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dem Richtplatz zu marschieren: Der Delmqueut, einen Strick um den Hal-, sonst ungefessellt, hatte eine Trommel umge hängt, und schlug den Marsch, das Armesünderglöcklein über? tönend. Gewitter schlug er aus seiner Trommel. Wortlos zog die Menge mit ihm, der mit festem Schritt den Boden stampfte, als zöge er zu Ruhm und Ehre. Und manches schöne Kind wischte sich verstohlen die Augen, weil dieses junge Leben in Minuten enden sollte. Am Richtplatz angekommen, wollte man dem Anton Wiesendanger die Trommel abnehmen. Er bat, man möge sie ihm eins kleine Welle lasten, und nun schlug er einen neuen Trommelmarsch: Rataplan, Rataplan, Rataplan plan plan .... Es war wie ein Gebet in hochgewölbtem Dom, und alles stand ergriffen. Dann wieder strichen die Schlegels weich und liebevoll das Kalbfell, daß es klang, wie wenn Turteltauben gurren. Der Henker fluchte heute zum ersten Male seinem Dienst. Und sogar dem alten Lellgerber fiel eine Träne auf den grauen Bart. Dort stand der Mensch, der ihn um seinen Stolz gebracht. Sell Wochen hatte er nichts anderes gedacht al» Rache, und nun mußte er sich gestehen, daß er nichts sehnlicher wünschte, als daß ein Wunder geschähe und dem armen Sünder das Leben schenke. Und das Wunder kam: Mit aufgelöstem Haar bahnte sich ein schreiendes Mädchen ihren Weg durch die Menge: Ursula, vom Vater wohlverwahrt, hatte doch den Weg zur Freihell gesunden. Sie schrie von weitem: „Haltet ein! Ich will ihn haben. Er ist mein! Niemand darf ihm ein Leid tun, wenn ihn die zum Manne begehrt, ob der er gerichtet wurde! So steht es im Gesetz." Der alte Stadtvogt wollte vor Scham versinken; aber er erinnerte sich nur zu gut, daß er selber mit diesem Gedanken gespielt hatte — ganz insgeheim uud tief im Herzer,, wo kaum er selber sich zurecht finden konnte. Er war sonst ein nüchterner, kluger Mann uud mochte wohl auch bedenken, daß die Ehre seiner Tochter vom lebenden Anton doch leichter wiederherzustellen war als vom toten. Kurz: er machte gute Miene zu diesem Schicksalsspiel, und so geschah es, daß der Delinquent sich nicht allein selbst zum Richtplatz hinausge trommelt hatte, sondern daß er sich nun auch selber das musikalische Rückgeleit gab. Die Raben aber, die schon lüstern das Galgenholz umkreist hatten, mußten für dieses Mal leer abziehen. Eine Bedingung freilich mußte Anton Wiesendanger ein gehen, «he er endgültig begnadigt wurde, nämlich daß er nicht nur die Ursula Leitgerberin auf der Stelle heiratete, sondern sich auch auf Lebenszeit der Stadt Speyer als Haupt der Stadtpfeifer verpflichtete. — Als solcher starb er hochbe tagt, und fein größter Kummer auf dem Totenbette war, daß bei seiner Bestattung ein Anderer notgedrungen an der Spitze der Stadtpfeifer einhermarschieren mußte. SWilen und S-MyoM la alter zett Historische Studi« von Dora Zantner-Busch. Da» ganz« Schankwirtschastsgewerb«, von der einfachsten Landein- kehr bis zum elegantesten Luxushotel ist heute an obrigkeitliche Kon zession gebunden, die schon seit mittelalterlich«!: Zeit zuweilen nicht gar so streng gehandhabt wurde, aber immerhin da war. Es gab damals in den deutschen Ländern ein genau umschriebenes Schank konzessionswesen, da» wohl hin und wieder gelockert, auch manchmal aufgehoben wurde, nm aber stets von neuem, der Ordnung und Zucht halber eingeführt zu werden. Endlich machten auch noch die häufigen Klagen verschiedener Gewerbe die Ausstellung fester Schranken notwendig, um gegenseitige Beeinträchtigungen möglichst auszuschalten. Der Verschleiß geistiger Getränke wurde in der Regel Wirtshäusern übertragen, und diese selbst waren sogenannte „Ehehaststaferne", deren Beleihung und Beaufsichtigung von den Landesregierungen bzw. deren Behörden und Beamten ausging. „Ehebaststaserne" — in alten Urkunden findet man meist nur das kur« Wort „Etäsern" — ist der altdeutsche Begriff für Realkonzession, für ein Schankrealrecht, das aus einem Gebäude ruhte, also nicht persönlich verliehen war. Immer hin gab es auch erbliche Verleihungen der Schankgerechtsame, wie zahlreiche „Erbbriese" in alten Gemeinde-, Kloster» und Staats-Chro niken und -Archiven ausweisen. Eine alte Ehehastsurkunde — Ehchaft ist überhaupt die altdeutsche allgemeine Bezeichnung für rechtsgiltig, vom Gesetz anerkannt — aus dem Jahre 1508, in der die „Taseru", also die Schankstätte zu Wett stetten im Frankenlande verliehen wird, bemerkt ausdrücklich als un- statthaft, daß „sonsten jemandt sich unterstehe in dem benannten Dorff Wettstetten zu schenkhen, seh es mit offen oder verschlossenen Zapshen", — Zugleich unterrichtet aber diese Urkunde den neuen Inhaber der „Taseru" Wer seine Pflichten: „er soll auch Vie Mrrah geb« « schenkhen, al» an dem Ende bisher Gewonheyt gewest t» und da» Dorf zu seyuer Zeyt mit Trankh un anderem so sich eyner Taseru gebühret un nach Nottdurf versehen". — Eine andere Ehehast au- der Gemeinde Unterstall bei Eichstätt von 1S27 schreibt dem Wirte vor, „di« Nachparschafft das gantze Jar mit W«in und Pir und schönen Protten versehen, fo gutt er» gehoben (bekommen) mag, und an «yner Maß Wein, so er ausschenkht, I Pfennig, an «Hier Maß Pier 1 Heller als Gewinn zu nennen". — Hier hat man es also mit einer festen Normierung des Schanlnutzeas, gewissermaßen mit einer Bier- refp. Weinpreisfestsetzung zu tun. Wenn der Weiu „verführet", nämlich aus eine» altern Ort und Weinlage eingebracht wurde, so durfte der Rutzen auch nicht höher sein. Ausschließliche, auf Anwesen und Personen bestimnü srstgelegte Schankbefugniffe scheinen sich übrigens erst im ersten Dvttel de- 16. Jahrhunderts in Deutschland, so in Bayern, Franken, Schwaben usw. eingebürgert zu haben. Roch im 15. Jahrhundert bestand eine gewiße Gleichberechtigung der Gemeindebürger in dieser Beziehung, wenn auch hin und wieder schon etwas Einschränkung zu bemer ken ist. Ein Naffenselser Zinsbuch berichtet etwa um 1450 bezüglich der Gemeinde Pettenkoseu: .. item will ayu jeglicher «r Pettrukoffen wol schenkhen an Wein und Pir wann er will". — Lediglich di« vor» geschriebenen Abgaben an de» Pfleger uud Kastner (heute auch.Finanz amt) waren von dem AuSfchenkelldeu zu entrichten. Nu EhehastSrecht des Pfarrdorfe« Schössest» bei Dollnstein in der fränkischen Schweiz enthält folgenden Pafful: „... item «»er schenkheu Wil zu Schönfeld, der sol empfaheu von de« Pfleger m» fol eine» Pfleger nit mer geben denn 3 Pseuniag. Auch wenn atz« fremd« Mann zu Schönfeld fährt un da schenkhen Wil, au aynem Chirchtag oder stinst, der sol geben davon dem Pfleger aya Birtrl Dein: un ob ayner nit ob der Aex schäukht oder lüdt seyn Wein ab, was Trauths «s wär, so mag ihm« der Mrth von Schönfeld den Bode« wol «lS dem Faß stoßen un daran hat er geu uimandt gesrevket." Diese Beiordnung ist einfach prachtvoll! In Schönfeld durste bei leib kein fremder Trank verzapft werden Dis war str«tg verboten, und der fremdländische Zapfler wurde nicht geschützt. — Was tu« nun diese hochwohlweisen Väter, die „Vierer" der Gemeind« von Schönfeld, um ja de« Pfleger „atz« vtrtel Bei«" zu »ettru? Se verordneo, daß ein fremder Mann wohl „ob der A«, «Ho über d« Achse, auf seinem Wagen ausscheuken kann, denn dadurch kommt — getreu dem Gesetze — kein „ausländischer Tropfen" auf SchönfeL« Boden! Lädt er aber seinen Weiu oder was es sonst ist ab, und be rührt damit Schönfelder Boden, so kann ihm jeder konkurreazueidische, radaulustige Wirt selbst den Faßboden auSschlageu oder einstoß«, ohne daß er dadurch straffällig würde uud wärel — Ob unter den» „Virtel Wein" ein Viertel des ganzen fremden Vorrates oder nur ein Viertel nach dem damals dort üblichen Maße gemeint war, etwa ein viertel Liter, ist nicht geklärt. — Die ursprüngliche Allgemeinheit des SchtmLechte» dokumentierten Eintragungen in ein aus dem Jahre 1444 stammende» „salbuch" des Fraueustistes Niedermünster bei Regensburg. (Ein Salbuch ist uach altg-rmanischem Sprachgebrauch soviel wie Katast«, und ist wohl mit einiger Sicherheit von dem althochdeutschen Worte „saljas" — über geben abzuleiten.) Es durften auß-r der „ehtafern" von Schierling alle dort ansässigen oder auch benachbarten Hintersassen des Stiftes, also dessen Zinsleute, Pächter gewissermaßen, sofern sie dem Stift nur tüchtig Zinsen uud Vogteigebühr leisteten,' von Michaeli bis Martini eines jeden JahreS „schänkhen un feil haben, was sie nur wölleu". — Das gleiche war den Leuten von H-rr-nsaal und Kehlheimwinzer erlaubt, mit dem Wortlaut, daß neben der „straztapfern" (Straßentafern) zu Niederfaal vom Beginn der Weinlese bis zu St. Nikolaustag jeder sein Eigen- gewächs verzapfen dürfe. Auch das Bierbrauen war dea Leuten frei gegeben, jedoch nur zum Eigengebrauch. Dieses Prrvatbrauen hat sich ja auf dem Laude noch bis üb« die Mitte des vorigen Jahr hunderts erhalten. So mancher unserer Vorfahr«» sott noch ftineu Haustrunk in einer Art Waschkessel selbst ein. — Immer war die Biersiederei uud die Bierbeschaffung für die Land bewohner und Landwirte nicht frei; sie waren vielmehr meist zum Bezug ihres Ausschankes auf die stiftische» oder sonst landesherrlichen Bräuhäuser angewiesen. Erst gegen 1760 kam die- ziemlich lästig« Banncecht in Wegfall, und jedem ward nach behördlicher Kellerkon trolle am Ende der Sudzeit, ungefähr s» Anfang April eines jeden Jahres, cher Ausschank freigegeben. Nach dem bernts erwähnten Regensburger Salbuch ist auch «sicht- lich, das die Berechtigung des „Täfners" oder Tafnere, also des Tafernbesitzers, eine ziemlich weitgehende und vor allem unter Um ständen ein recht einträgliches Geschäft gewesen ist. Ihm gebührte nicht nur die ununterbrochene Schänkgerechtigkeit, sondern ihm ward auch noch prinzipiell das Recht verbürgt auf „trukken: Kauffmannschaft". Er durfte sich also noch »nit dem Handel mit Fischen, Geflügel und Wildpret befassen, besaß das Recht zum Gewerbebetrieb eines „Häring- und Oclvcrkäusers im Großen". Andere, demnach „Kleinverkäufer", mußten diesem privilegierten Herrn die Befugnisse des Weiterverkaufs durch ein jährliches Geld- oder Naturalreichuis abkausen. Geitau so »nutzte dies »nit dem Recht zum vorübergehenden Schänken auf Len „Chirchtagen" zu Kirchweih und sonst hohe» Festzeiten gehalten werden. Der Ehhast- resp- der Ehetascrnbesitzec zu Schierling, dieser mächtige Mann, hatte sogar urkundlich die Originalmaße sür Flüssigkeit uvch „trukkene" Gegenstäude zu bewahren und überhaupt di« Kontrolle über die Maße und Gewichte neben der Brotjchau auszuüben. — Mit Fleischbeschau gab man sich damals noch nicht ab. Uebersieh! man all diese Verordnungen, jo erwachsen sie folgerichtig