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Beilage zunr Frankenberger Tageblatt L ?^e- 8 IE Donnerstag, den 13. September LN27 ^6. Jahrgang Aarthago Rr. Ii Don den: nach Genf entsandten Sonderbericht erstatter unseres Berliner Büros.) Genf, 14. September. Der Senat Kartbagos war versammelt. Wie bl« aufgescheuchten Hühner liefen die Senatoren durcheinander; eben hatte Rom seine letzte Forde- Mng überreichen lassen, die befahl, Karthago WSderzureißen und eine Meile von der Küste WNernt wieder aufzubauen. Für die Handels- Mdt, deren Lebensnerv die See war, bedeutete MS den Todesstreich. Darob großes Entsetzen, ge- MÜke Fäuste, ein wüstes Durcheinander von Bitten und Verwünschungen. Aber unbewegten Angesichts sah der römische Gesandte dem un würdigem Benehmen der Besiegten zu. Plötzlich Veränderten sich seine steinernen Gesichtszüge und in dem Saal war einer aüfgestanden, riesig Änzuschauen: Hannibal der Feldherr Karthagos, Der Sieger in hundert Schlachten, der schon einmal Dicht vor den Toren Roms gestanden hatte und Kann doch zurück muhte, weil der Händlergeist des Hartyagischen Senats ihm die nötigen Vekstärlun- Ä«n versagte. Der rief setzt mit schneidender Stimme feinen Landsleuten zu: „Ich verstehe Mich nicht! Damals hättet Ihr aufbegehren Wen, als Rom verlangt hat, daß wir Schiffe Md Waffen ausliefern und uns wehrlos machen Wien! Ihr aber konntet diesen Forderungen gar nicht rasch genug Nachkommen, um so bald Wie möglich Frieden zu erhalten. Jetzt könnt Ihr jammern, da es Euch an den Geldbeutel Ml Was Euch heute geschieht, ist nur die sofge Eurer damaligen Uebereiltheit! Die Drohung eines waffenlosen Volkes schrecken nie- rano-n mehr und Euer Gewinsel entwürdigt. Geht einem nicht, wenn man diese weltgefchicht- ch« Episode liest die Erkenntnis auf, daß sich dtzr Geschichte alles wiederholt? Auch wir chm sind erst vom Feinde wehrlos gemacht A, und dann hat man uns Vie Daumen- angelegt und sie immer mehr ange- M. Heute ist wohl jedem, der nicht uto- schen Phantastereien nachläuft, klar geworden, im politischen Leben Macht noch immer vor sMt steht. Es kann keinen Frieden in Europa n, solange die Rüstungen aller Staaten nicht ff Ungefähr gleiches Niveau gebracht sind und A st gegenseitig die Wage halten. Die Chancen gies Krieges müssen so ungewiß sein, dah jeder acht es sich gründlich überlegt, bevor er an Waffenentscheidung appelliert. Das ist eine - -ü bessere Garantie für den Frieden als alle „Miß- biniguuqen" des Völkerbundes, die sich im Augen blick seh schön anhören und im Augenblick, da es Ernst wird, jede Bedeutung verlieren werden. Das Abrüstungsproblein ist der Kern des ganzen Vblkerbundsgedankens, ist das wichtigste Problem mit dem man sich in Genf zu beschäftigen hat. Geling cs nicht hier in absehbarer Zeit eine befriedigende Lösung zu finden, so hat der Völker bund jeden Sinn verloren. Wir wollen gewiß die Hoffnungen nicht zu weit spannen. Cs ist ausgeschlossen, dah Frank reich und England, Amerika und Italien so ab- rüstsn, wie sie das seinerzeit von uns verlangt haben. Kein Staat wird freiwillig kn diesem Punkte weiter gehen, als er es mit seiner Sicher heit für vereinbar hält. Die leitenden Staats männer müssen sich aber klar darüber werden, dah die Sicherheit heute nicht mehr allein durch die Heeresziffer und die Zahl der Schiffe ga rantiert wird. Jeder Fachmann weih doch, dah der nächste Krieg weniger von Menschen als von chemischen Stoffen geführt werde» wird und dah voraussichtlich das Land die Oberhand behalten wird, dessen Technik am weitesten fortgeschritten ist. Gewiß wird ein gutausgebildetes, wohl diszipliniertes Heer auch in Zukunft ein Faktor sein, der mitspricht bei der Entscheidung. Aus schlaggebend aber ist er nicht, war es ja schon ; in der letzten Phase des Weltkrieges nicht mehr. > Die frischen Divisionen, die Amerika an die Front warf, waren ein großes Plus auf der Sekte unserer Gegner, ein größeres aber war die Unzahl der kleinen Tanks, waren die un übersehbaren Flugzeuggeschwader, waren die Gas granaten und schwerkalibrigen Geschosse, denen wir nichts Gleichwertiges entgegenstellen konnten. Wer will heute sagen, welche Industrie Erfin dungen gemacht hat, die sich in einem Kriege für den Gegner verhängnisvoll auswirken werden? Wer will weiter prophezeien, ob nicht im Laufe des Krieges bei dem Feind Erfindungen gemacht werden, die den Sieg auf seine Seite herab- zwingen könnten? Das alles ist doch jedem, der sich mit diesen Dingen beschäftigt hat, längst klar geworden. Auch die französischen Staats männer wissen sehr wohl, daß ihrem Millionen heer praktisch kaum noch die Bedeutung zukommt, die es bei dem früheren Stande der Kriegs technik gehabt hätte, so dah es lediglich eine Gefahr für den Frieden darstellt, ohne im Kriegs fälle ein unbedingt verläßlicher Faktor zu sein, da, wie gesagt, im Landkrieg eine chemische Fa ¬ brik eine größere Rolle spielen dürfte als ein ganzes Armeekorps. Zur See verhält es sich freilich andere und es ist sehr bezeichnend, daß aus all den Abrüstungsreden, die wir jetzt in 'Genf gehört haben, deutlich herausklang, daß die Hauptschwierigkeit für eine allgemeine Rü stungsbeschränkung in dem Scheitern der Ma rinekonferenz zu suchen sei. Das ist völlig richtig. Bei einem Seekrieg wird noch auf lange Zeit Zahl und Art der Schiffseinheiten eine ausschlaggebende Rolle spielen und es ist deshalb wohl verständlich, wenn Staa ten, die nicht an einen ewigen Frieden glauben, bemüht sind, auf diesen: Gebiet so gut wie möglich gerüstet zu sein. Natürlich steht es uns frei, an das Gerechtigkeitsgefühl der Welt zu appellieren und immer wieder zu betone», dah die Ab rüstung von uns in Versailles nur als erster Schritt für eine allgemeine Abrüstung verlangt wurde. Viel Erfolg werden wir mit diesem Ar gument allerdings nicht haben. Wir haben ab gerüstet und sind heute tatsächlich so gut wie wehrlos, während unsere Nachbarn in Waffen starren. Eine Aenderung in diesen: Zustand kann nur erfolgen, wenn wirtschaftliche Erwägungen Frankreich und Polen dazu zwingen, mit dem Aufrüste» endlich Schluß zu machen, weil ihr Voll weigert sich, mit seinen Steuern etwas zu bezahlen, was einmal überflüssig ist, wenn der Völkerbund überhaupt einen Sinn haben soll, und dann aber, :vie oben dargelegt wurde, im Kriegs fall auch keine unbedingte Sicherheit gewährleiste. Auf diese Entwicklung müssen wir hoffen. Graf Bernstorff wird mit seinen mutigen Reden in Genf viel Beifall erzielen, aber keinen Erfolg erreichen, denn er spricht als Vertreter eines waffenlosen Volles. M NowWarade vor dem Reichspräsidenten Swinemünde, 14. 9. Kurz nachdem das Paradeschiff „Schleswig - Holste: n", auf dem sich der Reichspräsident befand, in See gegangen war, folgten verschiedene dicht- besetzte Passagierdampfer aus Stettin und Swine münde. Den Schluß bildete der Lloyddampfer „Roland", der von der Marinelektung gechartert mehrere Mitglieder des Reichsrats, darunter d«n bayrischen Gesandten v. Preger, den mecklenbur gischen Staatsminister Asch, den württembergksche« Gesandten Staatsrat Dr. Boslev, den sächsischen General a. D. Ministerialrat Schulz, den preußi schen Ministerialrat Dr. Frick, ferner verschieden« Reichslagsabgeordnete und de» Kommandeur dir zweiten Infanteriedivision, v. Amsberg. Nachdem die Schiffe sich etwa 15 Merlen von der Küste entfernt hatten, erschien km Nordosten die in Kiellinie fahrende Flotte, di«, kurz bevor sie an Backbordseite des Flaggschiffes vorbeidefilierte, einen Salut von zwei Schüssen abgab. Di« Besatzung der Flott« hatte Paradeaufstellung genommen und bracht« ein dreifaches „Hurra" aus. Zunächst defilierten die Linienschiffe mit dem Kommandeur, Admkrat Prentzel an Bord, dann „Hessen" und „Elsaß", es folgten die Kreuzer „Berlin", „Amazone" und i „Nymphe". Hieran schlossen sich zwei Torpedo- bootsflottillen mit den drei erst nach der» Krieg« erbauten Torpedobooten „Seeadler", „Möw?' und „Falle", während den Schluß eine Mknen- sucher-Halbflottille bildete. Nach Beendigung der Parade hißte das Flagg schiff ein Signal, das ekn«n Gruß an die Gäste der Marineleitung zum Ausdruck brachte. Wäh rend die Minensucher-Halbflottklle nach Swine- münde zurückkehrte, formierte sich der übrige Flot- tenverband zu Gefechtsübungen. Die Hebungen, ! di« sich auf der Höhe zwischen Dievenow und Koll berg abspielten, bestanden aus einer U-Boot- Sicherung des Flottenverbandes durch Torpedo boote, einer Nebelfahrt mit Kursänderungen noch akustischen Signalen, Vorpostenstellung der Tor pedoboot» und ausgedehnten Evolutionen de« ganzen Verbandes. Den Abschluß der Hebung«« bildete eine Vorbeifahrt des Flagg schiffs an den: in Kiellinie aufgestellten Flot- tenverband. Während das Begleitschiff „Roland" nach einer Huldigung seiner Besatzung an den Reichspräsi denten nach Swinemünde zurückfuhr, lief die Flotte auf hohe See, um mit den eigentliche « Flottenmanövern zu beginnen. Am Don nerstag früh trifft der Reichspräsident wieder in Swinemünde ein, um sich an Bord des Kreu- war und unter Befehl des Vizeadmirals Pfeiffer zers „Berlin" zu begeben, der ihn nach Königs stand. An Bord des „Noland" sah man u. a. berg in Preußen bringen soll. - Wilhelmftraß« 78. Geburtshaus Hindenburg-. Beiträge M Hindenburg-Spende nimmt die Geschäftsstelle de» Frankenberger Tageblattes jederzeit entgegen Händen. Hin denburg aber Kat durch sein langes Leben, hurch sein Tun in allen Jahrzehnten, die hinter seinen Kinderjahren liegen, Fleiß, Beharrlich keit, Gründlichkeit, Pflichteifer, Treue und Gott- vertrauen bekundet. Er konnte etwas leisten, wurde verkannt und erlahmte nicht. Er hat Erfolg gehabt und wurde nu^ stolz dabei. Ex hat Unglück über sich und seine Sachs herein- brechen sehen, wk es nur falten in dop Welt- gekchichte sich abgespielt hat, und zerbrach fester nicht. Sx sah die Regierenden ver zagen und verzagte selber nicht. Gr sah die Massey sich aufbäumen in Elend und Wut und blieb gelassen. Gp sah Treulosigkeit uw sich herum und blieb seinem Volte und sich selber treu. Ax sah Haß quflobexn und haßte chen, erhabenen Worte unseres größten Dich ters lebt der alte Präsident unserer Republik nach, der ex ebenso ohne Falsch ergeben ist, wie er auch der größte und treueste Diener des kaiserlichen Deutschlands war. Und es stimmt ganz mit seinem Wesen überein, wenn er den Drang des Volkes, ihm zum 80. Geburtstag eine besondere Ehrung zuteil werden zu lassen, in der Ab wendung von Not und Bedrängnis von Kriegsteilnehmern, Kriegerwitwen und Kriegerwalsen sowie der durch die Inflation Verarmten bestätigt sehen möchte. Erfreuen wir den Getreuen und uns selbst durch reichliche Erfüllung seines edlen Wunsches! nicht einmal di« Feilste jm Felde. Der geschla gene Sieger des Weltkrieges führte — welche Tat! — in männlicher Besonnenheit die zurück- wogenben Heere ins Land heim, leitete die Demo bilisierung und blieb unverbittert unter seinen verbitterten, erschreckten, zusammengebrochsnen, kummervollen, ordnungsuchenden Landsleuten. Welche Schicksalstavferkeit! Welches Voltsvex- trauon! Welches Gottvertrauen! Das wieder gekräftigte Volk ehrte ihn durch Ehrfurcht, aber es stritt sich über seine Geeignetheit zum Präsidenten der Republik. Mit geringer Mehrheit gewählt, nahm der Betagte die Wahl — man kann heute ruhig sagen, aus innerer Verbundenheit mit seinem Volke — an. Er folgte dem Rufe dex Mehrheit dieses Volkes und leistete ihm mit 78 Jahren den Schwur der Treue in die Hand eines politischen Gegners. Und seitdem ist er das Symbol für den guten Geist dieses Volkes und das Volk ehrt smh, indem es ihn ehrt. Wie all« großen Männsr, die das Volk als sein eigenes Symbol liebt und ehrt, reißt er es nicht zu großen, einmaligen Taten hin, sondern er Hilst ihm zur Reife durch die Stetigkeit und die reine Wärme seines Wesens. — Edel sei der Mensch, hilf reich und gut; diesem einfa» ' Jedes Kulturvolk hat eine Reihe großer Manner. Ihr Wirken bedeutete geradezu dis Kultivierung des Volkes. Aber jedes Volk hat nur eine geringe Anzahl von großen Männern, yn denen es schon zu deren Lebzeiten hängt. Und warum hängt es an ihnen? Weil sie der Ausdruck seines Wesens, weil sie selbst ein Stück Volt find, weil fick das Volk sozusagen in ihnen wkderzesplegelt findet. Und dieses deswegen, weil solche Männer des Volkes schlecke Eigenschaften vermissen lassen, die guten Eigenschaften aber an ihnen in besonderem Maße erprobt wurden und' ß sie diese Probe bestanden haben. Das deutsche Dott hat, wie jedes andere Volk, > gute Eigenschaften, und es hat schlecht« Eigen» § Masten. Au seinen guten Eigenschaften gehören B «ine physische Kraft, sein Unternehmungsdrang, Z sein Hang zum geistigen Erfassen der ganzen x inneren und äußeren Welt, sein Fleiß, seine G Gründlichkeit, feine Zähigkeit, seine Schicksals» l tapferkeit, sein Gemütsreichtum. Seine schleckten Eigenschaften lind sein Hang zur Maßlosigkeit, zur Überheblichkeit, zur Überschätzung des Mate» : ÄEsn, zu Neid und Mißgunst. Und diese guten Und schlechten Eigenschaften sind gleiAeitig inallen , Schichten des Boltes vor- Unser von OK. k. SieSüttWKÜV, IMMZIükpk-iSIOeN'H v.