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kurzer Tagesspiegel Aul der Magdeburger Tagung des Reichs- veroandes der Rheinländer wurde von Mqn Aednern einmütig die Räumung des Rhein- «ndes gefordert. Pas Klugzeug Könneckes ist vollkommen startbereit. Der Aufstieg zum Amerikaflug findet Wer infolge der ungünstigen Wetterlage vor läufig nicht statt. Die litauische Regierung soll nach einer Meldung der litauischen „Etta" der Reichsregie- chtng eine Protestnote wegen der angeblich ten- henziösen Berichterstattung über Litauen über reicht Haben. Pin weiterer amerikanischer Richter des Obersten Gerichtshofes hat gegen eine Hinausschiebung der Hinrichtung Saccos und Vanzettis St-llung genommen. An Le Havre kam es bei einer Demonstra tion wegen Sacco und Vanzetti zu Zusammen stößen mit der Polizei, wobei über 30 Personen verletzt wurden. Tschangtsolin hat eine Konferenz der Nordtruppenführer zur Beratung über den wei teren Feldzugsplan einberufen. Pie Hochwasserkatastrophe im fer- n «st Osten nimmt immer weiter an Umfang zu. Vei dem in Paris ausgetragenen Leicht- athletik-Länderlampf Deutschland— Frankreich blieben die Deutschen siegreich. An der polnisch-litauischen Grenze hat sich ein neuer Zwischenfall ereignet. In Moskau herrscht außerordentlich große Hitze, das Thermometer zeigt 50 Grad Celsius. Unparteiische Mersnchms (Von unserem Berliner Vertreter.) Berlin, 22. August. Der belgische Vorschlag auf Einsetzung eines unparteiischen Schiedsgerichts kann Deutschlano NUr willkommen sein. Wir würden es auf oas Lehhafteste begrüßen, wenn nun auch durch Ver- fraWysleute anderer Nationen festgestellt würoe, wD hingebende uno gewissenhafte Arbeit deut- scher Geschichtsforscher für uns schon längst er geben hat, nämlich daß alle Vorwürfe einer bar barischen K'riegsfühnmg, die gelegentlich immer Nieder gegen uns erhoben werden, völlig unbe- grstnoet sind. Äs ist das erste Mal, daß ein feindlicher Staat Hirsen Wunsch geäußert hat, und wir hoffen, daß e^ nicht das letzte Mal sein wird, sondern daß man, da nun das Eis gebrochen ist, endlich den Entschluß fassen wird, die Kriegsschuldfrage vor ritt internationales unparteiisches Gericht zu brin gen, dessen Zusammensetzung dafür bürgt, daß sein Wahrspruch nur die Feststellung der objek tiven Wahrheit gibt. Die deutsche Reichsregüerung Hat es bisher nicht für opportun gehalten, diese Fpage anzuschneiden, obwohl sie für Deutschlano von ausschlaggebender Bedeutung ist. Beruht doch aus der Lüge von der deutschen Alleinschuld am Krieg der ganze Schanofrieden von Versailles, pnd er wär« nichtig und auch von seinen wärm sten Befürwortern nicht mehr zu rechtfertigen, wenn die Untersuchung eines unparteiischen Ge richtes ergeben würde, daß nicht Deutschland und deutsche Staatsmänner es gewesen sind, die die 'Kriegsfurie entfesselt haben. Gewiß glaubt heute wohl lein Einziger mehr, haß eine Katastrophe wie der Weltkrieg das Werk eines Einzelnen sei, fest steht jedoch, baß «S in der Tat Männer gegeben hat, ourch deren 'Intrigen die letzten Möglichkeiten, den Frieden hoch noch zu erhalten, vereitelt woyden sind. Das ist es, was von deutscher Seite immer wieder betont wevden muß und jetzt, gerade jetzt ist der Moment gekommen, diese Frage aufzu rollen. Zwei Ereignisse rechtfertigen die Ansicht, daß . im Augenblick di« Gelegenheit günstig für rms ist, auf Einsetzung eines unparteiischen Ge- rlchtshofee auch über diese Frage zu dringen. Nachdem durch den belgischen Vorschlag die In stitution eines solchen Gerichtshofes von einem Etaat der früheren Entente anerkannt worben ist, dürfte es für England und Frankreich keinen Grund mehr geben, die Einsetzung eines Schieds gerichts über die Kriegsschuldfrage zu verweigern, MW nicht di« gairze Welt glauben soll, haß sie zu dieser Ablehnung bestimmte Gründe haben. Hinzu kommt aber noch etwas anderes. Der frühere russische Minister des Aeuheren, oer letzt Ks schlichter Privatmann in einem Vorort von Paris wohnt, hat soeben seine Memoiren ver öffentlicht, und dies« stellen eine wahre Fundgrube für alle Forscher dar, dis sich mit den verhängnis vollen Juli- und Augusttagen des Jahres 1914 zu beschäftigen haben. Aus ihnen geht mit abso luter Eindeutigkeit hervor, daß es russische Staats- männ«r und russische hohe Offiziere waren, durch die die Zurücknahme des Mobilmachungsbefehls, die der Zar bereits unterschrieben hatte, verhin dert wurde. Sasanow,.der wirklich kein Deutschen freund und deshalb ein für uns gänzlich unver dächtiger Zeuge ist, beschreibt ganz, ausführlich, wie er dem Kriegsmimster den Befehl des Zaren übermitteln wollte, die Mobilmachungsorder nicht zu veröffentlichen, und er schildert weiter, wÄ der Kriegsminister eÄen solchen Gegenbefehl bereits vorausgesehen und deshalb sein Telefon abgehängt hatte. Ebenso wird jetzt bekannt, daß der Kriegs minister den Zaren selbst belogen hat, indem er ihm sagte, der Mobilmachungsbefehl sei schon weitergegeben, während er bei ihm noch auf dem Schreibtisch lag. Das sind Bekundungen, an denen ein Gerichtshof nicht vorbeigehen kann und die dazu dienen müssen, der Wahrheit zum Sieg zu verhelfen, denn über eines muß man sich klar sein: Europa wird erst zur Ruhe kommen, wenn die Kriegsschuldfrage geklärt ist, und jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, diese Klärung herbeim- fiihren. England gegen Schnee (Eigener Informationsdienst.) Berlin, 22. August. Wie wir erfahren, wird die englische Presse vom Auswärtigen Amt dahin informiert, daß England eine Kandidatur Dr. Schnees für den deutschen Posten in der Mandatskommission des Völkerbundes unerwünscht sei. Man wird diese Einstellung des englischen Ministeriums nur mit äußerstem Erstaunen zur Kenntnis nehmen kön nen. Der volksparteiliche Reichstagsabgeordnete Dr. Schnee ist als ehemaliger Generalgouverneur von Dcutsch-Ostafrika ein hervorragender Sach kenner auf kolonialem Gebiet. In diesem Punkte wäre also gewiß nichts gegen ihn zu sagen. Und soll man wirklich annehmen, daß er England deshalb unerwünscht ist, weil er zu sammen mit General von Lettow-Vorbeck die heldenmütige Verteidigung von Deutsch-Ostafrika gegen erdrückende britisch-portugiesische Ueber- macht geleitet hat? Es sollte doch eigentlich ausgeschlossen sein, daß England dem Angehörigen einer anderen Nation zum Vorwurf macht, was es bei einem Landsmann als höchste Pflicht erfüllung anerkennen und feiern würde. Eng land wird sich also bequemen müssen, seine Gründe für die Ablehnung bekannt zu geben, falls man nicht glauben soll, daß es sich hier um eins persönliche Verstimmung gegen einen Mann handelt, dessen Tätigkeit den Briten während des Krieges ein Dorn im Auge gewesen ist. Eia deutscher Kommunist enthüllt Monatlich 200 000 Dollar aus Moskau für die deutsche K. P. D. Berlin, 21. 8. Das russische demokratische Emigrantenblatt „Rul" veröffentlicht, wie der Asien-Ostemopa-Diewst berichtet, in seiner Sonn tagsausgabe «ine Zuschrift von oppositioneller kommunistischer deutscher Seite, die ungeheuer liche Anklagen nicht nur gegen die Mos kauer Parteiverwaltung, sondern auch gegen das Außenkommissariat enthält. Der Briefschreiber gibt an, - allgemein bekannt zu sein und seit 20 Jahren in der kommunistischen deutschen Arbeiter bewegung zu stehen. Er will Einblick genommen haben in das Archiv der KPD., aus der er aus geschlossen worden ist. Danach erhält die KPD. monatlich aus Rußland 200000 Dol lar, welche Summe sich in der Zett, als Ruß land an Deutschland Waffen und Munition ge liefert haben soll, um 50000 Dollar mo natlich zur geheimen Bewaffnung der deutschen Arbeiter vergrößerte. Di« Technik der Fi nanzierung wirb so gehandhabt, daß in jedem Land nur vier Kommunisten von den Moskauer Geldzuwendungen unterrichtet sind. In Deutsch land sind es Eb«rle in, Pieck, Stöcker, Klara Zetkitl. Aus den Archivmaterialien gehe weiter hervor, daß das sogenannte „Kleine Büro", das die Geldüberweisungen vermittelt, im engsten Einvernehmen mit dem Außenkom- missariar arbeite. Di>e Gelder an die KPD. wer den aus den russisch-amerikanische» Handelrsum- men genommen. «Im mm Heldentat der polnischen Anfftündlschen Kattowitz, 21. 8. Eine neue Heldentat leisteten sich die Aufständischen aus Zelonze. Sie entsandten eine Abteilung nach Pamewik, wo ein Kinderfest der Deutschen stattfand. Glücklicher weise kam es zu keinen Zwischenfällen, da das Fest inzwischen abgebrochen worden war. Dafür wurde ein alter Invalide, der selbst guter Pole ist, überfallen und bis zur Bewußtlosigkeit ver prügelt, weil er angeblich „Orgesch" war. Hier auf kehrte die Bande in einem Lokal ein, wo sie die Gäste belästigte und sich öffentlich rühmte, wieder einmal jemandem die Knochen gebrochen zu haben. Der Ueberfallene mußte schwerverletzt ins Lazarett geschafft werden. Furchtbare zahlen Di« Blutarbeit des russischen Bolschewismus. Der Wiener „Reichspost" wird von einem Leser des Blattes aus Neuyork geschrieben: „In der russisch-orthodoren Erlöserkirche in Neuyork wurde vor kurzem eine Kapelle ein geweiht, welche „Der Trauer Rußlands ge widmet" ist. An den Wänden der Kapelle wurden Inschriften angebracht, die u. a. auch eine zah lenmäßige Angabe der dem Bolschewismus zum Opfer gefallenen Russen enthält. Danach wurden von den Bolschewisten ermordet: Die Zarenfamilie, 31 Bischöfe, 1560 Geistliche, 34 585 Lehrer und Aerzte, 16 367 Studenten und Professoren, 79900 Beamte, 65 890 Adelige, 56 340 Offiziere, 196 000 Arbeiter, 268000 Soldaten und Matrosen, 890 000 Bauern. Die vielen Todesopfer, welche das Bauern tum zu beklagen hat, ergeben sich aus den jahre lang dauernden und besonders blutigen Kämpfen, welche zwischen der roten Soldateska und den ihr Eigentum verteidigenden Dorfbewohnern aus gefochten wurden." Soweit die Mitteilungen des Neuyorker Le sers der „Reichspost". Aus den aufgeführten Zahlen ergibt sich, daß dem Bolschewismus in Rußland bis jetzt mehr als 1600 000 Menschen zum Opfer gefallen sind, also nicht viel weniger als der Weltkrieg dem deutschen Volke an Toten gekostet hat. Dabei sind die Massenopfer, die der Terror der Tscheka heute noch Tag für Tag fordert, überhaupt nicht eingerechnet. Me Mthotzo« Kirche hinter der Sowjet-Regierung Eine aufsehenerregende Kundgebung. Moskau, 21. 8. Eine einzig dastehende Publikation, der wörtliche Abdruck eines zwei Spalten langen Dokuments, das den ganzen Formelreichtum eines Hirtenbriefes trägt, nimmt sich in der „Jswestija" seltsam aus. Der In halt ist allerdings interessant genug angesichts des gegenwärtig verschärften Kampfes der Sow jetmacht gegen innere und äußere Feinde. Es will viel heißen, wenn die höchsten Spitzen der orthodoren Kirche in aller Form vom alten Regime abrücken, das, wie das Dokument sagt die rechtgläubige Kirche für seine Zwecke aus gebeutet habe. Der Hirtenbrief fordert alle Gläubigen zur Treue "gegenüber der Sowjet regierung auf, deren Rechtmäßigkeit er ausdrück lich bescheinigt. Stärker noch wirkt, daß der hei lige Synod sich der Nomenklatur der Dowjet- press« zur Kennzeichnung der Feinde des Sowjet regimes bedient. Eine noch deutlichere Absage an die emigrierte orthodoxe Geistlichkeit als dis Kundgebung selbst ist das Interview Sergius' für die „Jswestija" in dem es wörtlich heißt: „Im Kriegsfälle sind unsere Sympathien ganz auf Seiten des Sowjet- bündes. Wir fordern von der Geistlichkeit volle Loyalität gegenüber der Sowjetmacht." Die „Jswestija"' leitet die überraschende Kundgebung Mit einem längeren Artikel ein, der darauf hin- ausläuft, das Ganze als einen Versuch des Sy- nobs in letzter Stunde anzusehen, um die Füh lung mit den Bolksinassen nicht völlig zu ver lieren. Der wörtliche Abdruck des Hirtenbriefes aber Zeigt, daß er innenpolitisch erwünscht kommt. Dr. Wirth über die Locarnopolliik Ein Interview mit dem „Ercclsior" Paris, 22. 3. TU. (Funkspruch.) In einem Interview mit dem Vertreter des „Erceisior" erklärte der frühere Reichskanzler Dr. Wirth, daß zwischen Deutschland und Frankreich arges Mißverständnis über di« Locarno-Pokttik besteh«. Frankreich habe den Locarnopakt abgeschlossen, um eine bessere Atmosphäre zwischen den beiden Ländern zu schaffen, ohne daß der Versailler Vertrag abgeändert werde. In Deutschland könne man sich aber eine Besserung der Beziehungen ohne Erleichterungen der Lage Deutschlands nicht vorstellen. Vor allem erwarte man die Wieder herstellung der Souveränität des Reiches. Die von Deutschland erwartete Geste der Räumung des Nheinlandes sei nicht erfolgt. Wenn die Räu mung aber nicht möglich sei, so müßte die vom Vorsitzenden der Botschafterkonferenz am 14. No vember 1925 und von Briand dem deutschen Bot schafter von Hoesch abgegebene Versicherung hin sichtlich einer Herabminderung der Besatzungstrup pen in die Tat umgesetzt werden. Deutschland habe die von der Botschafterkonferenz gestellten Forderungen hinsichtlich seiner Entwaffnung er füllt. Jede Verzögerung der versprochenen Be- satzungsverminderung bilde für die Locarnopolitik eine Gefahr, da dadurch die Meinung in Deutsch land verbreitet würde, daß die Locarno-Politik Schiffbruch erlitten habe und den Deutschnatto- nalen recht gegeben werde, die behaupteten, daß diese Politik für Deutschland keinerlei Vorteile mit sich bringe. Hinsichtlich Elsaß-Lothringen er klärte Dr. Wirth, daß die Franzosen einen großen psychologischen Fehler begingen, wenn sie den deutschen Verzicht auf Elsaß-Lothringen nicht ge nügend würdigten. Die elsässische Frage sei von Deutschland endgültig geregelt worden. Man dürfe aber nicht glauben, daß der Verzicht Deutsch lands auf Elsaß-Lothringen von dem Gedanken allein geleitet worden sei, im Osten freie Hand zu haben. Deutschland habe sich verpflichtet, kein« gewaltsame Abänderung gegenüber Polen und der Tschechoslowakei zu versuchen. Deutschland wolle die Sicherheit dieser beiden Staaten m keiner Weise gefährden. Jeder vernünftige Mensch werde aber einsehen, daß sich Deutschland nicht mit einem Zustand abfinden könne, dessen Aend«- rung jedermann als notwendig betrachte. Der polnische Korridor in seiner derzeitigen Gestalt könne von Deutschland aus freiem Willen nicht anerkannt werden. Man verheimliche in Deutsch land nicht, daß man mit aller Energie ein« Er leichterung dieses Zustandes auf friedlichem Wege onstrebe. Strchenschlacht in Berlin (Eigener Informationsdienst- Berlin, 22. August. Die Zusammenstöße, die am Freitag abend in Berlin, stattgefunden haben, stellen sich als weit ernsthafter heraus, als cs zuerst den An schein hatte. Tatsächlich ist es im Anschluß an eine Kundgebung für Sacco und Vanzetti zu einer Straßendemonstration gekommen, die einen blutigen Verlauf genommen, hat. Der ungeheure Demonstrationszug versuchte vor die amerika nische Botschaft zu kommen, die starken poli zeilichen Schutz erhalten hatte und im weiten Umkreis abgesperrt war. Bei dem Versuch der Massen, den Polizcikordon zu durchbrechen, kam es zu Zusammenstößen, die nach den Berichten von Augenzeugen an Schwere alles übertreffen, was Berlin in den letzten Jahren erlebt hat. Minutenlang wurde Mann gegen Mann gerun- gen, bis die Polizei Verstärkung erhielt und nun ihrerseits mit dem Gummiknüppel gegen die Menge vorging. Diese wurde in die Leipziger Straße gedrängt, wo noch ziemlich starker Ver kehr herrschte, so daß ein unglaublicher Tumult entstand, in den auch gänzlich Unbeteiligte hin eingerissen wurden. Derartige Vorkommnisse können selbstverständ lich nicht scharf genug verurteilt werden. Man denke bloß einmal, welche außenpolitischen Fol gen für Deutschland daraus entstehen können, wenn es in Berlin etwa zu Tätlichkeiten gegen das Personal der amerikanischen Botschaft kommt. Ueberdies weiß jeder, der die Amerikaner kennt, ganz genau, daß mit derartigen Demonstrationen höchstens das Gegenteil von dem erreicht wird, was die Demonstranten erzwingen wollen. Wen» die amerikanischen Behörden sich so unnachgiebig im Falle Sacco nnd Vanzetti zeigen, so ist das zum guten Teil darauf zurückzufahren, daß sie