Volltext Seite (XML)
LS» ! - Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Nr. 4 «UM-, des 12. Mo« IM FL.8M MGMMM 8c»QLQ von L1sl>std SoL«dsrt Achckerrechtsschutz durch Hermann Berger, Boman-Verlag, Berlin SO. 3L. r? Nachdruck verboten Aeber allen diesen Aufregungen hatte Ilse das lchte Geschenk der alten Marianka, das Kästchen mü de» An denken an die unglückliche Gräfin Gisela, vergessen, bis es ihr eines Tages beim Kramen zufällig in die Hände fiel. Eie hatte bisher nicht einmal Zeit gehabt, es zu öffnen. Jetzt tat sie es, und ihr Blick fiel! auf eine Photographie, die obenauf lag. Eie muhte nach dem Gemälde im Ahnen saal gemacht worden sein, denn es war dieselbe Stellung, dieselbe Tracht und dasselbe Alter. Ilse kannte das Bild, darum griff sie nach dem feinen Batisttuch, das die Träne« der Armen genetzt hatten. Mit fast heiliger Scheu breitete sie es auseinander. Im nächsten Augenblick stieß sie einen leichten Schrei aus. Wo hatte sie dieses seltsam verschnör kelte Zeichen, das halb Schlange, halb Fisch war. schon einmal gesehen? War es nicht dasselbe, das' aus der Wäsche der eigenen unbekannten Großmutter gestickt war? Eine seltsame Aufregung bemächtigte sich ihrer. Sie nahm das Kästchen mit seinem Inhalt und ging in das Zimmer der Großmutter. Die Matrone saß friedlich kn ihrem Stuhl am Fenster und nickte Ilse freundlich zu: „Was bringst du, Kind?" „Etwas Seltsames, Eroßmütterchen." „So? Zeige her!" Ilse hatte das Bild aus dem Kasten genommen und hielt es der alten Dame, die erst umständlich ihre Brille aufsetzte, hm. Als die Brille endlich auf der richtigen Stelle sah, warf sie einen Bück aus das Bild, im nächsten Moment ickes sie erschrocken und erregt: „Ilse, wo hast im das Bild her? Das ist ja deine Groß mutter!" Ilse beugte sich zu ihr herab: „Du hältst sie wirklich und wahrhaftig für meine unglückliche Großmutter, du täuschest dich aus keinen Fall?" „Nein, Kind, mir ist es, als wen» die Jahre versänke« und sie wieder leibhaftig vor mir stünde. Es gibt keine Täuschung, sie ist es. Doch mm sparme mich nicht länger aus die Folter: Sage mir, woher du es hast!" „Noch ein Weilchen hab« Geduld, Großmütterchen," bat Ilse. „Ich will die Mutter erst herholen, den» was ich zu erzählen habe, geht sie am meisten an. Hsier, nimm auch! noch das Taschentuch — ich bin sogleich wieder hier!" Nach einer Weil« kam Ilse mit ihrer Mutter zurück; Ke setzten sich zur Seite der alten Dome, und diese zeigte Frau Römer das Bild ihrer Mutter. Nachdem Krau Römer sich vom ersten Schreck und Staune« erholt hatte, drang sie mkt fieberhafter Ungeduld in Ilse, zu erzählen. Und Ilse erzählte von den alte« Echäferleuten, die sie mit Gräfin Gisela verwechselt hätten, von der Geschichte Graf Konrads im Ahnessaal, von dem Sänger Hollmann und dem Grafen Egon, Giselas Bruder und Konrads Vater, von dessen Grausamkeit und Gewissens pein und endlich von dem Testament, das eine Sühne sein« Schuld sein sollte. Lmtge sahen die drei in dem traulichen Stübchen der Pflegemütter Frau Römers. Ueber Frau Römers Wangen flossen Tränen, und ost muhst« Ilse innehaltes vor dem heißen Ausschluchzen der Mutter. Als sie geendet hatte, Wang sie b«de Arme um der Mutter Leib: „Sei ru^g, Mütterchen, das Eeheimms dein« Geburt ist nun gelüftet, du weißt, wo sie einst als Mädchen gewandelt ist und MÄiche Tag« gesehen hat. Dem« Ilse rennt alle Stätten; ein seltsames Verhängnis führte die Enkelin an den Geburtsort der Großmutter. ,^O, wäre sie nie dahin gekommen! Der furchware Fluch, der aus meiner MHtzer Metz, hätte sich chr nicht „Welch« Fluch, Mutter?" fragst« Ilse bsSosme«. ,D>aß ein« aus de» GMstecht der Lima» dir ein Lckid „Nein, nein, Mutter!" I« Ilses Augen leuchtete « aus. hat mir nm Güte und Freundlichkeit erwiesen — ich allein schuf mir das Leid." „Und du sagst, sie suchten nach den Erden der Ver stoßenen, um ihre Hartherzigkeit und Grausamkeit zu sühn«»?" „Ja, Mutter." „Was könnte die schreiende Ungerechtigkeit, was die Grau samkeit des Bruders, der das Kind der Versöhnung mit den Eltern «ltzog, sühnen? — Nichts, kein Geld, kein Gut wäscht die Seele von dies« Schuld rein. Meine arme, arme Mutter!" Es dauerte lange, ehe Frau Römer sich gefaßt hatte. Endlich raffte sie sich empor. „Sie brauchen's nicht zu wissen, die stolzen Limar — od« ja, schleudern wir es denen, die die Sünde mit Geld los kaufen möchten, ins Gesicht: Ich will das Schuldgeld nicht, seht zu, nne ihr mit eurem Gewissen fertig werdeL" So leidenschaftlich hatte Frau Römer noch nie gesprochen, ihr ganz« Körper bebte vor Erregung. Da sAoß Ilse sie in ihre Arme: „Nein, Mutter, wir wollen das Geld und die Güt« nicht, sie mögen an Tworrau zurückfallen, doch — diese Entdeckung muß ich ihm mitteilen, ich bin's ihm schuldig. Sieh, Mutter; er sucht und forscht, er möchte des Vaters Schuld sühnen, seinen Wunsch erfüllen und grämt sich, .daß keine Spur ihn richtig leitet. Wenigstens darüber soll er beruhigt wocken: die Erbin lebt." „Und was weit«?" „Ich werde dem Rechtsanwalt in Breslau, Wagner ist sein Name, den Sachverhalt mftteüen und die Argumente, den Trauring und die Wäsche ML». Er mag forsche», ob wir recht haben, denn er iA wie mir »damals Konrad selbst mitteikte, von ihm mit der Nachforschung betrank worden. Ach, schon damals stieg in mir eine Ahnung auf ab« ich drängte sie als abenteuerlich zurück." Noch eine Wege berieten sie hin und her. Endlich sucht« Ilse ihr Zimmer auf, um die «öligen Tänze zu erledigen. Sie schrieb an den Rechtsanwalt und legte ihm von vorn herein klar, daß sie in jedem Fall auf das ausgesetzte Erb« verzickste und nur die Abkunst ihrer Mutt« festgefteüt wisse» wolle. Als Antwort hieraus traf Rechtsanwalt Wagner schar nach wenigen Tagen persönlich in Berlin ein, um aus dem Munde der asten Frau Sanitätsrat Werner die näheren Umstände Al erfahren. Er brachte den Trauschein und dar Ehering Hollmanns mit, der dem Msejas auf ein Haar glich: jed« trug wie die Wäsche und das Taschentuch das selbe verschnörkelte Zeichen. Es war für Wagner, einem älteren, freundlichen Herrn, bald kein Zweifel mehr, und er berichtete seine Erfolge freudestrahlend nach Tworrau. Graf Konrad schrieb umgehend zurück und Rechtsanwalt Wagner konnte nicht umhin, Ilse einen Test dies« Briefes vorzulesen. Er ahnte nicht, welche Folterqualen si^ dabei M. „Ich freue mich," schrieb er, ,chaß meine eigentlich immer nur dunkel empfundene Ahnung sich nun bestätigt hat uiü> ich in Fräulein Römer die Enkeljm meiner aomen, unglücklichen Tante sehen darf. Bieten Sie all« auf, lieb« Wagner, um die junge Dame und deren Mutter zur Annahme des Erb« zu bewegen. Meines Vaters heißest« Wunsch bliebe sonst ja unerfüllt und — ungesühnt, und d« Sohn dies« Vaters muh d« Schuld weiter trage« sei» Lebe« lang." Ilse biß die Zähne fest zusammen, aber sie blleb fest; trotz akkr Aeberredungsoerfuche Wagners. Endlich reiste dhKsr wied« nach Brest« MrSch »r war nicht sonderlich