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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankeuberger Tageblatt Rr. ll Somtag. des 6. Febnar . LM 6Me StuZ-en. (Sonntagsgedauken von Pst Schneider-Erdmmmsdorf.) Stille Stunden, wer hat sie heutzutage noch, wer kann sie sich schaffen, wer nutzt sie recht, wenn er sie jem eiges neunen darf? Anfang Februar geht dl« Sonne eine halbe Stunde früher auf und dreiviertel Stunde später unter als zu Neujahr; es ist also eine Stund" länger Tag. Immerhin dauert die Dunkelheit noch lange genug ir diesem Monat. Fragen wir uns, was wir da anfangen, ob wir sie auch richtig verwerten. Sie bringt uns Stunden der Stille, da wi. uns aus uns selber besinnen können und Einkehr in uns und Zwiesprach mit unserm himmlischen Vater halten. Aber tun wir denn das auch ? Für alles haben wir Zeit; warum haben wir so wenig Zeit sm unsere Seele? Der Berns nimmt uns den größten Teil des Tagec in Anspruch, und dann wollen wir uns erholen, jeder auf sein- Weise: aber unser inwendiger Mensch geht leer aas Für die Gesundheit de- Leibes und zur Stählung des Körpers, auf Turnen und Sport ver wenden wir viel« Stunden, aber für die innere Gesundheit haben wi wenig übrig. Ueber Verdienst und Ausgaben wird abgerechnet; -abei wie es innerlich um uns steht, wird geflissentlich übersehen. Ebensc mangelt uns auch so oft die richtige Beurteilung unseres Leben-, die wahre Lebensweisheit. Die Bilder und Dinge der Welt nehmen unseren Sinn gefangen: Sorgen und Nöte, Enttäuschungen und Schmerzen, Lüfte und Leidenschaften, Freuden and Vergnügungen. Sie trüben uns den Blick. Sie lassen uns nicht zur Sammlung kommen. Sie rauben uns das Höchste und Best«. Es fehlt uns die Akbludung mit unserem Gott, die Gemeinschaft mit unserem himm- nschen Vater, mit unserem erhöhten Herrn und Heiland, die vornehm« uch aus den Men Stunden erwächst, und die allein uns in den Stand ktzt, mit den mancherlei Fragen des Daseins und mit d« harten Kämpfen des Lebens fertig in werden. Wenn wir nur fl.ißiger stille Stunden uns schaffen wollten, wir würden nicht mehr so unruhig und unsicher leben, nicht mehr so un wirsch und unlustig nnS zeigen, nicht mehr so zerfallen s«in mit Gott «sd aller Welt. Wir würden stärker und getroster unsere Straße ziehen können tm Schatteil des an zahllosen Menschen Sek Zonen und Zungen reich gesegnete» PsalmistenworteS: „0b ich fchmr wanderte im flüstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist ba attr, dein Stecken und Stab trösten mich!" Wem — und doch nicht allein. Wer ist das auch nicht gefährlich für unser inneres Lebe»? S« nr aus sich selbst gestellt ist, wird' der nicht in der Wett sich verlassen ihlen; ist nicht das Dichterwort wahr: „Wer sich der Einsamkeit er« ibt, der bleibt allein?" Und sind wir nicht alle in die Gemeinschcht neingeboren und sür die Gemeinschaft bestimmt? Gewiß, die richtig- Reihenfolge wird immer di« sein, die der Vrophet esaja andelltet: „Durch Still-fein werdet ihr stark sein". Erst mit nserem Herrn in die Stille, dann mit unserem Herrn in den Kamps; cst wie Maria zu Jesu Füßen und dann wte Martha in seine» Dienst; .st die Einsamkeit, dann die Gemeinschaft. Wilhelm Löhe hat einmal yagt: Einsamkeit und Gemeinsamkeit sind die beide» Quellpunkte für in gesundes inneres Leben." Dieses Wort deS reichgeiegneten Dia- 'nisseuvaters und Seelsorgers wird durch die Erfahrung immer wieder stätigt; doch wohl auch durch unsere. Und nun wissen wir, wie lser inneres Leben gesund bleiben oder gesund werden kann. Laßt uns Gott danken sür jede stille Stunde, die er »nS schenkt, und sie nützen sür unsere Seele, damit wir stark werden znm Kampf und freudig zum Dienste und tapfer zum Leben! Möchten wir viele die Wahrheit des alten ProphetenworteS erfahren (Jesaja 30,1!»): „Durch Stillsein und Hoffen werdet ihr stark sein." „Und wen» mei»e Tage in Unrnhe gehe», mich selbst laß i» Ruhe doch sein. Tiesinneu muß alles laute Geschehen iu die Stille münde» hinein. Da verrinnt, was wertlos, und bleibt was von dir. So mag mich treiben die Zett. Eiust schenkst du doch, Herr, deine Stille mir iu der seligen Ewigkeit." (Maria FeefchH. O otte VursGenHerrNGkett" Roma« von Pa«l Hai« (Copyright 1925 by Verlag Oskar Meister, Werdau.) 3 Nachdruck verboten Renate stand noch eins Weile wie im Taumel da. Was war das? Lieser Kutz auf der Hand — er glühte noch immer. Und doch war er nicht wild und begehrlich gewesen, saust und vorsichtig hatten dis Lippen für einen kurze» Augenböck aus der weiche« Haut gsncht. Wie trchimend strich sie über die Stirn und ging langsam in das Zimm« zurück, wo Frau Raimund sich noch aushielt.. Jetzt erst kam es Renate zum Bewußtsein, wie schnell alles ' „Ja, tu' das, Kind — um elf sm^t die Kirche au. Ltd bring' mir guten Appetit mit." Renat« blieb vor dem hohen Spiegel ihres MLdchwyim» mers stehen. Sie hatte ihr Hauskleid an, aber sie fach <wch darin wie ein Frühlingsgeschöpf aus, denn di« schüfe Ein fachheit des Kleides verbarg die schlanke Schönheit ihr« Gestalt ebensowenig wie das Helle Voilekleid, das sie mul überzog, und das mit seinem ovalen, rankenbestickten Ausschnitt und der Seidenschärpe um die schmalen Hüften wie ei« -weitze, hi« und da buntbetupfte Wolke um ft« hing. -1 Lange stand sie vor dem Spiegel und betrachtet« ihr BSd, ' und in ihrem Herzen wurde zum erstenmal die verfwhle« Frage lebendig: Bin ich schön? Bin ich denn so schön, daß jemand meine Hand küssen mutz, well es ihn dazu zwingt? Da kam wieder eine' hilflose Verwirrung üb« sie — «ine fein« Röte stieg ihr über Nacke« und Hals in di» Wangen, und sie wandte sich ab, um nicht ihr «genes Er» röten sehen zu müssen. , Eine Stunde später begab sie sich in die Kirche, die mitte« in der Stadt auf einem kleinen Hügel lag und mit seine« hohen Spitzbogenfenstern aus die romantische Eiebelherrlich- keit herabsah. Das goldene Kreuz aus dem Spitzturm bkckto weithin in der Sonne. — Renate «ahm ihren gewohnten Platz auf der Galerie ein, wo immer ein wundersames Dämmerlicht war, wohin die Worte des alten Pastors so gedämpft hinklangen, wo die Orgelmusik am prächtigsten zu hören war und von uto au» man durch dm oberen, durchsichtigen Teil der Fenster in die grüne Weite jenseits der Stadt blicken konnte. Da satz es sich am besten. Da war gut Träum««. Mächtig dröhnten nun die breiten Akkorde der OrgÄ durch das Kirchenschiff. Die Gemeinde stimmte das Emgangsüed au. Renatos Helle Stimme fiel in die Vklodie «in. Nun trat Pastor Wulle aus der Sakristei. E» voll«; gegangen war. Es warm ja doch nur Sekunden gewesen — die kurzen Fragen von Schlieben, ihrs Antwort — und dann der Kutz. Und es war gut, datz ihre Mutt« nicht hin zugekommen war. Diese sagte nun: „Das ist offenbar ein Herr aus sehr feinem Hause, von Schlieben l Mim merkt ihm die Weltgewandtheit an. So schnell und — ich kann gar nicht anders sagen s- so liebeim- würdig und doch emst hat noch kein« unserer Herren das Geschäftliche geregelt. Und — zehn Mark hat « ohne wei- - terss für die Bedienung zugelegt. Er wäre das so gewöhnt. Es war nur schrecklich peinlich und — man hatte gar nicht den Mut, das abzulehnen." Renat« lächelt« vor sich hm. Ja, di« Mutt« hatte recht: Dis liebenswürdige Sicherheit von Schliebens war auch ihr ausgefallen. Aber doch war in ihm auch — neben der selbst- bewutzten Männlichkeit — noch jugendliche Schwärmerei und Sehnsucht, und das gerade rührte an ihr Mädchentum und machte ihn in ihren Augeu so sympathisch. O — nur das? Sie hatte plötzlich keine Ruh« mehr. -Mama — ich Ashe mich um — ich will wA« Pastor