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als Der der Liebes- und Eheprophet. Auch in der germanischen Volkssitte ist ihm diese interessante Aufgabe zugefallen und darum findet sich in deutschen Volksbräuchen so häufig das Befragen des Apfels. Aber nicht nur die ganze Frucht, auch Apfelschalen und Apfelkerne haben ihre symbolische Be und bei allen Völker» galten die Früchte als ein Segen und es ist daher begreiflich, daß in den Religionen und damit auch iu deu Fest- und Volksbräuchen das Obst eine gewisse Rolle spielte und daß manche dieser Bräuche, wenn auch in veränderter Form, sich noch heute erhalten haben. Besonders der Apfel galt von jeher als Sinnbild der Fruchtbarkeit, und die Frucht vom „Baume der Er kenntnis*, zu deren Genuß die Schlange Eva und diese wieder Adam verführte, wird als Apfel gedeutet. Göttin der Liebe, Aphrodite, war bei den Griechen Apfel geweiht. Deshalb galt bereits in alten Zeiten der Apfel In früheren Jahren konnte man sich noch auf die ein zelnen Jahreszeiten freuen: es gab einen richtigen Früh ling, einen Sommer, einen Herbst, einen Winter. Die Lebensweise konnte sich entsprechend anpassen, Kleidung, Nahrung und Vergnügungen waren „saisongemäß*. Das scheint immer mehr aufzuhören. Ist etwas an der Erdachse in Unordnung geraten, knabbert das Radio ein Kern durchgeschnitten wird, dann gibt es unter den. Liebesleuten Streit; sind gär zwei Kerne durchgeschnitten, dann geht die Verlobung auseinander. Bei Verheiratete« bedeutet dieses Unglückszeichen Witwerschaft. Um zu wissen, wer der künftige Mann sein wird, mutz man am Andreastage nach Sonnenuntergang einen Apfel unter das Kopfkissen legen und bis zum Weihnachtsabend dort liegen lassen. Wenn dann am ersten Weihnachtslag zur Kirche geläutet wird, stellt sich das wißbegierige Der Apfel als Eheprophet. Die über den Kopf ge worfene Schale verrät, mit welchem Buchstaben der Vorname des künftigen Gatten beginnt. wirklich den Äther an, wie manche behaupten, und hat das nicht nur auf das Klima, sondern auch auf den Verstand der Menschen eingewirkt? Tatsache ist, daß wir jetzt in einer Welt des Durcheinanders leben: in den Großstädten wenigstens läuft man im Sommer Schlittschuh und ver anstaltet im Winter Strandfeste. Es gibt auch keine richtigen Obstzeiten mehr. Früher konnte man die Äpfel-, Pflaumen-, Nuß- und Wein traubenernte kaum erwarten. Man wußte, wann die Zeit der Reife war, wann die ersten Früchte auf den Markt kommen würden, und in der Regel gab es auch keine Wesentlichen Preisschwankungen. Heute ist das alles anders. Obst ist z. T. ein Import artikel und kommt vielfach aus Ländern, in denen man zu Weihnachten in Weißen Hosen und in Strohhüten umher läuft und dabei noch schwitzt. Nicht nur exotische Früchte kommen von weit her, sondern auch unsere lieben Äpfel, Birnen, Weintrauben und manches andere „heimische" Obst. Und wenn es auch wirklich heimisches Obst ist, dann steht doch auf der Tafel manches Händlers: echte Amerikaner, Schweizer, Holländer — das ist nämlich des Preises wegen, denn das ausländische Obst darf teurer sein. ES gibt wenige Menschen, die Obst nicht gern mögen — jung und alt läßt es sich gutschmcckcn. Zn allen Zeiten deutung. Den Apfel muß der Ehelustige ganz oder genau zur Hälfte essen. Den Apfel muß das Mädchen kaufen, ohne vom Preise etwas abzuhandeln. Die eine Hälfte muß sie um Mitternacht essen, die andere Hälfte unter die Türschwelle legen: dann erscheint ihr im Traum der künftige Mann. Sie kann auch den ganzen Apfel essen, doch muß dies in der Weihnachts- oder Silvesternacht geschehen, oder sie legt die eine Hälfte vor die Tür und steckt die andere ins Mieder — eine nun ganz unmodern gewordene Methode — auch dann zeigt sich im Traum der Zukünftige. Doch vom Apfel zu träumen gilt als Unglückstraum — weshalb, weiß niemand zu sagen. Vielleicht, weil wir durch den Apfel das Paradies verloren haben. Wenn man einen Apfel schält, so darf man sich einer: Wunsch denken. Man wirst dann die Schale über den Kopf: bleibt sie ganz, so geht der Wunsch in Erfüllung. Auch an die Nutz knüpfen sich zahlreiche Legenden: Viel verbreitet ist z. B. die Sage, datz die in einer Schüssel schwimmenden Schalen den Eheluftigcn die Zukunft Voraussagen. Die Form der Apfelschale ist besonders wichtig. Wenn die über den Kopf geworfene Apfclschale zur Erde fällt, dann Pflegt sie sich in der Regel zu ringeln. Man sucht dann zu erraten, welchen Buchstaben sie vorstellt, und daran ivill man den Anfangsbuchstaben des Namens des zukünftigen Gatten erkennen. Schneidet man den Apfel in zwei Hälften und zählt die Kerne der einen Hälfte, so ergibt sich bei einer geraden Zahl, daß man bald heiraten wird; ist die Zahl ungerade, so muß man mindestens noch ein Jahr warten, den» der bedeutungsvolle Apfelschnitt darf nur in der Thomasnacht vorgenommen werden. Wenn Mädchen mit dem Apfel unter die Haustür: aus der Ver wandtschaft der ersten vorübergehenden Person stammt de« künftige Gatte. Nicht nur der Apfel, auch anderes Obst gilt in über lieferten Volkssagen als untrüglicher Eheprophet. Nament lich Nüsse werden zu diesem Zweck gern verwendet V- kannt ist ja das Vielliebchenspiel. Der Doppelkern b vielfach eine baldige Hochzeit. Bei Hochzeitsfesten M sich die jungen Mädchen und Burschen mit Haseln,., findet sich darunter eine mit doppeltem Kern, so wird a^.. den beiden jungen Leuten ein Paar. Auch steckt man Zettel chen mit Namen in leere Nußschalen und läßt sie in einer Schüssel schwimmen. Die nun im Wasser aneinanderstoße» oder eine Weile dicht nebeneinanderschwimmen, sind die Tröger der Namen eines künftigen Ehepaares. Handelt es sich aber bereits um ein Liebespaar, so geht die Sache auseinander, wenn die Nußschalen, die die Namen trage«, anseinanderstreben. Ebenso wie mit Äpfeln treibt man auch, wenn auch seltener, mit Birnen Liebes- und Prophezeiungszauber. Auch die Pflaume spielt eine Rolle in diesen Gebräuche«, wie alle Früchte, deren Kerne die Möglichkeit bieten, durch Doppelkerne auf eine Heirat zu deuten — übrigens ein sehr naheliegendes Gleichnis. Das Obst wird in der Spruchweisheit der Völker gern als Symbol verwendet. Am bekanntesten ist das Wort: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm" sowie der Spruch aus der Bergpredigt: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen". In Wien nennt man übrigens einen un- geratenen Sohn, überhaupt einen ungeratenen Bursche« ein „Früchte!". Leute, die im Leben keinen Halt mehr gewinnen können, bezeichnet man dichterisch oft alL „Fallobst". Da der Obstzauber, im Grunde genommen, nur der Sehnsucht Ausdruck gibt, gute und edle Früchte zu ernten, so ergibt sich zwanglos der Zusammenhang zwischen Religion, Volksbrauch und Spruchweisheit, wie er sich in so vielen überkommenen und oft noch treu be wahrten Sitten spiegelt. Dr. Ernst Brunner.