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'' m Freitag den 17. zmii 1927 nachmittags 88. Zahrgang Das «ngelöfte BesaHungsproblem Ergebnislose Beratungen in Genf Kehraus in Genf Dens, 17. 6. (Funkspruch.) Nach Erledigung bar letzten Programmpuntte in der heute vor- Mtag beginnenden Völkerbundsratssitzung werden bi« Melsten Delegationen voraussichtlich bereits Heute abend Genf verlassen. Chamberlain dürfte Heute abend ab reifen, während Dr. Stresemann stach den bisherigen Dispositionen vermutlich erst arm Sonnabend abend oder Sonntag früh Genf verlassen wird. Ein Teil der deutschen Delega tion reist bereits Sonnabend früh ab. Wie jetzt bekannt wird, ist in den Besprechungen der sechs Staatsmänner auch die Regelung des Msläwisch-albanischen Streitfalles eingehend be- handelt worden. Ls soll eine Einigung dahin «Welt worden sein, daß eine Völkerbundsinter- Mitlon in diesem Konflikt nicht als zweckmässig ÄNgefthen werde. Ferner soll beschlossen worden fein, bet den beiden beteiligten Negierungen aus möglichst baldige Regelung der Streitfrage hin- gUünrkon. Wie verlautet, ist der Vertrag von MM» in den Verhandlungen nicht berührt würden. BrSsMung Deutschlands (Von unserem Berliner Vertreter.) Berlin, 17. Juni. Di« Genfer Konferenzen haben, worüber letzt Gewißheit besteht, kein Ergebnis gezeitigt und Pis plötzliche Abreise des französischen Außen- tninisters Briand nach Paris wegen einer leich- ten Krankheit muh als Brüskierung des Reichs- ÄlhrNministers aufgefaht werden. Noch am Mitt woch abend wurde zwischen Dr. Stresemann und i>M übrigen Locarnomächten eine Zusammenkunft vereinbart, die nicht unter Hinzuziehung Dr. Stre- fematms lediglich zwischen Briand, Chamberlain Md Banderoelde stattfinden und der abschließen- Hrjr Erörterung des Nheinlandproblems gelten W W- Wie wir von maßgebender Seite erfahren, W der französische Außenminister in der Frage dir Besatzungsverminderung Herrn Dr. Strese- Mun in den vorangegangenen Besprechungen Mr aanz vage „Zusicherungen" gemacht. Es ist Witt Tatsache, daß die französische Regierung M Mf Zahlen bezüglich der Zurüchiehung fran- KsisHer Besatzungstruppen aus dem Rheinland nicht sestgelegt hat. In Berliner diplomatischen IMsen nimmt man an, daß jetzt wieder ein MMtenger diplomatischer Meinungsaustausch tzwWen Berlin und Pans über das Besatzungs- Krobkem einsehen wird. Das Ergebnis wird sicher lich darin bestehen, daß die französische Regierung ttne Umgruppierung des Besayungsheeres vor- Nhmen läßt und bei dieser Gelegenheit nur einige Mnme tausend Mann aus dem Rheinland zurück» tziehrn wird. Die in einem Teil der französischen Md der deutschen Presse bereits gemachten Zahlen- ützgaden werden an zuständiger Stelle nicht be- Mtlgt, d. h. es könne gar keine Rede von der Bereitwilligkeit Frankreichs, die Besatzungstruppen UM 18000 Mann zu vermindern, sein. Bei den Mnmehr einsetzenden neuen Verhandlungen des deutschen Botschafters in Paris, von Hoesch, bzw. des Botschaftsrates Dr. Rieth, wird es sicherlich noch zu Meinungsverschiedenheiten kommen, und War aus dem Grunde, weil man in Paris erklärt, bi,! Besatzungsmacht Frankreich» M Rheinlands befrage nur etwa 45 MO Mann. Tatsächlich sind aber im besetzten Gebiet etwa 60000 Mann fitznzösischer Trupven unlergebracht. Diese Mei nungsverschiedenheit erklärt sich daraus, weil Frankreich das umfangreiche technische Personal rft Höhe von über 10000 Mann nicht als Militär in dem Sinne betrachtet, sondern als Zivik- herkünen. Man nimmt an, daß Dr. Stresemann nun- mehr bereits am Sonnabend nach Berlin zurück- fetzten wird, gegenüber der ursprünglichen M- M, erst am'Sonntag oder Montag Genf zu Mlassen. In der nächsten Woche soll dann di« außenpolitische Aussprache im Reichstag stattfin» HM zu welchem Zweck wahrscheinlich die Sozral- dechokraten eine Jnt«rpellation einbringm wer» dili. Angesichts der ergebnislosen Genfer Vera- tzMen wird der Reichsaußenminister dem Nedhs- Me keine sensationellen Mitetlungen machen können. Wie Mr von parlamentarischer Seite er- füMn, erwägen die Regittung^parteien di« 4lb- «abe einer formulierten Erklärung, in der di« WHafte Enttäuschung Über di- Genfer Verhand- Wßen und namentlich darüber zum Ausdruck kom- Mn soll, daß eine erhebliche Verminderung der französischen Besatzungstruppen schon für die aller nächste Zeit nicht in Erscheinung treten wird. Der Reichsaußenminister dürfte im übrigen, bevor er im Plenum das Wort ergreift, zunächst im- Auswärtigen Ausschuß vertrauliche Mitteilungen über seine Genfer Besprechungen abgeben. Briand wieder in Paris Paris, 17. 6. Til. (Funkspruch.) Briand, der auf Anraten seines Arztes gestern Mittag Genf verließ, ist am späten Abend in Paris ein- getroffen. Er wurde am Bahnhof von zahlreichen persönlichen Freunden begrüßt. Poincars hatte eine» Vertreter entsandt. Die französische Presse über das Genfer Ergebnis Paris, 17. 6. (Funkspruch.) In einem Kommentar zu den gestrigen Genfer Ereignissen spricht Pertinar im „Echo de Paris" von einem plötzlichen Abbruch der Verhandlungen zwischen Stresemann und Briand. Briand hätte Strese mann wohl eine Verminderung der Nheinland- besatzung zugesagt, ohne daß Stresemann hierfür feste Bindungen erhalten hätte. Gestern hätte noch eine entscheidende Unterredung zwischen den beiden Außenministern über diesen Punkt statt finden sollen. Briand sei jedoch vorher von Genf abgereift und dürfte durch feine Erkrankung für Wochen vom Quak d'Orsay ferngehalten werden. Pertinar führt weiter aus, daß Briand nur in folge der Schwierigkeiten, denen er bei der Ver wirklichung der Politik von Thoiry begegnet sei, das Tempo der Annäherung verlangsamt habe. In den Unterredungen zwischen Stresemann und Briand solle auch von der Räumung selbst die Rede gewesen sein. Die Forderung Briands nach Schaffung einer Kontrollkommission in der ent militarisierten Zone hätte Stresemann aber mit der Forderung nach Ausdehnung der Kontrolle auf 'französisches Gebiet beantwortet. Der Genfer Korrespondent des „Petit Pari- sien" erklärt, daß Dr. Stresemann diesmal nicht mit leeren Händen nach Berlin zurückkehrs. Als Erfolg« des Reichsaußenministers bezeichnet er die als sicher anzusehsnde Aufnahme Deutschlands in dis Mandatskommission des Völkerbundes, sowie das Uebereinkommen in der Memelfrage. Das Ergebnis der Besprechungen des Völkerbundrates über das russische Problem faßt der Korrespon dent dahin zusammen, daß bis auf weiteres jeder Staat seine voll« Handlungssrecheit beibehalte und Chamberlain seine antirussische Politik allein fortführe. Zu der gleichen Frage erklärt Sauer wein im „Matin", daß Frankreich als Verbün deter Polens das grüßte Interesse daran habe, im Voraus die Haltung Deutschlands hinsichtlich des Artikels 16 des Völkerbündpaktes zu kennen, da es von der Entscheidung Deutschlands ab- hängen würde, ob Frankreich seinem polnischen Verbündete» militärisch bei stehen könne. MNsGerln offiziell gewarnt (Eigener Informationsdienst.) Berlin, 17. Juni. Di« jüngsten Massenhinrichtungen in Sowjet rußland und die scharfen Noten der Moskauer Regierung an das Warschauer Kabinett, in denen im'Zusammenhang mit der Ermordung des sowjet- russischen Gesandten in Warschau immer mehr gesteigerte GeimatuungsforderuMen gestellt wur den, hat bekanntlich nicht nur im Auslands, son dern auch bei der Reichsregierung das größte Befremden hervoraerusen. Wis jetzt feststeht, war dies« Angelegenheit auch Gegenstand der Be sprechungen des Reichsaußenministers mit Briand, Chamberlain, Vandervelde, Scialoja und dem iapaittsch«n Delegierten in Genf. Man hatte als auffällig^ vermerkt, daß der russische Volkskommis sar für Auswärtiges, Tschitscherin, sich noch immer in Berlin aufgshalten Kat und erst ayr Donners tag abend die Mückreise nach Moskau antrat. Wie wir von maßgebender Seite erfahren, hing die Anwesenheit Tschitscherins mst den Genfer Besprechungen der sechs Mächteoertreter über das Nussianopröblem zusammen. Die Neichsregie- runa HW « für ihrs Pflicht, Herrn Tschttscherin über die Auffassung dieser Mächis, allo auch Deutschlands über die neue Moskauer Terrorvolitik nicht im Unklaren zu lassen und aus diesem Grunde fanden in den letzten Tagen wiederholt Besprechungen der maß ¬ gebenden Stellen des Auswärtigen Amtes mit dem russisch«» Volkskommissar für Auswärtiges statt, r» denen ganz klipp unk klar zum Ausdruck gebracht wurde, daß eine Aenderung der Politik dieser Mächte, also auch Deutschlands, gegenüber Sowjetrußland in Erscheinung treten müßte, wenn man k» Moskau nicht eine Neuorientierung hin sichtlich des Terrors, der kommunistischen Aus- landspropaganda und der Politik gegenüber War schau vornimmt. Zu den Berliner Besprechungen ist auch der russische Botschafter Krestinski wie derholt hinzugezogen morden, und deutscherseits hatte vor allem der noch in Berlin weilende deutsche Botschafter in Moskau, Graf Brockdorff- Rantzau, die Informierung Tschitscherins und Krestinskis über die Genfer Rußlandbesprechun gen übernommen. Es wird an maßgebender Stelle im übrigen ausdrücklich darauf hingewiese», daß bei dieser Gelegenheit die Frage einer Ver mittlung Deutschlands im englisch-russischen Kon flikt nicht zur Debatte stand. Der britische Außen minister Chamberlain hat einen derartigen Wunsch kn Genf auch nicht zum Ausdruck gebracht. Wle Mauen die Genfer Abmachungen durchführt Memel, 16. 6. Nachdem in Ker gestrigen Völkerbundsihung der litauische Ministerpräsident Woldcmaras das Versprechen abgegeben hat, die Memelkonvention durchzu führen, wurde heute der genaue Wortlaut seiner Erklärung in den Memeler Zeitungen vom Zensor gestrichen (!), so daß in den hiesige» Kreisen die Skepsis gegenüber der weiteren Entwicklung der Dinge wächst. Der vom memelländifchen Krkegskommandanten zu sieben Tage» Arrest verurteilte Geschäftsführer i der „Memelländischen Rundschau" ist nach Ver büßung seiner Strafe aus dem Memeler Ge richtsgefängnis entlassen worden. Schluß der internationalen Arbetts- tonferenz Genf, 16. 6. Die internationale Arbeitskon- f«rsnz hat heute nachmittag ihren Abschluß ge funden. In der Schlußansprache drückte der Präsident sein lebhaftes Bedauern darüber aus, daß es nicht gelungen sei, aus dem Gebiete der syndikalen Gewerkschaftsfveiheit zu einem Ergeb nis zu gelangen. Er hoffe jedoch, daß es möglich sein werde, in Zukunft von neuem di« außer- ordentlich wichtige Frage zu prüfen. Der Di rektor des internationalen Arbeitsamtes, Albert Thomas, wies zum Schluß darauf hin, daß es km Verlauf« dieser Konferenz gelungen sei, für di« so sehr wichtige Sprachensrage eine Rege lung zu finden. Ferner fei für die international« Arbeitskonferenz des nächsten Jahres die Erör terung der Halbarbeit und diejenige der mangel haften Entlohnung der Arbeiter in Aussicht ge nommen. MW Methoden Von Dr. Külz, M. d. R.- Die Arbeitsnrethoden des Reichstags haben sich im letzten Jahre auf ein wesentlich höheres Ni veau gehoben als sie sonst nach den: Kriege ein nahmen, und es ist sogar im vorigen Jahre möglich gewesen, den Haushaltplan rechtzeitig bis zum 1. April sertigzustellen; auch in diesem Jahre gelang seine Fertigstellung noch in den ersten Apriltagen. Seit einiger Zeit macht sich jedoch ein erheb licher Rückschlag bemerkbar. Schuld hieran ist im wesentlichen aber nicht der Reichstag, son dern die Reichsregierung, die mit sehr wichtigen Gesetzen bis zum letzten Augenblick, wo sie notwendig werden, wartet und so den Reichs tag,' der sich au« Mangel an Beratungsstoff oft längere Oster- und Pfingftferien geben muß, zwingt, im Schnellzugstempo Vorlagen durchzu- brraten, deren Wichtigkeit an sich eine gründ liche und sorgfältige Behandlung erfordert. Ganz übel ist das Bild, was sich jetzt nach dem WiederzusamMentritte des Reichstags für den Rest der noch bevorstehenden Sommertagung bietet. Es soll nicht geleugnet werden, daß auch dis felsige Reichsregierung ein ganz außerordent liches Maß an Arbeit zu bewältigen hat, aber dl« Verzögerung wichtiger Gesetzesvorlagen bis zum letzten möglichen oder schon mehr unmöglichen Termin führt doch zu kaum noch haltbaren Zu ständen Bis länger als Mitte Juli lvird sich aus klar zutage liegenden Gründen ein arbeits fähiger Reichstag kaum zusammenhalten lassen. In diesen vier Wochen sollen zunächst einmal eine ganze An,zahl umfangreicher Gesetze, die dem Reichstag bereits vorliegen, behandelt werden, so Kurzer Tagesspiegel Reichsaußenminister Dr. St rese» mann veranstaltete «Kien Bierabend für di« deutsche Studentenschaft der Genfer Universität, Deutschland erhält «inen Sitz in der Man datskommission des Völkerbundes. DerVölkerbundsrat nahm Stresemann» abgeändertes Referat zum Schlußbericht der Welt» wkrtschastskonferenz an. Die französische Kammer hat der Re» gierung zweimal das Vertrauen mit 327 gegen 200 bezw. 324 gegen 224' Stimmen ausgesprochen. In der sran zöfischen Kannner fand eine große Heeresdebatte statt. An der tripolitanischen Küste kam es zu einem neuen französisch-italienischen Zwischen» fall. Der italienische Pilot de Pinedo ist nach Beendigung seines Weltfkuges in Rom feierlich empfangen worden. Im Londoner Vorort Watford hat sich ein ausgedehnter Erdrutsch ereignet, bei dem ganze Gärten in ein mächtiges kraterförmige« Loch versunken sind. Bei einem Fußballwettspiel in Prag kam es zu Ausschreitungen tschechischer Soldaten gegen die deutschen Fußballspieler. Die südslawischen Konsuln in Alba nien haben das Land verlassen. Dre 10. internationale Arbeitskon» ferenz ist geschlossen worden. Am 19. Juni wird"die bulgarisch« So li ran je mit Verlesung der Thronrede eröffnet. Trotz eifrigster Nachforschungen nach dem Ver« bleib Nungessers und Cokis mittels Flug zeugen konnte nichts von den Fliegern festgestellt werden. Tschangtsolin hat den Oberbefehl über dre chinesischen Nordtruppen übernommen. 'M'""'"""> "" ' . MSS z. B. die Reichsdienststrafordnung, di« rm Arisschuß durchberaten ist, und das Gesetz, da» der Förderung des Beamtenheimstätten- baues dient. Für die erste Lesung sind reif der Entwurf eines Gesetzes über Kriegsgerätz mit dein eine der Entente früher gegebene Zu sage gehalten werden soll, und das Schank- st ä t t en g e s« tz. Vor allem aber soll auch die erste Lesung des umfangreichen und wichtigen Ent wurfs eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs über die Bühne gehen, und auf dem Gebiete der Sozialpolitik soll das im zuständigen Ausschuß befindliche Gesetz über die Arbeitslosenversicherung noch ver abschiedet werden, uni die öffentlichen Lasten der Erwerbslosenfürsorge spätestens am 1. Oktober 1927 herabzumindern. Es kegt auf der Hand, daß schon die Be ratung dieser Gesetze den Reichstag bis Mitte Juk voll beschäftigen würde. Nun zwingt aber der Ablauf einer Reihe befristet erlassener Gesetze oder die politische Lage zur beschleunigten Ent scheidung aus einer großen Anzahl weiterer Ge biete. Reichsmietengesetz und Mieter- schutzgesetz sind bis zum 1. Juli befristet. Die Frage der Verlängerung oder der Aufhebung muß also bis dahin entschieden werden. Die Pachtschutzverordnung läuft am 30. Sep tember ab. Eine rechtzeitige Erneuerung ist schon deswegen geboten, weil den Ländern Zeit genug zu den durchaus nicht immer einfachen Ausfüh rungsvorschriften gegeben sein muß. Auf dem Gebiete der Zollpolitik müssen grundlegende Vorschriften im Hinblick auf demnächst abläufend« Provisorien erlassen werden. Die Lage der Liquidatiosgeschä di gten zwingt schon aus rein menschlichen Gründen zu möglichst be schleunigter gesetzlicher Hilfe, ebenso das Gesetz über die Erhöhung der Beamtenbs- züge. Von dem Reichsschulgesetz ist von dem Zentrum und den Deutschnaticmalen soviel gesprochen worden, daß eine Verzögerung dieses Gesetzes von der Regierung kaum verantwortet werden könnte. Alle diese Gesetze, die in ihrer Mehrzahl endgültig verabschiedet werden-müssen, liegen zur Stunde dem Reichstag überhaupt noch nicht vor. Zu den im vorstehenden gekenn,zeichneten drin genden bezw.. zwingenden Gesetzesvorlagen gesellt sich eine, ganze Anzahl weiterer gesetzgeberischer, erst noch einxubringender Vorlagen, die lm 'In teresse der Beteiligten nicht länger eirtbehrt werden können, so über die Verei» heitll ch u ng de»