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überschattet«» die noch Hellen Mtgeu. Wie der I«br Heiland selbst sah er an«. als er so, breitzchultrig, kräftigen Wuchses, « schwarzen Talar dastand und dm Lops hob. Renate liebte dieses Bild. Aber diesmal hörte sie nichts von dm ernsten Worten, di« Pastor Wulle sprach, und auch nachher vermochte sie nur zusammenhanglose Bruchstücke seiner Predigt aufzufassen. Demi gerade, als sie sich leicht auf Vie Brüstung stützte, «i bequemer nach unten sehen und des Pastors Rede lauschen zu können, war es ihr, als müßte sie sich zur Seite wen- dm und über die gegmüderliegende Galerie blicken. Ls war wie ein Zwang. Da LH sie — von Schlieben. Er ,aß dort m der ersten Reihe und blickte unverwandt zu ihr Hnüb«. Nun senkte « leicht grüßend den Kopf. Auch sie nickte ein wmig und sah darm gleich wieder in ihr Gesangbuch. Wie — wie kam er hwrher? Sie wagt« kaum aufzuschauen. Ab«r sie fühlte sei«» Blick auf sich ruhen. Ls war ihr unmöglich dm Worten Pastor Wustes nnt -Aufmerksamkeit zu folgen. Immer wieder mutzte sie denken: Wie kommt « daraus, heute gerade hier in die Kirche zu gehe«? Und sie glaubte, die Antwort zu wissen: Am meinetwillen! Ich selbst habe ihm ja gesagt, wo ich vormittags bm. Darum ist er hergekommen — ist mir vielleicht sogar gefolgt. — Sie hatte sicht unrecht. von Schkebm war in der Tat nur ihretwegen gekommen. Er wollte sich selbst auslachen ob seiner Schwärmerei — aber es nützte nichüs, er mutzt« sich gestehen: - dieses Mädchen hatte ihn innerlich ganz aufgerührt und ergriffe», seit er sie am Tage vorher zum erstenmal am Fenster gesehen hatte. Da hatte er fich vorgenommen, sie wiederzusehen. Und mm, da er den kühnen Schritt gewagt hatte, bei ihrer Mutt«r Wohnung zu nehmen, da er sie im Hellen Sonnen licht des Vormittags wiedergesehen hatte, war sein Blut, sein garyes Fühl«, aufs neue von ihr entzündet. Es war etwas ganz Sonderbares. Hatte er nicht genug Frauen und Mädchen in seinem abenteuerreichm Leben gehabt? Hatte er nicht genug Liebe gekostet? Er, Hans von Schlieben, einziger Sohn des be rühmte» Chirurgen, der Könige und Fürsten zu Pattenten hatten und dessen Ahnherren zum größten Teil als allzeit getreue Paladine den Fürsten zur Seite standen! Ja — er hatte g«mg Abenteuer gehabt. Er hotte sie auf dem glänzenden Parkett erstklassiger Salons und m dem einfacheren Milieu guter Bürgerlichkeit gesunden — und immer hatte er sie bis zur Neige gekostet und war dann — weitergetaumelt. Bis er mählich merkt«, daß «s Zeit war, an ernstere Dinge zu denken und der gestrenge Herr von Schlieben in nicht mitzzuverstehender Weise andeutete, daß d«r Herr Sohn eigentlich „eramensreif" wäre. Von Frau von Schlieben geb. Puttlitz — ganz zu schweigen. Di« zukünftige Karriere war natürlich gesichert. Also! Haus von Schlieben beschloß, endlich Schluß zu machen und mit einvn anständige» Eramen dies« Karriere zu be ginnen. Aad mm? Nun Nwßte «r dieses Gesicht hier entdecken. Dieses Ge sicht, das ihn mit einem Schlage so ergriffen hatte, daß er' selbst auf der Begrützungskneipe der Vandalen noch dara^ denken mutzte und sich nur durch eine erhebliche Verkonfu- mierung von Alkohol zur Lustigkeit zwang. And «s «ätzte doch nichts! Er wurde dieses Gesicht nicht los. Es war seltsam. Und er wußte dennoch, was es war, das ihn zu diesem Mädchen hmzog. Die reine, keusche Jugend, der Liebreiz und die An mut ihres unberührten, fröhlichen Mädchentums^ das in so schöner Hülle sich darbot, war es, was ihn, den immer dreist .Genießenden, mit plötzlicher Gewalt reizte und ihn zum Schwärmer machte. Uebersättigung an Frauen, die mit Raffiniertheit zu lieben verstanden? Möglich — aber den noch — es konnte auch anders sein! Vielleicht war ihm jetzt erst zum Bewußtsein gekommen, um wieviel köstlicher die Liebe eines Mädchens sein mußte, das nur aus'ihrem persönlichen, reinsten Wesen heraus blühte. Oder vielleicht war es das, was die Menschen die Liebe auf den ersten Blick nannten und über das in früheren Jahren er so oft gespottet hatte. » Ach — er wußte nichts anderes, als daß diese blonde Re nate Raimund begehrenswert war wie keine der Frauen vorher, die seinen Lebensweg gekreuzt hatten. Nur dieses wußte er. Aad darum saß er nun hier in dieser alten, romantischen Kleinfiadtkirche, zwischen den Men Müttern und lxn Dreifen- köpfen und den wenigen imrgen Menschen, und keß die Orgelmufik und di« Predigt ernrs Pfaffen, von denen er als Mediziner nicht altzume! hielt, üb« sich ergehen. Nur um den blonden Mädchenkopf drüben zu sehen und sich im stillen an der holden Verwirrung ihres Gesichts zu berauschen. — Renate zuckte zusammen. War die Predigt wirklich schon zu Ende? Spielte der Organist schon den Echlußchoral? Laut Hallien die Stimmen zu der rauschenden Melodie der Orgel durch den hohen Raum. Leise fiel sie mit ein — ab« sie sang nicht so Hele und sorglos-froh wie «n Anfang des Gottesdienstes. Nun verstummte der Gesang. Nur die Orgel spielte noch allein. Die Gemeinde erhob sich. Die Bänke leerten sich. Alles schob dem Ausgrmg zu. Auch Renate war schnell aufgestanden. Nur hinaus, dachte sie angstvoll, bevor mir jener folgen kann! Tief aufatmend stand sie draußen im HAlen Sonnenlicht uud eilte den Bergwsg nach unten. Als sie sich einmal um drehte, war es ihr, als sähe sie Hans von Schlieben hinter her eilen. Da beschleunigte sie den Schritt und bog m die erstbest: Seitengasse «in. Angst vor der Liebe? Und doch war ein seines, süßes, banges Klingen m ihrer Seele. — 3. Kapitel. Hans von Schlieben wohnte nun im Hause Raimund und er schien sich dort sehr wohl zu fühlen. Er pflegte schon früh aufzustehen, denn er hatte in der Klinik zu assistieren und nahm das Studium ernst. Allerdings — wenn Renate aus dem Büro nach Hause kam, dann war auch er zu Hause, und er wußte es immer so ernzurichten, daß er Renate dann auch zu Gesicht bekam. Entweder wünschte er gerade dann noch «ine Tasse Kaffee od« er bat um ein Glas Wass« oder hatte sonstwie irgend einen bescheidenen Wunsch. Renate merkte wohl die Absicht — aber eine mädchen hafte Scheu hielt sie immer zurück, trotzdem sie vielleicht rm Innersten sich selbst auf die kurze Unterhaltung freute, di« sich dann so von selbst ergab. Aus dem Verbindungsleben schien sich von Schireben nicht mehr altzuviel zu machen. Er war zwar öfters auf der Kneipe — des Abends — aber Renat« hörte, datz « dann früh zurückkam. Manchmal summte er dann wohl noch «men Vers vor sich hin. — Ja, Hans von Schlieben hatte nicht mehr die richtig« „Bierruhe" vor dem gefüllten Humpen. Er merkte es selbst. Eine andere Sehnsucht blühte in ihm, wenn « mit den Kommilitonen des Abends auf der großen Gartenveranda des Vandalenhauses saß und der Mond so geruhig über der Landschaft stand. Dann dachte er: Jetzt müßte ich Renat« in d«n Armen hallen und ihren frischen, roten Mund wachküssen. Jetzt müßte ich iung, sehr jung sei»! Hol' der Teufel all« Gramen der Well! — » Die Tage wurden länger und heißer. Die Sonne kletterte höher auf ihr« Bahn, und in den Anlagen der SttSt, in den Dörfern der Umgebung, zwischen den Waldhügeln, überall war ein frohes, heimliches, lachendes Treiben. — Es war an einem sonnenhellen Sonntage, al« alle Kor porationen d« Universität einen Ausflug m eines der „Bier dörfer" unternahmen, wo besonderer Jahrmarktsrummel war. Solche Vergnügungen waren ja bei dem Stud«ntenoolk höchst beliebt. Nur wenige unter ihnen wurden von d« Teil nahme an dieser Pattie, die ein« gmy offizielle Angelegenheit war, dispensiert, und es mußten dann schon schwerwiegende Gründe sein. Hans von Schlieben weigerte sich zum großen Erstaunen sein« Kommilitonen, mitzumachen. AK Inaktiver konnte man ihn nicht gut zwingen. Der erste Chargierte schüttelte aufrichtig bedauernd den Kopf. „Gerade du müßtest doch mit dabei sein, Schlieben. So ein repräsentabler Kerl —" „Bedaure lebhaft, lieb« Hasemann, aber ich habe mich auf klinische Arkiten oorzubereften, wirklich. Das ist natür lich wichtig«." „Allerdings — ja — gewiß. Na — da» langweil« dich nur nicht altzusehr allem in der Stadt —" Ein and«« Kommilitone, ein junges Kerlchen, von Zettritz, schmunzelte kindlich »ad meinte: