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41 halten; der Richter bemühte sich aufs Rathaus; die Gerichtsbücher behielt der Stadt schreiber bei sich im Amtszimmer. Wir werden dem Stadtschreiber die Eigenmächtigkeit, mit der er hier einen alten Zopf abschnitt, nicht als Pflichtverletzung auslegen, zumal der Betroffene, der alte Richter Georg Matthes, damit einverstanden war. Der neue Richter, Wolff Geyer, aber berief sich auf seinen Schein und setzte es durch, daß die Eerichtsbücher ihm wieder übergeben und die Gerichtsverhandlungen wieder in seiner Wohnung oorgenommen wurden, wie es in der Zeit vor Einsetzung des Rates gewesen war *). Merkwürdigerweise läßt sich dieser Sachverhalt aber nur aus der Urkunde 20 erschließen, nicht auch ans den Amtshandlungen nachweisen, von denen die Nieder schriften im Gerichtsbuch vor 1540 Kunde geben — oder doch nur in einem Falle, den wir bald kennen lernen werden. Im Gerichtsbuch heißt es vielmehr von Anfang an (also auch in der Amtszeit des Richters Georg Matthes, der von 1529—38 tätig war) bei der Mehrzahl der Einträge: „... hat N. N. ynn gericht an creff- tigcmortt (einmal auch: an geburlichemortt) ..." Manchmal schreibt Hager statt „ynn gericht" auch „vor Gericht". Da der Streit zwischen dem neuen Richter und dem Stadtschreiber auch einen tatsächlichen Hintergrund gehabt haben muß — er scheint sogar ziemlich heftig gewesen zu sein /- so bleibt nur die Annahme übrig, daß die Angabe des Verhandlungsorts im Gerichtsbuch vor 1540 nicht wörtlich zu nehmen, sondern (wie im Verzichtbuch; vergl. S. 41 Fußnote 1!) als feststehende Formel aufzufassen sei. Bis zur Herstellung des früheren Zustandes durch den Schosser ist also mit dem „Gericht" nicht das Erbgericht, sondern das Rathaus gemeint. Im Stadtbuch von 1527 findet sich auch einmal in einer Niederschrift aus dem Jahre 1537 auf Bl. lrv die Angabe: „an crefftigem Nadis vnd gerichtsortt". Im Rathaus fanden die Verhandlungen „yn der grossen Nadtsstuben" statt (Stadtbuch v. 1527, Niederschrift auf Bl. lrrrj aus dem Jahre 1541). Im Eerichts buch von 1537 ist in einer Niederschrift auf Bl. Eviij aus dem Jahre 1540 nur rz Mit der Entscheidung des Schossers über die Gerichtsbücher hängt wohl auch der etwas dunkle Eintrag im Stadtbuch von 1527 auf der Rückseite des Titelblattes zusammen: „Anno 1540 ist durch denn Radt beschlossen, das die Stadt vnd vorczichtbüchcre alleczeit bcy itzlichem borgermcyster bfunden sollen« werden: wie vor alders gescheen." Es sieht fast so aus, als habe sich der Rat am Schosser und besonders am Richter reiben wollen. Nach den Einträgen im Berz ich tbuch, das übrigens erst 1540 angelegt worden ist, wurden die Dcr- zichtcrklärungen, auf deren Inhalt wir im weitern Verlauf unsrer Ausführungen noch eingehen müssen, bis zum Jahre 1544 stets vom Richter cntgegengenommcn. Wenn also der sbcngcnannte Beschluß des Rates durchgeführt worden ist, mußte der Richter zu jeder Berzichterklärvng aus auf das Rathaus kommen. Wie du mir, so ich dir! Im Laufe des Jahres 1544 scheint der Richter Wolff Geyer diese Bemühungen aber satt bekommen zu haben. Schon vorher hatte er sich einige Male durch den Bürgermeister vertreten lassen, der dann als „gebethener Richter" bezeichnet wird. Gegen Ende 1544 verschwindet dann der Richter ganz aus den Nieder schriften nn Verzichtbuch. Von nun an leitete der Bürgermeister die Verhandlungen. — Wenn es übrigens in den Niederschriften von 1540—44 immer heißt, daß die Erklärungen „ynn gericht" abgegeben worden seien, so ist das wohl als ein formelhafter Ansdruck aufzu fassen, der nur bedeutet „vor dem Richter", nicht „im Erbgericht". Der Gerichtsort mutz, wenn der erwähnte Ratsbeschlutz durchgeführt worden ist, für die Verzichterklärnngcn das Rathaus gewesen sein. Nachdem der Bürgermeister Bcrhandlungsleiter geworden war, heißt es im Verzichtbuch „vor Borgcrmeister und Schoppen" oder „an crefftigem Radts- n. Eerichts- ort" oder „vor Radt und Gericht" oder „an gcburlichem Radisort" oder kurz ,mn crefftigem ort" oder „an geburlichem ort". — Angefügl sei hier, daß auch beim zweiten Stadtschreiber, Palten Helbigk d. I-, im Alter die Bequemlichkeit über die Vorschrift gesiegt hat. Im Gerichtsbuch sind nach dem letzten Eintrag Balten Helbigks ans dem Jahre 1573 (!) auf Blatt crcv (----195) drei Blätter ausgeschnitten. Dazu bemerkt der dritte Stadtschreiber, Donat Hübler, auf Bl. 195 b und 196: „Solches ist nach Absterben des Stadtschreibers Balten Helbiges also befunden wordenn, diewenll er diß buch bißweylen Inn lei- nervorwarsam gehabt. Do man nun nicht Wissen kann wie es damit zugegangcn, Dnnd wer es ausgeschnitten haben möchte. Xct. den 2 Nouembris Ao. 98 geschrieben In Kegenwardt H. Johan Riedels B.(ürgermeisterr) vnd Martin Vogelsangs Richters. Balten Helbigk hat also feit 1573 überhaupt nichts mehr in des Gerichtsbuch eingetragen; seine letzte Niederschrift im Stadtbuch stammt aus dem Jahre 1579; dos Berzichtbuch schließt im Jahre 1572. Donat Hübler beginnt seine Tätigkeit im Stadtbuch noch zu Lebzeiten Palten Helbigks i. I. 1581, im Gerichtsbuch nach dem Tode desselben i. I. 1598.