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befriedigt, denn wen» auch das Geheimnis gelüftet war, da Zweck war verfehlt, und es war nichts Angenehmes, dem Grafen Limar das Resultat seiner Bemühungen Mit teilen zu müssen. Dennoch führte ihn sein erster Weg «ach Tworrau. Nachdem auch diese Angelegenheit geordnet war, schien wieder alles in der Dilla Römer seinen gewohnten Gang zu gehen. Niemand sprach von den Erlebnissen der letzten Zeit, niemand erfuhr, welche Entdeckung« man in der Familie gemacht hatte. Wozu auch? Die Welt , ist böse; sie benutzt alles zum Schaden ihrer Mitmenschen; man muhte ihr die Macht doM nicht in die Hand geben. Nur im engen, trauten Famöienkreise sprach man zuweilen von den letzten Ereignissen. Als« muhte der Mutter von Twor- rau, von der allen Marian ka und überhaupt Mes erzählen, was ste von Gräfin Gisela gehört hatte; es war erklärlich, dah auch das geringste für Frau Römer Wert hatte, und daß sie nicht daran dachte, wie Ilses Herz hei jeder Er innerung an die in Tworrau verlebte Zeit bluten muhte. Aber Lie Erinnerung verfolgte Ilse auch bis in die Ein samkeit. Mitten im Dhrdkumj, mitten im Lesen eines in teressanten Buches ertappt« sie sich oft darauf, dah sie an Konrad gedacht hatte. Ihre Gedanken waren durch die Ent- deckuug, dah sie aus dem Geschlecht der Limar stanynte, mehr denn je bei allen seinen Bewohnern, zumeist bei dem jenigen, dem ihr Herz gehörte. „Du bist ihm verwandt," sagte sie sich dann, „dasselbe Blut der Limar flieht auch m deinen Adern," und Laber erfüllte es sie ost mit wonni gem Schauer. Aber sie schüttelte ihn kraftvoll ab. Sie durste sich nicht verlieren in unwahrscheinlichen Traumgebilden, die nie zur Wahrheit und Wirklichkeit werden konnten — nie. IS. Kapitel. Vorfrühling war es. Keine berauschende Pracht des Lenzes, kein sattes Grün, kein Blumenduften, und doch ein seliges Ahn« in der Natur: Der Befreier naht — er wird die Fesseln sprengen, die dich jetzt noch gefangen haften, und du wirft frei werd« — frei! Auf dem Wege von der Bahnstatton Tworrau nach dem Schlosse wanderte ein junger, kräftiger, elegant gekleideter Mann mit schnellen Schritten seinem Ziele zu. Er war noch jung, kaum siebenundzwanzig Jahre alt, aber in seinem Gesicht lag nichts von Jugendlich und Tatendrang. Düster blickten die Augen, grimmig ballten sich zuweilen seine Hände zu Fäusten. Heute war der Tag endlich erschienen, wo er mit jenem andern abrechnen konnte: Hie Welf — hie Waib- ling — siegen oder sterben! Unser Kampf ist noch nicht zu Ende, stolzer Waibling! Noch steht der Gegner aufrecht uttd stark vor dir — aber heute handelt es sich um einen höher«, den höchst« Preis! Mit solch dKfterm Gedanken verfolgte er ohne Aufenthalt sein« Weg, denselben Weg, den einst Ilse voll froher Zu versicht und Hoffnung gewandert war. Es war noch zu früher Nachmittagsstunde und dir Märzsonne brannte schon ziemlich heiß und kühte mit ihren Strahlen die kleinen, grünen Knospen an den Sträuchern rnü> Bäum«, als wolle sie sie zu Leben und Kraft erwecken. Endlich näherte sich der Wanderer Schloh Tworrau. Einen Augenblick blieb er stehen und musterte das mächtige, alter tümliche Gebäude aus der Ferne, und seltsam träumende Gedanken drängten sich ihm auf. Er schloß die Augen und schritt schnell vorwärts, bis er den Borplatz, welcher von dem eigentlichen Cchkoßhof durch ein hohes- eisernes Gitter getrennt war, erreicht hatte. Zwei kriegerische Kanonen warm zu beiden Seiten des Tores aufgepflanzt und streckten ihre Mündung dem Ankömmling entgegen: „Was willst du, vorwitziger Jüngling? Kommst du zum Kampf? — Eine Kugel aus unsäem Rohre streckt dich nieder und du bist nichst mehr." Schnell zog der Fremde an der Klingel, und ihr Ton hallte laut durch die Stille. Nach wenigen Minuten näher ten sich Schritte — der Haushofmeister schloß das Tor auf, ließ dm fremd« Herrn eintreten und fragte nach seinem Begehr. „Ich möchte dm Graf« Limar, den Majoratsherrn von Tworrau, sprech«. Hier ist meine Karte; ich bin der Pro fessor Waldow aus Breslau." Höflich forderte der Haushofmeister den Professor auf näherzutreten, rief ein« Diener herbei und gab ihm Lie Weisung, die Katte sofort zu dem gnädigen Herrn zu trag«. Während dieser davoneilte, ging Professor Waldow lang sam« Schrittes auf den Eingang des Schlaffes zu. Der Haushofmeister geleitete ihn, ohne jedoch zu wagen, den fremd« Herrn, der jo wortkarg schien, anzureden. Heinz Wakdow bemerkte die Gegenwart des and«« kaum. In seinem Kopfe und seinem Herze» stürmte und wogte es. Hier auf demselben Fleck war sie einst gewandelt, hier hatte sie gelebt und geatmet. Eine heilige Stätte, wenn sie nicht auch jenen ander« trüge, der — — Er dachte nicht weiter, denn schon kam der Diener zurück und brachte die Meldung, daß der Herr Graf dm Herrn Professor bitten lasse, nähe^utretm. Heinz folgte dem Diener die Trepp« hinauf durch einen langen Gang, bis dieser die Tür vor ihm öffnete und bat, einzu treten. Einen Augenblick zögerte Heinz, denn das Herz schlug ihm Lis zum Halse herauf; dann aber trat er schnell über die Schwelle, und der Diener zog von außen die Tür zu. Es war ein schönes, geräumiges Zimmer, in dem- er sich befand, ein echtes Gelehttenheim mit sein« hohen Bücher regalen, mit den Schränk« von altertümlicher Bas«, mit Urnen und ander« Ding« mehr und dem mit Papieren bedeckt« Schreibtisch. Eben von diesem Schreibtisch her kam Gras Konrad seinem Gast «tgegen. „Was verschafft nnr die Ehre Ihres Besuches, Herr Pro fessor?" Freundlich und gewinnend klang es, aber Heinz fand kern Wort der Erwiderung, wenn er auch höflichkeitshalber die dargebotene Hand mit flüchtigem Druck ergriff. Steif und förmlich verbeugte er sich und murmelte einige Worte, die nur leere Form und von keiner tieferen Bedeutung waren. Desto schärfer musterte er sein Gegenüber, und sein Staun« wuchs mehr und mehr. War das der Mann, den Ilse ihm vorziehen konnte, dieser hagere Gelehrte mit dem einfachen Wes«? Hatte er doch falsch gerechnet und gerat«, hatte sein blinder Haß ihn auf eine solche Fährte gelockt? Schon dachte er über einen passenden Vorwand für sein« Besuch nach, als der Gras sich jetzt der Mitte des Zimmers zuwandte und ihn mit einladender Handbewegung bat, Platz zu nehm«. Sie hatten sich dem Fenster genähert, und das Helle Tageslicht fiel auf ein edel geschnittenes Gesicht, eine hohe Denkerstirn und kluge, fast jugendlich blitzende Augen. Das Kinn umgab ein kurz gehaltener, dunkelblonder Voll- batt, und unter der seinen aristokratischen Nase wuchs ein Schnurrbart, der die Oberlippe etwas srei lieh. Wie der Gras so freundlich lächelnd und doch in so vornehmer, stolzer und gebietender Haltung vor ihm stand, da erkannte Heinz in ihm seinen mächtigen Gegner wieder. Das Blut kochte in seinen Adern, die Puls« flog«, und sein Blick loderte heiß in den des ander« hinüber. ,Lerr Graf, eine wichtige Angelegenheit führt mich hierher — ich schicke voraus: Ich komme nicht als Freund, sondern als — Feind." „O," machte Graf Konrad bedauernd, indem er sich neben sein« East niederließ, „das betrübt mich aufrichtig. Ich glaubte, mit der Beendigung des Gelehrtenstreites wäre jede Feindschaft zwischen uns für immer getilgt. Wenigstens sollte der alte Zankapfel fernerhin nicht mehr erwähnt werden." „Das ist leicht gesagt. Die Gemüter hab« sich no«H nicht beruhigt; es gärt und wühlt noch, trotzdem es längst ent schied« ist, auf welcher Seite der Irrtum lag." „Irr« ist menschlich und wir alle sind dem ausgesetzt," erwidert« Eraf Konrad freundlich. „Ja, aber das Bewußtsein, der Irrende — der Besiegte zu sein, ist nicht gerade sehr erhebend." „Das gebe ich zu, doch sollten Sie sich mit den Ver diensten, die Sie neuerdings durch Ihre Forschungen in Aegypten erworben haben, zufrieden geb«. Das wiegt wohl d« einen Irrtum auf." „Allerdings, man gab mir in Anerkennung dieser Ver dienste — wie Sie sich auszudrücken belieb« — die Pro fessur in BreslMr. Vor wenigen Wochen, kaum von meiner Reise zurückgekehtt, trat ich mein Amt in Breslau an und benutze die erste freie Zeit, um — zu Ihn« nach Tworrau zu kommen." „Eilt es «men neuen Kampf oder noch immer den Men?" „Keinen von beiden, Herr Eraf," stieß Heinz jetzt er regt hervor, nicht länger imstande zurückzuhakten, „ich bin hierher gekommen, um — Rechenschaft von Ihn« zu fordern." „Rechenschaft? Sie von mir? Ich verstehe Sie nicht, Herr Professor," entgegnete Graf Konrad befremdet. „Natürlich nicht," sagte Heinz rauh. ,/Doch gestatt« Sie mir die Frage, ob Ne — eine junge Dame namens — Ilse Römer kennen?" LFottfttzuns fokM