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ad- ver- und Wie durch einen Schleier sich Ilse, datz die Gräfin mm einer eleganten Dame, die von einem herrschaftlich« Die»« begleit war, empfangen wurde, dam setzte sich der Zug in Bewegung, und damit verschwand das legte, was sie noch mit Tworrau verband. 15. Kapitel. Sechs Wochen war Ilse wieder daheim, im alten, lieben Berlin, in dm alt«, lieben Mumm der Billa, bet Mutter und Großmutter, und sie gedachte, es niemals mlchr zu vec- hqkn. Diele Aufregung«, «el Schmerz hatte diese Zeit für sie gebracht, aber nun war das Sauerste überwunden. Aus dem hart« Kampfe war eine neue, oder vielmehr die alte, Willensstärke Ilse wieder erstanden. Sie hatte alles von sich abgeschüttekt, was ihrer Ruhe und ihrem Seelenfrieden hinderlich war, sie hatte mit all« Erinnerung« an die Heitz« Kämvfs in ihrem Innern aufgeräumt und stand mm blühend und gesund da wi^ einst und neuen Ziel« zustre- bmd. Es war ihr gelungen eine Stellung als Bibliothekarin bei der Geographisch« Gesellschaft zu erlang«. Seit dem 1. November bekleidete sie dieses Amt und es erfüllte sie mit wahrer innerer Befriedigung; konnte sie doch aus den mannigfach« Büchern neue Weisheit schöpf«, ihr Wiss« und Können bereichern. Nur wenn sie auf archäolo gische Bücher stieß, legte sie sie beseite; sie wollte durch nichts mehr au den Kanrpf ,^ie Welf — hi« Waibllng" erinnert werd«. An die Gräfin hatte sie bald zu Anfang ihres Aufent haltes in Berlin geschrieben und sie gebeten, sie ihres Kon traktes zu entbinden. Gewisse Umstände und Vermögens regulierung« zwäng« sie, in Berlin zu bleibe». Sie dankte ihr für alle erwiesene Güte, sie bat, ihr M verzeih« und lieh die Kinder herzlich grüßen. Besonders für Lotti hatte sie noch eimge liebe Worte hinzugesügt. Schon wenige Tage darauf kam eine Antwort vou Lotti, in da diese schmerzlich ihren Entschluß beklagte. .^Kommen Sie wieder, Fräulein Römer, ich mag nicht mehr nach Twor rau zurück, wenn Sie nicht da sind; ich habe Ke so schreck lich lieb und kann ohne Sie nicht leben." Die Klage rührte Ilse bis zu Tränen, und sie schrieb aus Lottis brennenden Wunsch noch einmal an sie, zwn letzten mal, denn bald sollte etwas eintreten, was ein« Brief wechsel für die Folge unmöglich machte. Doch ehe dieses bestimmte Etwas in Frage kam, hatte Ilse Aufregung« von viel schlimmerer Art durchzumachen. Sie hatte mit ihrem stolzen Herz« geglaubt cülein mit ihrer Liebe und ihren Sorgen fertig werd« zu können; sie wollte nicht der Mutter Kummer und Gram verursachen, obgleich es sie mit all« Fiebem zu einer Aussprach« drängte. Diese Aussprache wurde dennoch bald herbeigeführt, und zwar durch ihre auffallende Kundgebung, nicht mehr nach Tworrau zurückkehren zu wollen. Dis muAe die Mutter befremd«, da Ilse stets geschrieben hatte, dah sie sich dort glücklich fühle. Aus eine darauf bezügliche Frage setzte Ilse der Mutter alles auseinander. Sie sprach von ihrem Kämp fen und Ring« und schloß mit dem schwer« Geständnis ihrer Liebe zum Graf« Konrad Limar. Frau Römer war über dieses Geständnis so entsetzt und erregt, dah Ilse schon bereure, es ihr gemacht zu haben. Sie rang die Hände. „Was mm, Ilse, was nun?" rief sie ein über das ander« Mal aus. Doch Ilse, die vielleicht selbst mehr des Trostes bedurft hätte, tröstete sie: „Beruhige dich, Herzensmutter, eine Ilse Römer geht an einer unglücklichen Liebe nicht zugrunde, die stirbt nicht a» gebrochenem Herzen — nur eins — freilich wird lange dauern, ehe ich es überwunden hab« werde." „Was ist's, mein Kind?" worf«, dann s«Mt« sich ihre Lider jäh auf die Augen h^ab. Lr trug denselben Wettermantel wie gestern. Sein Ge- stO war bleich, und die dunklen Ränder unter den Augen zeugten von «ner durchwachten Nacht. Lr streckte Hr beide Härwe entgegen und sah sie an: „Ilse, hat mein gestriges Ungestüm Sie erschreckt? Zürnen Sie mrr?" Dieser weiche Klang ftahk sich in ihre Seele und ließ jede Saite darin ertönen, jeden Nerv erbeben. Sie fürchtete sich, in seine Aug« zu seh«, und sein« Hä^d« berühr«, darum tat sie, als ob sie sie nicht sähe. „Rein, Herr Graf — wie sollte ich Ihnen zürnen?" Da trat « gmy nahe an sie Hera» und beugte sich zu ihr herrck. „So darf ich weiter sprechen — so darf ich sagen, was mir schon gestern auf den Lipp« lag, und was auszui- sprechm Ci« durch Ihre grausame Flucht verhinderten. Ilse — Äs« — ich —" „Um Eotteswillen, nicht wettert" Mt angstverzerrt« Zügen und abwehrend emporgeho benen Arm« stand sie ihm gegenüber. In ihr« Augen lag di« furchtbarste Qual und Verzweiflung — ,Lerr Graf, ich bin — eines ander« Braut." Graf Konrad taumelte, wie vom Schlage getroffen, einige Schritte zurück, er war leichenblaß geworden. Sekundenlang verharrte er, ohne «n Wort zu sprechen und als er endlich die Sprache wiederfand, da klang seine Stimme fremd und so rauh und schrtth als wenn eine Saite in seinem Innern gesprungen wäre. „Sie — Sie, die Braut eines — anderen? — und das sagen Sie mir — erst jetzt?" Ilse war am Rand ihrer Fassung. Seine vorwurfsvolle Frage schnitt ihr wie ein Messer ins Herz. Nein, er sollte sie nicht veracht« — sie ertrug es nicht — „Lin besonderer Umstand zwang mich, zu schweigen. Herr Gras, lassen Sie mich Ihn« erttären —" Lr winkte abwehrend mit der Hand und schüttelte müde dm Kops. „Nein, ne«, erklär« Sie mir nichts! Wozu auch — Leb« Sie wohl!" Wir versteinert stand Ils« und sah dem Mg Davon- schreitenden nach. Ihr Mund öffnete sich, sie wollte ihm nachruf«: Konrad, Konrad — einzig und allein Geliebter — gehe mA so von mir, nicht mit dieser schweigend« und um so sichtbareren Verachtung —" Ader nur ein dumpfer Schmerzenslaut entrang sich ihrer Brust. Ihr wurde so seltsam zu Muts, so starr und kalt, wie einer Tot«; ein prickelndes Gefühl rann durch ihre Glieder — die Sinn« fingen an zu schwinden, und tastend «iff sie nach einer Stütze. Aber sie biß die Zähne auf die Lippen, dah sie blutet«, sie krampfte die Hände ineinander, daß sie schmerzt«. Nur nicht dem Ohnnuichtsgefühl nach geben, nur nicht schwach werden. — Und ihre starke Natur siegte. Langsam, aber sicher ging sie dem Schlosse zu. Am nächst« Morgen, früh um acht Uhr, stand der elegante Landauer vor dem Schlotzportal. Der Wag« mit dem Gepäck war schon vorausgefahren. Bald trat denn auch die Gräfin, von den Kinde«, Ilse und einigen Diene«, «folgt, heraus. Die Gräfin nahm mit Gerda den Vorder sitz au, während Lottt und Ilse rückwärts saßen. Ein leiser Pfiff de» Kutschers, die Pferde zogen an, und sott rollte der Wagen. Gin« lang«, ernsten Blick warf Ilse auf das Schloß, das sie nicht mehr wiedersehen wollte. Es barg das Teuerste, was sie besaß, den Geliebten,von dem sie ohne Abschied und für immer schied. Etwas Heißes, Nasses stieg in ihre Augen, <cher sie zwang den Schmerz nieder. Was sollt« die Gräfin, die mit so ernstem, unbewegtem Gesicht rhr gegenüber sah, denk« und was die Kinder? Nur Lotti würde sie wohl verstand« hab«, wenn sie ihren Kummer gekannt hätte. Densttb« Weg, den sie einst schweren Herzens allein zu Fuß gewandert war, fuhr jetzt der Wagen, aber in ent gegengesetzter Richtung. Wenn sie damals geahnt hätte, was ihrer in den Mauern Tworraus wartete, sie wäre noch auf halbem Weg« wieder umgekehrt. Bis Breslau fuhr Ilse in Gesellschaft der Gräfin und der Kinder, und das lenkte sie von ihren trüben Gedanken ab. Als aber der Zug in Breslau einfuhr, als sie zum letztenmal Lottis Hand in der ihr« hielt, da mußte sie Me Selbstbeherrschung aufbieten, vm vor Weh nicht laut aufzuschuchzen. Lotti war nicht besonders traurig, sie ahnte ja nicht, daß sie die geliebte Erzieherin nicht mchr wieder- jcheu sollte. Ilse holte tief Atem. „Seine — Verachtung," stieß sie hervor. „Ilse, Ilse, er sollte dich veracht«, er —" „Er hätte ein Recht dazu," vollendete Ilse dumpf, „denn er weiß ja nicht, datz ich meine Lhebe zu ihm zu spät er kannt habe, er ahnt nicht, unter welcher Bedingung ich in Tworrau ausgenommen wurde. Er mutz glauben, datz ich ein Spiel mit ihm getrieben, ihm mein« Brautstand sichtlich verheimlicht hab« und —" «in Aufschluchzen, das erste während ihrer Beichte, kam aus ihrer Brust — „es fit so bitter schwer, sich von einem geliebten Menscher achtet seh« zu müssen." Frau Römer nahm Ils« Kopf in beide Hände drückte ihn erschüttert an Äre Brust. „So lieb hast du de» Mann?" „Ja, erwiderte Ilse einfach, aber fest. „Um Gottes will« — wie willst Lu mft solch« Liebe