Volltext Seite (XML)
Auch Gonda erhob sich. „Doritje!" „Gleich wird der Wagen drüben aus dem Walde biegen", sagte er, seine Erregung kaum verbergen könnend. Mit gespannter Aufmerksamkeit sah er nach dem Walde hinüber. Mit einem wehmütigen Lächeln sah Gonda in sein erregtes Gesicht. Glückliche Dorit! Wie wurde sie geliebt. Wie herrlich mutzte es sein, von einem Manne so geliebt zu werden. Jetzt wurde das große Auto Mynheer van der Straatens sichtbar. Gonda und Frank Herold verließen die Veranda und sahen dem Wagen wartend entgegen. Schnell näherte sich derselbe, eine Minute später lag Dorit in Gondas Armen. Ihre Dienerin Damber stieg langsamer aus und blieb war tend stehen. Frank stand neben Gonda und sah mit strah lenden Augen in Dorits Gesicht. Dann schickte er Dorits Dienerin mit Nitma ins Haus, dieser gebietend, daß alles zur Erfrischung der angekommenen jungen Dame bereit ge halten wurde. Dorit wandte sich nun mit lachenden, aber etwas er regten Blicken an Frank Herold. „Guten Tag, Herr Direktor, das ist ja schön, daß ich Sie auch gleich antreffe." Damit reichte sie ihm die Hand. „Ich hatte die Ehre und das Vergnügen, von Frau Rakf- ner zum Frühstück eingeladen zu werden," erwiderte Frank Dorits Hand mit warmem Druck umfassend. „O, da halte ich natürlich auch mit. Ich habe einen Mordshunger nach der langen Wagenfahrt. Aber erst «in Bad und andere Kleider, dann bin ich zu allen Schandtaten bereit und werde mich auch vor dem opulentesten Frühstück nicht mehr fürchten." Di« Diener hatten Dorits Koffer abgeladen und in das zaus g-rragen. Gonda führte Dorit selbst in die für sie bestimmten Zimmer und überlieg sie dann ihrer und einer anderen Dienerin, die sie zur Badestube geleiteten. Frank sorgte inzwischen dafür, daß der Chauffeur erfrischt wurde, ehe er mit dem Wagen wieder nach Tulah zurücksuhr. Nach sehr kurzer Zeit erschien Dorit schon wieder, frisch und rosig in ein duftiges weißes Kleid gehüllt, das dir Unterarme und den Nacken frei ließ, auf der Veranda. Sie sah aus wie das blühende Leben selbst, und es war kein Wunder, daß Frank mit heißen Augen zu ihr hinüber- sah. Gonda und Frank freuten sich an Dorits gutem Appetit und an ihrer Munterheit. Wo Dorit weilte, gab es keine traurigen Gesichter. Sie war so übermütig, so voll Drollerie und froher Laune, daß sie auch Gonda mit fortritz. Im Laufe des Gesprächs fragte Gonda: „War der Abschied von deiner Mutter sehr schwer, Doritje?" Dorit seufzte ein wenig. „Ach, weißt du, Gonda, mit den Müttern hat man seine Not. Keinen Schritt kann man aus dem Hause gehen, ohne daß sie sie sich halb zu Tode ängstigen, daß einem irgend ein Unglück geschehen könne. Na, ich hänge ja auch mit al len Fasern an meiner kleinen, süßen, rundlichen Mutter. Ganz leicht ist auch mir der Abschied nicht geworden. Kannst dir schon was darauf einbilden, Gonda, daß Mutter mich dir ausgeliehen hat. Brauchst dich übrigen; nicht zu wundem, wenn sie morgen schon hier ist, um zu sehen, ob ich auch noch heil und ganz bin." „Zsch weiß, Doritje, ihr beiden habt ein großes Opfer gebracht, ich bin euch sehr dankbar." Dorit hatte einen schnellen Seitenblick zu Frank hinüber geschickt, den dieser beseligt auffing. „Ja, in solchen Opfern bin ich Nun mal groß." sagte sie übermütig. „Aber nun sage mir, wie gefällt es dir in Djoba? Ist es nicht himmlisch hier?" „Wundervoll, Doritje, ich habe, ehe der Direktor mir Gesellschaft leistete, eine ganze Weile andächtig in all dies Blühen und Gedeihen ringsum geblickt. So ein wunder volles Land ist Java. Hier müßte es eigentlich nur glück liche Menschen geben." Dorit nahm Gondas Hand und streichelte sie zärtlich. „Du wirst hier auch ruhig und glücklich werden, liebste Gonda." Diese machte eine abwehrende Bewegung. „Laß uns nicht von mir reden, Doritje. Erzähle mir aus deinem Leben." Frank Herold erhob sich. „Ich will die Damen nicht länger stören. Sie werden sich mancherlei zu erzählen hab«» und ich möchte an meine Rechnungsbücher gehen." Gonda reichte ihm die Hand. »Wir dürfen Sie nicht aufhalten, Herr Direktor. Aber zur Reistafel und zum Ad endest« sind Sie jetzt mein East. Demi ich allein bin eine trübselige Gesellschaft für meins Freundin. Auch wenn Sie sonst Zeit haben, tun Sie mir den Gefallen, uns Ihre Gesellschaft zu schenken, damit mir meine Freundin nicht so bald aus Langeweile davonläust." (Fortsetzung folgt.) Aus der Nilmyelrammer der moreM» MerglMM „Hopp, hopp, hopp im Saufeschritt, saust die Zeit wir sausen mit." Vorwärts! Aufwärts! Die Technik rasselt aus. über und unter der Erde, hat die Meere erobert, die Wissenschaft forscht und ergründet, zwingt der Natur ihre Geheimnisse ab. Wir leben im Zeitalter der Nadiowellen. Des Menschen tiefe Hingabe zum Wunderbaren, Aberglauben ist erschüttert. Zwar behauptet die alte Dorfsibylle, welche an das Selt same, Unerklärliche, Geheimnisvolle, je mehr es ßch dem Ungeheuerlichen nähert, noch unerschütterlich glaubt, in dem kleinen schwarzen Kasten auf dem Tisch säße der leibhaftige Teufel, welcher die Menschen mit zauberischer Musik verführe und dann die armen Köpfe mit verworrener Politik vergifte. Jede wohlgemeinte Aufklärung über die Entstehung der Nadiotöne weist sie mit Entrüstung zurück, schlägt drei Kreuze und verläßt das unselige Haus. Dann lachen die Schul buben und deuten mit dem Finger nach der Stirn. Aber es ist die alle Dorfsibylle nicht allein, die infolge gänzlicher Unkenntnis der Natur und völligen Mangels unbefangener Beobachtung handgreifliche Möglichkeiten von der Hand weift nnd Unmöglichkeiten glaubt. Noch heute leben in jedem Dorfe in jeder Stadt derartige Sibyllen, die fest davon überzeugt sind, daß Ungeziefer gehext wird, der feurige Drache in die Esten fährt, die Wünschelrute vergrabene Schätze entdeckt, gehörnte und ungehörnte Ge spenster um die Mitternachtsstunde durch die Gassen gehen. Es sind „sonderbare Heilige", die in der von tiefer Dämme rung umfangener Region leben, spiritualistisches Gesäusel vernehmen, Tische tanzeu sehen, Geister klopfen hören, pro phetische Träume träumen, wo „das zweite Gesicht" die herrliche Funktion des wahren Gesichts in den Schatten stellt. Mel Staub hat einst der Prozeß des Lehrers Drost in Bernburg in der öffentlichen Meinung aufgewirbelt, der die geheimnisvolle Gabe des „wahrhaften Hellsehens" besitzen soll. Hat er doch mit Hilfe seines Mediums kleine Ver brechen und Diebstähle aufgeklärt. Das Gericht hat ihn sreigesprochen, hat mit seinem Urteil den in der breiten Oeffentlichkeit unbekannten Lehrer m den Ruf internationaler Populärität gebracht. Drost wird nicht böse sein, wenn man ihm auf diese Weise die Wege zum Reichtum und An sehen geebnet hat, rüstet er sich doch bereits zu einer Welt- vortragsreise, die ihm sicherlich viA Geld einbriugen wird. In seinem Interesse möchte ich ihm noch einen guten „Tipp" mit auf die Reise geben. Um das Jahr 1820 hat die Pariser Akademie der Wissenschaften einen Preis von 10000 Franken für denjenigen Hellseher ausgesetzt, dem eS gelingt, vor einer Kommission einen versiegelten Brief zu lesen. Ob wohl es seit Jahrhunderten fast auf jedem Rummelplatz Schwarzkünstler gibt, die verschlossene Briese lesen, so hat sich bis auf den heutigen Tag doch noch niemand gefunden, sich den ausgesetzten Preis der Pariser Akademie zu holen. Für Drost müßte die Lösung dieser Aufgabe eine Kleinigkeit sein. Großmütig könnte er dann die 10000 Goldfranken in dem dicken Reparationskontobuch Deutschlands in Anrech nung bringen lassen. So oft es auch gelungen ist, die Hellseherei als ein ein trägliches Geschäft mit sehr fragwürdigen Methoden zu ent larven, so gibt es doch auch im 20. Jahrhundert noch immer eine große Zahl von Abergläubischen, die nicht zu überzeugen sind und allen möglichen Humbug glauben, denen die „böse Dreizehn", „die Spinne am Morgen", oder die „Totenuhr" ein reizvolles Gruseln zum Lebensbedürfnis geworden sind und denen die Romantik des Aberglaubens mehr liegt als das nüchterne Denken. Nicht wahr, lieber Freund: „Spinne am Mittag, bringt Glück am dritten Tag."