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behielten fie aber aus begrejstich« Gründen für sich. Roy nahm nun den BleiMst und malte gemacht ungeschickt auf den Zettel in fraryMcher Sprache, von der er mutzte, daß Mar sie fliehend schrieb und sprach: „Achtung, ich bin Roy, ich hole Sie in spätestens einer Stunde. Geben Sie ruhig die Unterschrift, damit ich bald Per fortkomme und Sie holen kann, denn in der ,Mlla Hartung" erwartet man uns zum Essen!" Mar nahm den Zettel aus der nicht eben sauberen Hand des Sekretärs und las ihn aus mütziger Neugier; doch kaum hatte er das erste Wort gelesen, so richtete er sich aus seiner nachlässigen Haltung auf und las schnell weiter. Dann legte er sofort'seine Zigarette weg, sah den Kuli an, lächelte geringschätzig und sagte zu Lo Lung: „Und was nun? Ich glaube Ihnen ja auch ohne diesen Beweis, datz Ihr Sekretär ein fabelhaftes Genie ist. Be stehen Sie denn noch immer darauf, datz ich Ihnen meine Unterschrift gebe? Ich hab« Ihnen doch deutlich genug ge sagt, dah sie Ihnen nichts nützen wird, denn ich bin nicht Mister Bredow!" ,ftl«berlassen Sie das gefallest uns, ob' die Unterschrift uns nützen wird! Glauben Sie vielleicht, datz wir Ihnen diesen Schwindel glauben!? Ganz Schanghai weih, datz Sie der Stahlköllig sind! Für wie dumm hallen Sie uns, dah wir Ihnen glauben sollen, Sie seien der Sekretär des Mister Bredow? Schreiben Sie nun endlich, zum Teufel, sonst müsse» wir andere Saiten auszieh«»!" Tse Hai hatte sich allmählich in Wut geredet und stand vor Mar, ihn böse mit seine» Schlitzaugen ansehend. .»Ich habe überhaupt gar kein Scheckformular hier, kann alp) «neu Scheck unterschreiben." ,Zst gar nicht nötig, das besorgt uns der Kuli, nur muh er erst Ich» Unterschrift haben, um sie nachschreiben zu kömten." „Es bleibt mir also kein Ausweg?" ,Flein — halten Sie uns durch Ihr fruchtloses Weigern nicht ewig auf!" Mar nahm nun achselzuckend einen Zettel und schrieb den Namen Brüww in möglichst einfacher Art, so datz Roy keine Schwierigkeiten haben würde, die Unterschrift abzuschreiben. Gierig nahm ihm der Chinese Lo Lung den Zettel weg. „Sv, nun hätten wir, was wir brauchen! Die beliebige Höh« stellen wir uns selbst aus, mein lieber Mister Bredow." Zu Roy gewandt, sagte er: „Und nun an die Arbeit, Bursche! Mach deine Sache gut, van« sollst du auch deinen Lohn haben." Ehe Roy auch nur einen Blick mit Mar wechseln konnte, schob ihn Tse Hai aus dem Zimmer, und Lo Lung verriegelte und verschloß die Tür, als hätte er einen Schwer verbrecher zu bewachen. Roy wandle nun seine ganze Aufmerksamkeit darauf, sich de» Weg zu dem Zimmer einzuprägen, in dem Mar ein geschlossen war. Denn dah er den Weg wiederfand, das war mit von größter Wichtigkeit. I» den Vorderen Räumen angelangt, veranlaßte Lo Lung ihn gleich, die Unterschrift nachzumalen, doch Roy suchte so schnell wie möglich fortzu kommen und nahm demzufolge seine Zchfiucht in einer Ausrede. .»verzeih', Herr, aber ich muh erst gehen und mir meinen Spiegel und mein« Feder holen, sonst wird es keine saubere Arb«t, in einer Minute bin ich wieder da, verwahre du indes die Schriftprobe!" „Buddha soll dich vernichten, wenn du nicht schnell wieder mrüSomntft!" Wenngleich Roy ganz genau wußte, dah Buddha sich wegen ihm keine Unbequemlichkeiten machen würde, so schwur er doch bei allem Göttlichen, was so im chinesischen Himmel zu Hause ist, daß er sich unmenschlich beeilen werde, um Lo Lung zu Diensten zu sein. Die Geschwindigkeit, mit der Roy die Straße verlieh, in der Lo Lungs würdige Räume lagen, konnte wohl von chm selbst mit einem „Schweinetempo" bezeichnet werden. Was und wer ihm in de« Weg kam, wurde erbarmungslos niedergeritten, wurde an die Wand gedrückt oder fand sich in dem nicht zu längerem Aufenthalt einladenden Strahen- gräben. I« seinem Hotel angelangt, sauste er in die nicht sonderlich eleaaute Vorhalle hinein, doch wollte ihm sein Freund, der KMner, am Fortkommen hindern, indem er ihn am Zopfe festpackt«. Aber dieser Versuch war völlig zwecklos, denn er hatte wohl den Zopf in der Hand, Roy aber raste ungehllü>ert weiter. .Halt, verdammter Kuh!" ,Sicht zu machen, m«n Lieber, Sie irren, ich bin kein Kull," rief Roy von dem ersten Treppenabsatz hinunter. „Aber bringen Sie mir sofort eine Tasse Tee auf mein ,»OH, pardon, Monsieur, Sie sind es! — Wer hätte Sie aber auch in der Verkleidung erkennen sollen! — Sofort bringe ich den Tee," rief der schnell gefaßte Franzose diensteifrig hinter Roy her doch erzielte er nicht den von ihm ge wünschten Trinkgelderfolg bei Roy, der ihm die.Hunger kur wohl lange noch nachtragen würde. In seinem Zimmer angelangt, war es das erste, was Roy tat, dah er sich wie ein wildes Tier auf das schon etwas vertrocknete Abendessen stürze und wähl- und quallos alles in sich hineinstopfte, was nur hineingehen wollte. „Uff, das war aber die höchste Zell! Mein Magen mutz so schon wie eine vertrocknete Zwiebel ausgesehen haben! — So, nun werde ich wieder Mensch! Jetzt sängt mein Geist in altgewohnter Frische an zu arbeiten." Während er sich wieder in einen gebildeten Europäer ver wandelte, lieh er seinen Gedanken Gehör und kam zu dem Ergebnis, dah es wohl nicht sehr klug sein würde, wenn er erst die Polizei ihre Nase in die Angelegenhell Bredow stecken ließ, zumal er ja bestimmt annahm, datz Bredow eben nicht Bredow sei, sondern Rer. Das würde erst unendliches Hin- undher geben mit den Behörden. „Also Roy, mein Süßer, Finger weg von die Behörden, und hilf dir allein! Hilf dir selber, dann hilft dir Gott! Und der hat auch hier mehr zu sagen als Buddha, der doch nur mit dem dicken Kopf nicken kann." Der jetzt ungemein liebenswürdige Kellner kam mit dem T«e, den er auf den Tisch stellte, und fragte, ob der Herr noch Befehle hätte. „Wieviel Mann europäische Dienerschaft sind hier lln Haus?" „Mehr als in anderen Hotels in Schanghai, da die Herren der französischen Gesellschaft mit ihren Damen nicht gern von Kulis bedient werden." „Ach Gott, nein," verschluckte Roy seine Belustigung über die rassestolzen Franzosen, die es unter ihrer Würde hielten, sich von Kulis bedienen zu lassen. „Also, wieviel Mann?" „Neun und zwei Zimmermädchen." „Zählen nicht mit! Also neun, — hm, das würde genügen. — Also, Sie Perle eines französischen Kellners, gehen Sie mal schleunigst zu Ihren Kollegen und fragen Sie, ob sich die Herren heute abend jeder zwei Tael verdienen wollen. Wenn Sie Bescheid haben, dann kommen.Sie wieder zu mir, dann besprechen wir das weitere." Nicht fünf Minuten dauerte es, da war der Kellner schon wieder da und versicherte freudestrahlend, dah seine Kameraden alle dabei seien, sich zwei Tael zu verdienen. „Und was ist unsere Arbeit, Herr?" „Weiter nichts, als datz Ihr alle mich in das Restaurant Lo Lungs in der Chinesenstadt begleitet und nicht von meiner Seite weicht, bis ich mit dem Herrn, den ich dort abhole, wieder hier bin." „Oh, oh, Monsieur, so leicht verdienen wir unser Geld sonst nicht! Wann befehlen Sie, datz wir gehen?" „In zehn Minuten, mein Lieber! Und bitte, jeder soll sich einen handfesten Stock mitbringen, aber keine Schuß waffe, das bitte ich mir aus!" Roy hatte seine Leute dahingehend belehrt, dah sie sich ruhig verhalten und nur das tun soMen, was er ihnen sage. Und so zog er in schönster Einigkeit mit seiner Rettungs mannschaft, die von ihrer Aufgabe bis jetzt noch keine Ahnung Hatte, den ihm wohlbekannten Weg zu Lo Lung. Bei Lo Lung war noch Hochbetrieb, wenigstens in den Dorderräumen, die ihr altgewohntes harmloses Gepräge hatten. Roy kam mit den Seinen in geschlossener Einheit in die Räume und gleich kam Lo Lung dem gern gesehenen jungen East entgegen, der am Wend vorher weder mit Taels noch mit Scherzen sparsam gewesen war. „Welche Freude, Mister Harr, Sie wieder bei mir zu sehen!" „Wird sich bald legen, mein Lieber, diese Freude," sagte Roy kühl.. „Und große Neuigkeiten habe ich über Missis Klingtearl erfahren." „Das bezweifle ich, mein Lieber, denn ich mache Sie darauf aufmerksam, datz die ganze Geschichte von mir erfunden war. Sie können also logischerweise nichts Neues in Erfahrung gebracht haben." „Wie immer, sind Sie zu Scherzen aufgelegt, verehrter Mister Harr!" sagte Tse Hai, der sich dazu gesellt hatte. Roy warf einen Feldherrnblick über seine Leute, die Auge in Auge mit ihm standen und sagte dann sehr von oben herab: „Das wird ganz bei Ihnen liegen, ob sich die Sache scherzhaft abwicksln wird."