuen Rußland auf Seiten des Gegners ist. Italien hat seinen Desuvausbruch und wird darüber zunächst Politik und andere Soraen veraesien. Um aber all diese Vorgänge noch grauenhafter, plötzlicher und überraschender zu gestalten, hat sich das Wetter auch allerlei vorgenommen. Wir werden z. B. den plötzlichen Uebergang von schlimmer Kälte zu noch schonerlicherer Hitze erleben. Mit einem Wort: uns kann da allerlei Nettes blühen, wenn auch nur die Hälfte von dem eintrisft, was die Astrologen und Hellseher vom Jahre 1928 erwarten. Das Schlimmste aber steht Rußland bevor; ihm droht nicht mehr und nicht weniger als der Untergang des Sowetsterns. Denn das Gestirn, das für Rußland am Himmel leuchtet, hat dem Sowjetstern den Fehdehandschuh hingeworfen; es duldet «keinen Nebenbuhler. Auf welche Art jedoch die himmlischen Sterne ihrem irdischen Genossen eins auswischen wollen — das vermag zurzeit noch nicht einmal die Phantasie eines Hellsehers erforschen. Uns armen Sterblichen mag es genügen: beide Sterne wollen miteinander kämpfen; wollen wir wetten, wer gewinnt? Denen, die etwa in Deutschland einen Umsturz vorhaben sollten, gilt die Warnung: Vorsicht! Denn im Rat der Gestirne für das Jahr 1928 wurde beschWen, keine früheren Zustände, keine früheren Führer wiedcrkehren zu lassen; es gibt nichts Altes, es gibt nur noch Veränderung im Sinne einer — Neu einrichtung! Das Nene soll sich endlich durchsetzen — bei uns, wie überall in der Welt! Oder ist es vielleicht nicht neu, wen» wir an einem Tage frieren und uns wollene Handschuhe kaufen und am nächsten Tag schwitzen und nicht wissen, wo wir unseren Sommerhut gelogen haben? Oder ist es nicht neu, wenn himm lisch« Sterne gegen einen Sowjetstern zu Felde ziehen, Streiks und Unruhen von links kommen und Umwälzungen nach rechts doch zwecklos sind, oder wenn Frankreich und Deutschland sich verbrüdern und es Deutschland gut geht und Frankreich vor lauter Angst nicht weiß, was es machen soll? Auf eines nur bin ich gespannt —: auf ein Landschaftsbild, das man 1928 malen würde. Da mühten die Wiesen mit Schnee bedeckt liegen; durch den Schnee leuchten die bunten Blumen; da müste der Vesuv Asche streuen, und die Lava müßte vor Kälte Herinnen. An den Ufern der Meere liegen die Reste gesunkener Schiffe, die See- und Erdbeben dorthin verschlagen haben. Die Stürme fegen über das Land und fegen mit dem Schnee die reisen Früchte von den Bäumen, denn — Winter und Sommer sind eins! Wolkenbrüche bemühen sich. Flammen zu ersticken, die, durch Exxplosionen hervorgerufen, gen Himmel flackern. Mit einem Wort: es gibt noch etwas zu erleben im Jahre 1928 . . . Maler, haltet eure Paletten bereit, Reporter spitzt eure Bleistifte und. brav«.Mitbürger unseres Vaterlands —: laßt euch nicht Vang« machenl .. - Zum Schluß noch eine Bitte: sollte alles Vorausgesehene für 1928 nicht eintreffen, dann hebt es euch auf; vielleicht bekommen wir all die schönen und die weniger erfreulichen Dinge nur wie Medizin tropfenweise gereicht; vielleicht gibts im kommenden Jahr nur einen warmen Sommer und erst 1929 den kalten Winter; vielleicht genügt es den Wolkenbrüchen, wenn sie nur als gelinde Regenschauer auf die Welt kommen, und vielleicht liebäugeln Sowjetstern und Stcrnlcin am Himmel nach wie vor miteinander und necken sich bloß, ohne sich wehe zu tun. Eins jedenfalls ist sicher: — gui vivra, verrat Sühne -es Ledens und Leden -er Sühne. John Bellis ist der Londoner Henker, dessen Ausgabe es, seinem Beruf entsprechend, ist, als handelnde Person in de» sünsten Akt menschlicher Tragödien „ein- und abschneidend" ein- zngreisen. Kürzlich wurde ihm der dienstliche Befehl, sein trauriges Amt an einer Frau auszullben. Trotzdem er nun seit geraumer Zeit sein Gewerbe treibt, hat ihn diese Handlung doch so er- »rissen und erschüttert, daß er eilten völligen Nervenzusammen bruch erlitt und nicht mehr imstande ist, weiter das Schwert tm Dienste der Justiz zu führen. Nun ist John Nellis aber ein Mann in den beste» Jahren, und das Einkommen aus seiner bisherigen Stellung war keines wegs dazu angetan, so viel zu erübrigen, um einen sorgenlose» Lebensabend zu verbringen. Er muß sich also nach einem neuen Beruf umsehen, und das ist gar nicht einfach. Da er aber im Laufe der Zeit gesehen hat, daß nur 'die Sensation ertragreich ist, hat er sich entschlossen, nach seinem Abgang von der blutigen Bühne des Lebens nunmehr sein Leben der Bühne zu widmen. I» den nächsten Tagen wird er im Großen Theater von Graves End in einem melodramatischen Schauerstück auftrelen, das den Titel „Die Abenteuer des berühmten Verbrechers Charle- Peace" führt. Er stellt darin die Rolle eines Nachrichters dar, und es wäre wirklich interessant zn erfahren, wie er sich in diesem neuen Beruf fühlt. Dre heilige Scheiterhaufen. Obwohl die Zivilisation seit Jahren solche Fortschritte ge macht hat, daß mittelalterliche Strasmethoden, wie der Scheiter haufen, inzwischen auch in erotischen Ländern, die unter der Oberaufsicht europäischer Staaten stehen, strengstens verboten sind, hat kürzlich doch, dem ausdrücklichen englischen Befehl zu wider, in Indien eine Witwcnverbrennung stattgesunden. 1b 990 fromme Hindus versamnielten sich zu Bahr im Patna- Gebiet, um den Zeremonien beizuwohnen. Die Menge war der artig fanatisiert, daß der Vorgang unter.den Augen der Polizei geschehen konnte, die es nicht wägte, irgend etwas gegen die Massen zu unternehmen Erst als der Scheiterhaufen bereit« brannte, griff die Behörde ein und versuchte, die Unglückliche aus den Flammen zu retten. Aber sie hatte schon so schwere Brandwunden davongetragen, daß sie ihren Verletzungen erlag. Tot wurde sie in den Eangessluß geworfen. Als man die Leiche aus dem Strom herauszog, war zwar eine große Polizeitruppe ausgeboten, aber die Menschenmasse ließ sich nicht zurückhalten, sondern stürzte sich auf den Leichnam und beraubte ihn der verbrannten Kleider. Die versenkten Stossetzcn von einer sogenannten „Sutte" gelten nämlich in Indien als besonders geweihte Reliquie, und man zahlt für ein solches Stofsstück große Beträge. Die mo-erne Lrau un- -ie alte Griechin. Wenn immer behauptet wird, daß die völlig veränderte Kultur unseres Jahrhunderts mit der des klassischen Hellenis mus keinerlei innere oder äußere Beziehungen mehr hat, so ist das nach der Ansicht einer Schulvorsteherin in Fontenay-aux- Roses in der Nähe von Paris völlig unrichtig. Diese weise Dame hat nämlich ihren Schülerinnen in langer wohlgesetzter und wohlgemeinter Rede erklärt, daß es völlig falsch sei. sich der Mode des Bubikopfes anzuschließrn. Sie ver wahrte sich dagegen, daß man ihr Rückständigkeit vorwtrst, aber sie meint«, daß das Bewährte des Altertums hochgehalten werden müsse. Und wenn die Jahrtausende das Wesen des Lebens s» völlig verändert hätten, daß alle Spuren jener glänzenden Kulturepochen bis auf Ruinen verwischt seien, so sei es gerade deshalb höchste und heiligste Pflicht der Frau, das lange Haar, das man in Athen so sehr zu schätzen wußte, auch heute noch zn tragen zum Zeichen, daß man imstande sei, die Werte des Klassizismus zu ehre» und zn achten. Es ist nur zu fürchte», daß der gute Wille und die gute Meinung dieser Bildnerin der Jugend in ein Nichts verlaufen wird und die Damen trotzdem weiter mit Freuden ihr Haupt haar der Schere opfern werden. Toöeskampf auf öem Meeresgründe. Zur Katastrophe des amerikanischen U-Boots. Von Kapitänleutnant H. v. Schleiß. Mit Volldampf strebt der Zerstörer dem nächsten Hafen zu, durch das klaffende Leck am Bug strömt die See. In wenigen Stunden wird er vollgelaufen sein. An der ganzen Küste herrscht .kleberhafte Erregung. Ueberall wurden die kargen Einzelheiten her Katastrophe vernommen, die das Schiss in Mitleidenschaft ^og: Der Steuermann steht vor sich rn den Wellen eine Stange. Eines jener Zeichen, mit dem die Fischer ausgelegte Netze kennt- qilb machen. Er war wohl selber einmal Fischer, will den schwer Mampfenden keinen Schaden antnn, drückt das Steuer leicht bei- leite und ist für einen kurzen Augenblick befriedigt da Hebt sich die Stange, ein grauer Stahlkörper taucht darunter 'ans der Flut der Turm einöd Unterseebootes, das der ent setzte Mann auf der Brücke erkennt und in diesem Augen blick bäumt sich das Schiff hoch empor, scheint aus dem Wasser zu fliegen, ein scharfer Knall zerreißt die Luft, der Vorderteil pes zum Tode getroffenen Bootes reckt sich für eine Sekunde Impor, der eigene Schiffskörper sinkt wieder zurück, in gur- Mlndes, aufgeregtes Wasser, dann fährt er wieder allein über die ruhige See und nichts als ein schillernder Oelfleck gibt Kunde davon, daß wohl dreißig Menschen für immer in die stacht versunken sind, aus der sie eben emporsteigen wollten. Nit zitternden Händen, seiner Sinne kaum mächtig, nimmt der Offizier den Standort des Schiffes auf und kehrt dann den Bug Pes schwer verletzten Schisses der Küste zu, auf die Rettung der ihm anvertrauten Menschenleben bedacht. In den Häfen an der Küste aber rafft man sich aus dem ersten, lähmenden Entsetzen zur Arbeit auf. Und während der Draht und die Aetherwellen die Schreckensbotschaft nach aller Welt weitergeben, ein Kontinent, eine Welt entsetzt aushorcht, rüsten tausend Hände, um di« Kameraden ans der furchtbaren Lage zu befreien. Natürlick, hat die Marincleitung Vor kehrungen für de» Eventualfall getroffen, natürlich bestehen Verordnungen und Verfügungen, nach welchen man sich zu richten hat. Aber der letzte Arbeiter und Matrose ist plötzlich ganz anders als sonst an der Ausführung dieser Befehle interessiert. Sie sind daran gewöhnt, dem Tod ins Auge zu sehen, sie sind daran gewöhnt, daß Kameraden nicht mehr den Hase» erreichen. Ssemannslos! Der Tod in den Wellen — das ist das natürliche Ende. Aber von den Wassern eingeschlossen, im stählernen Ge- fängnis ersticken, verrecken, mit bebender Hoffnung, ohne Luft und ohne Nahrung nicht leben und nicht sterben zu können das ist zu entsetzlich, zu unmenschlich, als daß cs auch das „er- Härtelste Gemüt nicht bis auf de» Grund aufwühlcn müßte! Nach Stunden brausen die Motorkutter üvdr die Unglücks- stelle, an ihren Instrumenten sind die Offiziere bemüht, die Stelle wiederzufinden, die der Zerstörer angab. die Taucher reffen an Bord ihre Vorbereitungen zum Abstieg, an ver- chiedenen Stellen erreichen sie den Meeresboden, leuchte» mit hren Scheinwerfern den schlickigen Grund ab, stoßen nach langem vemühen auf einen langgestreckten schwarzen Schatten — — das verunglückte Boot. Durch ihren Helm dringt kein Laut an ihre Ohren, Ruhe und Frieden herrscht 30 Meter unter dem Meeresspiegel, als ob das stählerne Ungetüm von Anfang an, seit Jahrtausenden hier, in den Schlick gebohrt in ewigem Schlaf verharren würde. Zweifel müssen selbst diese im Berus er grauten Menschen befallen, ob hinter der dunklen Wand sich noch Leben regt. Fast scheint es unmöglich zu sein. Sie versuchen durch das Leck cinzudringen, durch die Todeswunde, die das Kriegsschiff dem leichten Boot beibrachte. Vergebens! Ver- bogene Träger, zertrümmerie Bleche stellen sich ihren plumpen, gehemmten Bewegungen entgegen. Und nun beginnen sie eine mühselige, nervenzcrmürbende Arbeit, klopfen mit ihre» Hämmern die lange Wandung des Bootes ab, legen ihre Mikro phone an die Schiffshant und lauschen mit höchster Anspannung, ob sich irgend etwas regt, ob ein leises Klopfen. Scharren ihnen. Antwort gibt, die Antwort, die sie ersehnen: wir leben, wir hoffen — auf Rettung. Einer hat Glück. Berichtet nach oben, daß sechs Ueberlcbende auf ihre Tatkraft vertrauen. Nach Sekunden weiß es di« ganze Welt. Sechs Gefangene auf dem Meeresgründe zählen auf ihre glücklicheren Brüder. . . Aus den Hafenstädten schleppen schnelle Dampfer die großen, eisernen Pontons heran, die dem zu hebenden Boot den nötigen Halt geben sollen. Winden, Krahne recken sich auf den Schiffe» der Rettungsflottillc. Auf dem Meeresboden versuchen die Taucher, Stahltrossen am Bootskörper zu befestigen. Die Nacht brfcht an. Ein Sturm erhebt sich, treibt die Flottille ausein ander, bringt die Pontons zum Kentern, zwingt die Helfer, von vorne zu beginnen. Kostbarste Zeit ist verloren! „Wir öffnen die letzte Sanerstosslasche —" so berichtet ein schwacher Klopfton dem horchenden Taucher. Flugzeuge gehen auf der See nieder, brtnge» das leichte Heliumgas, Vas das Boot heben soll, Sauer stoff und flüssige Nahrung für die Eingcschlosseiren. In unfag- bar mühevollster Arbcil versuchen die Taucher, den Ein- geschlossenen Luft und Nahrung durch ein Torpedorohr zuzu- führen. Vergebens! Nur wenige Zentimeter von den harrenden Unglücklichen getrennt, vermögen es die braven Männer nicht, den Eingeschlosscncn Hilfe zu bringen, den Tod so lange zu be kämpfen. bis die Arbeit auf der Meeresoberfläche seinen Schatten verfchcncht. Was die gewaltige Technik des Jahrhunderts zu leisten ver mag — das wird hier geleistet. Was in vielen Jahrzehnten an Erfahrungen gesammelt wurde — das wird hier angewandt. Was der menschliche Geist, der menschliche Körper in viel stündiger Arbeit verrichten kann — das wird hier verrichtet. Lumpige dreißig Meter Wasser, nein, zwanzig Zentimeter Stahl trennen die Retter von den Todgeweihten. Von den Todgeweihten! Die letzte Flasche Sauerstoff, das letzte Stückchen Zwieback und — das letzte Fünkchen Mut und Hoffnung schwinden dahin. Der Atem wird kürzer, schneller, di« Pulse fliegen, dumpfer Schmerz zermartert das Gehirn. An der Wand klovfcn, scharren, arbeiten die Retter durch die grausige Stille : Brüder, Mut! Wir kommen! ' — zu spät . . . wohltätig ist -es Leuers Macht. Als der selige Schiller diese Worte schrieb, war cs sichet tiefste Erkenntnis, die fein Geist ihm diktierte, ohne daß er im stande gewesen wäre, in die Zukunft zu schauen. Wie wohltätig aber diese Macht des Feuers ist, sieht man an den Amerikanern, die sich des Feuers nicht nur zu technischen, sondern auch zu anderen Zwecken bedienen, auf denen uns der Gebrauch dieses Elementes höchst absonderlich vorkommt. In Chikago wird in den nächsten Tagen plan- und sach gemäß eine große Feuersbrunst angelegt werden. Es handelt sich dabei um ein fünfstöckiges Gebäude, das in einer der Haupt straßen dieser zweitgrößten Stadt Amerikas steht, und das niedergelegt werden soll. Man ist nun zu der Ueberzeugung gekommen, daß es kein schnelleres und besseres Mittel gibt, ein Gebäude zu vernichten, als das Feuer, weil viele Dinge zu Asche verbrennen, deren Abtransport sonst recht unbequem wäre. Die Feuerwehr wird ihr Augenmerk daraus richten, daß benachbarte Bauten in keiner Weise gefährdet oder beschädigt werden, und in wenigen Stunden wird so das einst stolze Haus zu einem Nichts oder einem trostlosen Trümmerhaufen ge- worden sein. Der Amerikaner, der es so glänzend wie kein anderer auf der Welt versteht, ans einem Nichts Geld zu schaffen, macht sich aus dieser Angelegenheit ein besonderes Geschäft, indem die Fenster der gegenüberliegenden Wohnungen zu nicht geringen Preisen vermietet werden; denn die Schar derer, die diesem seltsamen Schauspiel bcizuwohncn wünscht, ist begreiflicher weise groß. Der Traum bringt'» an -en Tag. ! Der Krug geht solange zu Wasser, bis er bricht; das ist ei» altes Sprichwort, das sich kürzlich gelegentlich einer Gerichts verhandlung in Düsseldorf wieder einmal als richtig er wiesen hat. Man saß dort über ein Verbrechen zn Gericht, das langst vergessen war und nur durch einen Zufall scine Sühne fand. In der Nähe von Düsseldorf hatte man vor längerer Zeit eine Leiche aus dem Rhein gezogen, die mit Steinen beschwert war, und deren Kopf die Wunden von zwei Nevolverkngeln auf wies. Es war nicht möglich, die Persönlichkeit des Toten fest» znstcllen, so daß man ihn beerdigte, ohne zu wissen, wer er sei. Als ein Arbeiter mit einem Freunde, den er zufällig auf der Straße getroffen hatte, zechte und beide dann gemeinsam eine Herberge aussnchten, sprach der Arbeiter im Traum, und der Freund vernahm deutlich die Worte: „Schmeißt ihn in den Rhein, Strick um den Hals, Stein anbinden" — ...... Der Freund teilte seine Beobachtung der Polizei mit, diese nahm den lauten Träumer ins Verhör, und. in die Enge ge trieben, gestand dieser die Tat Die Leiche wurde exhumiert, und aus diese Weife stellte man tatsächlich scsi, daß der Arbeiter der Mörder war und die Papiere des Toten in seinem Besitz hatte. Nur durch den unvorsichtigen Traum ist also dies« dunkle Angelegenheit ans Tageslicht gekommen . , .
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)