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Tchwaa« geschafft, so eilte sie schnell Henn, um nach etwa s einer stund« wieder zurückzukehren. Galt es doch, sich" zur ' restlosen Ausfüllung ihres Postens die nötigen Kenntnisse auch in den verschiedenen Formen der Buchführungsmetho den anzueignen, wobei ihr Le Fuet bereitwillig und liebens würdig zur Seite stand. Es war sonderbar! Die Tage nach Wokss Abfahrt waren chneckenlangsam dahmgekrochen Zwei lange Zähre! Wie ollt« sie das nur überstehen! Und nun, im Takte des Ge- chästsganaes, im klug durchdachten Weben eines feinmaschi gen Betnebes, flog die Zeit wie der Sonnenball am Aimm«I dahin. Heddi hatte sich vorgmommen, Wolfs Brief während der Mittagspause zu lesen, denn sie wollte von ihrer Zeit dem Geschäft das zukommen lassen, was ihm füglich ge bührte.' Dennoch — es war doch der erste lange Brief von Wolf, di« erste Aufklärung über das, wie er es dort drüben angetrosfen, wie er sich eingerichtet hatte — sie konnte es nicht über, Herz bringen, den Brief ungelesen zu lassen. Während eines ruhigen Augenblickes nestelte sie ihn aus ihrem Kleid« hervor und breitete ihn vor sich aus, um mit frohieuchtenden Augen und glühendem Gesicht den Wov- t« ihre« Woks zu folgen. Während die West um sie her in nichts versank und sie nur nach d«n Klängen ihrer Lieb« lebte, hatte sie plötzlich den Einbruch als Mrd« si« beobachtet. Ein leichter Schatten lag auf dem Papier. Schnell kehrt« fi« dar Gesicht zurück — hinter ihr stand L« Au«t. „Ich bitte vielmals um Verzeihung, gnädiges Fräulein, ab« —" Heddi kühlte «ine brennende Röte in ihrem Gesicht. Sie wandte dl« Augen zur Seite, strich mit der Hand nervös üb« di« Stirn und faltete den Brief schnell in den llm- schkm hinein. „Bitte," sagt« sie mit etwas unsicherer Stimme, „ich kann den Brief auch nachher lesen." „Lass«, Sie sich meinetwegen nicht stören —" „Nein, nein, ich lese ihn nachher." „Ich wollte mich nur erkundigen, ob Sie heute abend ein Stündchen länger Zeit als gewöhnlich haben. Es ist mir da «ine unangenehm« Arbeit übriggebliebrn, die ich gern erledigt haben möchte, das Vergleichen des Memorials mit d«n Zahlen im Kontokorrent. Für einen einzelnen Men schen ist das eine mühsame Arbeit, gemeinsam macht es sich ganz flott. Würden Sie mir wohl helfen wollen?" „Ab« herzlich gerne. Wenn es viel ist, können wir ja di« Arbnt über verschieden« Abende verteilen." „Daran hab« ich auch gedacht. Nun, wir werden sehen, wi« weit wir komm«n." Damit ging Le Fuet aus dem Kassenraum. Durch die Scheiben d«r Mr blickte er noch einmal aufmerksam ans Heddi zurück. Die hatte sich über die Arbeiten gemacht und schrieb «ifrig im Kassenbuch. Hm, dachte Le Fu«t, so steht es also um sie. Was ich da in den kurzen Augenblicken erhascht habe, läßt aus ein ^r^zarte« Verhältnis schließen. Es ist doch ein allerliebstes Er ging ins Hauptbüro hinüber. Dort sah Stüben, der den blitzenden Kopf eines neuen Maschinenöl«» interessiert und mit sachverständigen Augen betrachtete. „Es bhnbt also dabei, Felir." L« Fuet l«gte sich lässig in einen breitlehnigen Leder sessel zurück. „Wobei soll's bleiben?", fragte Felir, dessen Gedanken »«der b«i dem Oeler noch bei den Worten seines Sozius zu sein schienen. „Nun, mit deiner Reise nach Mecklenburg." „Ist das notwendig?" „Wenn du nicht willst, werde ich fahren. Ich halte es für sehr nützlich, die Kundschaft ab und zu aufzusuchen. Zunächst lernt man sich kennen und bereitet spätere Ge schäft« vor, dann aber kann man den Herren gleichzeitig zart auf den Geldbeutel tippen. Wir haben gewaltige Auhen- ständ«, die möglichst schnell hereingebracht werden müssen." Da» leuchtete Felir allein ein. Er sah sinnend durchs Fenster. Eigentlich hatte er recht, ging es ihm durch den Sinn. Eine solche Reise macht sich sicher bezahlt, und ich komm« dabei aus dem Bau. Ich fühle mich hier sowieso recht überflüssig, besonders, seitdem mir dieser scharfäugige Unterrock an der Kasse sitzt. Das Mädel scheint mit Le Fuet unter einer Decke zu stecken. Sie wollen mir die Flügel «schneiden, ihre Scherr ist scharf, es tut weh. »Wi« ist « d«nn mit dm Spesen?", fragt« er leichthin. „Vertrauensspesen, das ist klar, mein lieber FLr. Du als Fabrikbesitzer muht dich doch bewegen können." Eine kleine Weile blieb es ruhig zwischen dm bei dm. Dann sagte Felir mit sichtbar aufheiternder Men«: „Hm, weiht du, ich mach's, ich fahre." „Siehst du, vernünftigen Gedanken kannst du dich nicht verschließen. Man mutz dir nur ein wenig zureden. Wenn ich dir raten darf, setzt du dich schon heute Mittag oluf dk« Eisenbahn und gondelst in die weite Welt hinaus. Brauchst du Geld, so telegraphierst du. In vier bis sechs Stunden hast du deine Brieftasche wird« gefüllt." Diese Aussicht lockte Felir so, daß er noch am gleichen Tage mit einen: grohen Pack Quittungen davonsuhr. Heddi fand sich an diesem Abend pünktlich zur verab redeten Zeit im Geschäft ein. Eine feierliche Ruhe lag über den Werkstätten. Dort, wo die Schmiedefeuer sonst lustig flackerten, lag es jetzt in verschwelender Glut. Das Summen der Motore, der lustige Gesang der Hämmer war verstummt. Neben dem grohen, leicht rauchenden Schorn stein lag das satte Rot des sinkenden Tages. Als Heddi das Büro betrat, wedelte ihr der Wachthund ein schöner deutscher Schäferhund, zu. Sonst war er ihr stets lebhaft und mit freudigem Gewinsel entgegmgesprunl- gen. Heute senkte er den Kom, seine Augen schienen traurig. „Ja," trat der alte Wächter aus dem Hintergrunds des Büroganges hervor. „Ihm ist ungemütlich, Fräulein Schrattenholz. Er hat meine sämtlichen Stullen verzehrt, und da habe ich ihm eine tüchtige Tracht Prügel als Belag geben müssen." Heddi zog den spitzen Hundekopf liebkosend gegen sich und streichelte das rauhe Fell. Dann öffnete sie ihre Tasche, entnahm ihr einige Schnitten, die sie sich für d«n Abend hatte zurecht machen lassen und reichte sie dem Wächter. „Hi«, nehmen Sie, Knörrchen. Ich kann essen, wenn ich wieder heimkomme. Sie müssen die ganze Nacht aushalten." Mit hilflosen Dankesworten nahm der Alte das Geschenk entgegen. Er hatte die Aufgabe, stündlich den gesamten Betrieb und die Büroräume während der Nacht mit seinem Hunde abzugehen. Sein« Treue und sein Pflichtgefühl waren allbekannt. So lange er hier die Wache innehatte, warm ungebetene Nachtbesuche den Fabrikanlagen ferngeblieben. Als Knörrchen eben die Treppe vom Bürohaus aus den Hof hinabsteigen wollte, wurde er aus dem ersten Seiten fenster angerufen. Ls war Le Fuet. „Bis um elf Uhr brauchen Sie das Büro nicht zu be wachen, wir sind bis zu dieser Zeit hier. Ich werde nachher zu Ihnen kommen und Ihnen die Schlüssel geben." „Gut, gut, Herr, es wird gemacht," brummte Knörrchen vor sich hin. Dann schlürfte er neben seinem Hund in dm langen Fabrikhof hinein. Im Hauptkontor sag Heddi unter dem runden Schein der Tischlampe dem Sozius ihres Schwagers gegenüber. Der hatte das Memorial vor sich Md sagte mit monotoner Stimme eine Zahl nach der anderen an, die dam Heddi aufmerksam und gewissenhaft in ihrem Buche anhakte Die Arbeit mochte ungefähr eine halbe Stunde gewährt haben. Dann reckte sich Le Fuet empor und schob das Buch von sich. „Wie gefällt Ihnen das Leben im Geschäft?" Heddi kam diese Frage etwas unvermutet. Doch glaubte sie, Le Fuet sei durch das lange Schauen in die Zahlen reihen ermüdet und wolle sich einige Augenblicke Ruh« gönnen. Deshalb antwortete sie unbefangen: „Wenn's vorwärts geht, macht es sicher große Freude." „Ja, wenn's vorwärts geht." Le Fuet zündete sich eine Zigarette an. „Aber gcht's denn vorwärts?" „Ich denke doch. Der Betrieb ist voll beschäftigt." „Das wohl. Aber das ist noch kein Zeichen für einen günstigen Verlauf der Dinge. Ich darf doch offen zu Ihnen sein?" „Ich bitte darum, Herr Le Fuet." Heddi fühlte eine bange Erwartung in sich. Der Un klarheit über die gegenwärtige Geschäftslage ihres Schwai gers sollte also jetzt Gewißheit werden. Die ersten Worte Le Fuets hierüber waren wenig günstig, „Gut, ich will's Ihnen sagen. Der Betrieb, wie er bisher von Ihrem Schwager geführt wurde, ist vollkommen ver lottert. Die Kundschaft zahlt schlecht, ist nie gemahnt wor den; er hat große Einkäufe gemacht, ohne daß dem Es- schäft hierfür die nötigen Mittel zurückgeflossen wären. Auf der anderen Seite sind die Lieferanten für das Rohmaterial recht mangelhaft befriedigt worden. Sehen Sie diesen Stoß Rechnungen. Das alles steht offen und harrt sein« Ev- ledigung." LFortsitzung folat-t