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11 Nur noch wenige Tage, und der ereignisoolle Tag für die Stadt Frankenberg sollt« kommen: die Schulweihe. Bürgermeister Meltzer hatte folgendes Programm bestimmt: „Die Einweihung des neuen städtischen Schulgebäudes soll Montag, den 10. Oktober, erfolgen. Alle Schulkinder versammeln sich in ihren zeitherigen Schul- lokalien vormittags gegen 9 Uhr und ziehen dann mit ihren Lehrern auf den Markt platz, wo ein „Abschiedslied" gesungen und von Oberlehrer Krause eine den Abschied von den alten Schulhäusern betreffende kurze Ansprache an die Kinder gehalten wird. Hieran nehmen auch die Mitglieder der städtischen Kollegien und die Gäste teil, welche sich vorher auf dem Rathaussaal versammelt haben. Der auf dem Markt platz zu bildende Zug bewegt sich mit Musik über den Kirchhoff nach dem neuen städtischen Schulgebäude zu, wo sich die Erwachsenen an und auf der Freitreppe, die Kinder auf den Promenadenwegen und an der Kirche ausstellen. Dort werden drei Verse gesungen, und es folgt dann eine Ansprache des Bürgermeisters. Die erwachsenen Festteilnehmer verfügen sich nun in die Aula, die einzelnen Klassen in die für sie bestimmten Zimmer, von wo aus sie Deputationen von je 5—10 Schülern in die Aula senden. Nach einem Gesänge von 2 Versen hält Superintendent Dr. Körner die Weihrede, welcher sich eine Ansprache des Schuldirektor Herrnsdorf anschließt. Eventuell spricht nun noch der Vorsteher der Stadtverordneten oder ein Mitglied des Stadtrates. Die Feierlichkeit wird mit dem Liederverse „Last mich dein sein und bleiben" geschlossen. Die Schulkinder formieren nun mit ihren Lehrern und anderen Festordnern einen Zug und bewegen sich in solchem mit Musik und Gesang durch die Hauptstraßen der Stadt, um schließlich nochmals durch die Schuleingangshalle zu marschieren, wo einem jeden Kinde ein Festbrot verabreicht wird. Es sollen 1700 Stück Festbrötchen (ä 2 Ngr.) für die Kinder bei 4—5 Bäckern bestellt werden. Das neue städtische Schulgebäude soll äußerlich nur am Treppenaufgang mit Ge winden und Topfgewächsen, bez. in der Nische mit der Büste des Königs, im Innern nur mit Kränzen an den Türen der Klassenlokale, in der Aula mit Gewinden und Topfgewächsen an der Rednerbühne dekoriert werden. Die drei ersten vom Schuldirektor gedichteten Gesänge und der Schlußliedervers sollen in 2000 Ercmplaren gedruckt und unter die Kinder, sowie die Festteilnehmer und Bürger der Stadt verteilt werden. Nachmittags nach 2 Uhr folgt im Thieleschen Gasthofe zu Ehren der Gäste und des Lehrerkollegiums ein Festmahl, an welchem teilzuuehmen die Mitglieder der städtischen Kollegien eingeladen sind und die Bewohner der Stadt aufgefordert werden sollen. Als Gäste der Stadt sollen eingeladen werden: Amtshauptmann v. Könneritz in Chemnitz, die Mitglieder der Schulinspektion, der Superintendent Dr. Körner, Eerichtsamtmann Wiegandt, Bezirksarzt Dr. Buschbeck, Diakonus Lesch, welcher auch Lehrer an der Realklasse ist, Schuldirektor Herrnsdorf mit den gesamten ständigen und Hilfslehrern an hiesiger Schule, Realschuldirektor Keller, Bürgerschuloberlchrer Meier in Zwickau, Pastor Rob. Schmeil in Nauenhain bei Rochlitz?), sowie Architekt i) Der die Kirche umgebende Platz, heute Luthcrplatz und An der Kirche. Dankschreiben des Pfarrers Schmeil für die Einladung. „Mit freudiger Rührung habe ich die ehrenvolle Einladung zur Einweihung des neuen Schulgebäudes gelesen. Wie konnte ich hoffen, daß jetzt, wo so vieles neu geworden, man noch des Mannes in solcher Anerkennung gedenken werde, der in dem schlichten, rasch zertrümmerten, aber doch so lieblichen, wein- umranktcn Rektoratshäuschen neun seiner glücklichsten Lebensjahre verlebte? Unvergeßlich wird mir Frankenberg sein und bleiben. — Jetzt, wo sich mein Augenlicht getrübt hat, strahlt mir die liebe Stadt noch in altem Lichte der Erinnerung. Ich mag die neuen Baulichkeiten und die hcrzlieben Freunde nicht umflort sehen. Darum lehne ich die ehrenvolle Einladung ab, welcher zu folgen mir außerdem eine Pflicht der Pietät sein würde; danke aber dem hochge ehrten Stadtrate von ganzem Herzen für die empfangene Auszeichnung. Möge in deni neuen einheitlichen, imposanten Gebäude die Schule nun doppelt und dreifach blühen und Frucht tragen gleich einem Baume, der, in einen ungezwungenen Raum gesetzt, weit stattlicher gedeiht als zuvor auf enger Scholle! Möge aus ihr jede neue Generation immer mehr als eine rechte „Frankenberger" hervorgchen: in deutschem Sinne, nicht im welsche», frank und frei! Schon ist dieser mein Wunsch nicht mehr ganz ein Zukunstswunsch: zum Teil krönt ihn bereits in der Gegenwart liebliche Erfüllung."