Volltext Seite (XML)
Du ramdsar von Basel Historische Skizze von Walter Jensen Sie hatten ihn also gefaßt, die Schergen der trutzigen Stadt Speyer. Hatten den hübschesten Kerl vom ganzen Oberrhein, den Tambour Anton Wiesendanger au« Basel, hinter Schloß und Riegel gesetzt, weil er statt seine Trommel ein Mädchenherz gerührt hatte; strasverschärfend war, daß dieses Herz des Stadtvogts Tochter, der ehr- und tugend- samen Jungsrau Ursula Leitgerberin zu eigen war. Wie das geschah?. Was nützt es zu fragen, wenn ein Blitz ge zündet hat, aus welcher Wolke er wohl hergekommen sei? Aber die Speyerer kannten bei solchen Ereignissen keinen Spaß. Ja, wäre es ein braver, eingesessener Schmied oder Lohgerber gewesen, oder sonst ein ehrlich Gewerbe Treiben der! Aber ein durchziehender Musikant, dessen einziges Verdienst um die Menschheit darin bestand, daß er ein Kalb sell zu Schanden schlug, der konnte wahrlich die brave Ursula nicht wieder zu Ehren bringen! Solch schwerwiegender Fall war nach speyerischem Brauch durch den Henker zu bereinigen. Ein Trommelwirbel riß den geruhig in seinem Verließ auf hartem Boden schlafenden Anton aus seinem Morgen schlummer. Er konnte gerade noch sagen „Oh weh, was haben die Speyerer schlechte Tambouren!", da wurde die Tür aufgerissen, und herein traten der Henker und ein Magistratsbeamter. Der Henker in Rot, die Magistrat-Person in schwarz mit spanischem Kragen. Ein zweiter Trommel wirbel — Anton hielt sich die Ohren zu. Dann las der Beamte näselnd aus einem Pergament. Aber da die Schrift in einwandfreiem Amtsdeutsch abgefaßt war, verstand Anton wenig davon. Ein Satz allerdings war ganz unmißverständ lich, nämlich der, daß Anton Wiesendanger aus Basel ge henkt werden solle. Ein neuer Trommelwirbel ließ den Ver urteilten erschaudern, der sich wiederum die Ohren mit seinen Daumen zustopfte. Dann fragte der Näselnde nach dem letzten Wunsch des dem Tode Verfallenen. Anton erkundigte sich, ob die draußen rollenden Trommler berufen seien, ihm da- letzte Geleit zu geben, und als er die Bestätigung dieser billigen Vermutung hatte, sagte er: „Dann wünsche ich als Letztes, daß - wenn Ihr zu Speyer keine besseren Trommler habt — ich mir selbst den Trommelmarsch schlagen darf!" Man trug den sonderbaren Wunsch dem Stadtvogt vor, und da der Geistliche, der dem Verurteilten auf seinem letzten Gang beistehen sollte, sich für ihn verwandte, sah bald darauf die alte Kaisersiadt einen seltsamen Zug zum Tor hinaus 4» Alvis'» Wenige Tage darauf feierte man im Haus« Krüß die Hoheit Werners .mit seiner Christine im kleinsten Kreise. In der Hamburger Gesellschaft hieß es, daß der junge Krüß erne ümnens reiche Amerikanerin geheiratet habe und nun mit ihr nach Kanada reise, um ihre Reichtümer und Besitzungen selbst zu verwalten. Er wurde viel beneidet, besonders von den wenigen, die das Glück hatten, Christine persönlich kennen zu lernen. Der Tag der Abreise rückte heran, und die Eltern Krüß, sowie Tust mit der kleinen Christine brachten das junge Paar zum Schiff. Tröstend sprachen Werner und Christine aus die weinende Mutter ein, nur mühsam Worte findend, die ihr strahlendes, junges Glück verbergen sollten vor dem Schmerz der Mutter. Vater Krüh, der in der letzten Zeit ausfallend frisch und lebensfroh dreingesehen, blickte jetzt auch betrübt aus den scheidenden Sohn und die ihm so lieb- gewordene Schwiegertochter. Er fuhr sich mehrmals mit dem Taschentuch über den borstigen Schnauzbart, um seiner Be wegung Herr zu werden. „Daß Christine aber auch nicht hier bleiben wollte — es hätte sich doch-gewiß jemand dort gefunden, der für sie ein gesprungen wäre," meinte Frau Krüh jetzt noch einmal kla gend, als könne sie die Beiden noch im letzten Augenblick zur Umkehr bewegen. Die Eltern hatten das Schiff bereits verlassen, das sich nun langsam in Bewegung setzte, und das junge Paar rief ihnen eben das letzte Lebewohl zu. Vater Krüß aber nahm seine Frau unter den Arm und sagte: „Das konnte Christine nicht tun, liebe Beate. Es wäre pflichtvergessen gewesen. Ihr ganzes Leben war bisher eine einzige große Pflichterfüllung. Und auf diesem Wege dürfen und können wir sie nicht irremächen!" — Ende. — Erzählung «dete mit der Klagd: .„Ja, Christine, das - du damals wohl auch nicht gedacht, dah ich einmal Spittel enden müKe. Und ich habe doch mein Lebtag nichts anderes getan, als von früh bis in die Nacht hinein gearbeitet. Wenn man alt ist, gehört man weg von der Welt." Ein heißes Mitleid mit dem armen, alten Menschen über kam Christine. „Nein, Theres«, ins Spittel sollen Sie mir nicht kommen!" tröMe sie. „Ich verdanke Ihnen so viel an guten Rat- schlägen und Hilfsbereitschaft, als ich noch dumm und uner fahren war, dah es mir eine große Freud« sein wird, es jetzt bei Ihnen wettzumachen." Und das Glück der Alte» war unbeschreiblich, als sie hörte, daß Christine ihr bis an ihr Lebensende eine monatliche Unterstützung gewähren wollte, die ihr von nun an ein sorgenfreies, bescheiden« Leben sicherte. Roch unter der Türe waren ihre Worte ein einiger Segens wunsch für die scheidende Christine, der es vergönnt war, mit vollen Händen geben zu können., Dann kam der Abschied von den treue« Waisenhaus bewohnern, und sie sagte zu der geliebten Schwester Marianne: „Nun komme ich Euch jedes Jahr besuchen. Und, liebste Schwester Marianne, es wäre mir eine unendliche Freude, wem Sie einmal zu uns nach Kanada kämen. Schreiben Sie mir, wann ich Ihnen Ihre Fahrkarte schicken darf, und Sie sollen auf di« allerbequemste Welse hinüberkommen." „Wer weiß!" lachte die Schwester. „Vielleicht werde ich wirklich «in« Tag« reiselustig." Noch «in inniger Händedruck Christinens: „Sie sollten « nicht zu bereu« hab«n!" Gegen Mittag traf sie mit Werner wieder in Hamburg «in, wo sie nun erst einmal in aller Ruhe ihr eigen« Schicksal besprechen wollt«». Bon Miß Dobbs war bereits die Antwort auf ihr Telegramm eingetroffen. Es lautete kurz und bündig: ,LLtt« dich für vernünftiger gehalten, aber wenn es durch aus sein muß,' mrinen Segen zu allem. Erwarte Euch mit Freuden." Und nun hieß « erst einmal den Eltern erklärlich machen, daß Werner beabsichtig«, mit nach Kanada zu reisen, da Christin« dort nicht wortbrüchig werden könne. Die Mutter war außer sich, al» der Sohn « ihr allmählich beigebracht hatte. Inzwischen saß Christin« bei dem Vater und legte ihm ihre ganzen geschäftlichen Verhältnisse klar, dabei betonend, baß sie ihre Arbeit dort nicht aufgeben könne, und daß Werner in kurzer Zeit sich dort eine Stellung schassen könne, wl« "es ihm "hier kaum Möglich sei. „All« recht schön und gut, mein Kind," entgegnete da Krüh, „aber auch mein Geschäft könnte eine tüchtige Kraft vertragen^ Und wenn Werner schon Kaufmann werden will, so hätte er doch zu allerenst in sein« Vaters Geschäft die Möglichkit dazu." Da blinzelte ihn Christin« ironisch an: „Willst du dich zur Ruhe setzen? — Nein — also, was soll denn da Werner tun? In meinem Geschäft fehlt der Mann als Oberhaupt, und wenn wir zum Beispiel unsre beiden Firmen zusammen legen würden, so, daß wir ein Haus in Hamburg und du «in« in Kanada hättest? Wie gefiele dir der Plan?" Lauernd beobachtete sie das Gesicht des alten Herrn. Sie hatte lange bemerkt, wo ihn der Schuh drückte. Nämlich, dah sein Geschäft in den letzten Jahren bedenklich zurüS- zegangen war und nur eine gründliche Hilse geschaffen werden ronnte, wenn aus irgend «ine Weise genügend Kapital in die Firma kam. „Dar ist keine schlechte Idee, Christine," sagte er mit verhalten« Stimme. Es kostete ihn Mühe, seine Freude über ihrm Vorschlag zu »«bergen. Das war ja doch sofort sein Einfall gewesen, als sie am ersten Abend den geschäftlichen Betrieb ihr« Firma in Winnipeg geschildert hatte. Das konnte allein ihm noch Rettung aus seiner betrüblichen Lage bringen, dacht« er. Da stand sie auf und bot ihm die Hand: „Abgemacht, Bakr," sagte sie wie ein echter Geschäftsmann. „Die Firma Krüh uno die Firma Dobbs werden noch heute ein gegen seitig« Handelsabkommen unterzeichnen. Einverstanden?" Da packte er sie bei beiden Schultern und sagte mit lachendem Gesicht: „Du bist ja ein ganz famoses Mädel und «in firer Geschäftsmann dapi! Alle Wetter, du greifst zu, wenn's lohnt!" „Na — ob das hi« gerade lohnt?" zwinkerte sie ihm mit spitzbübischem Gesicht zu und huschte schnell hinaus, ihren Werner suchend, um ihm das Einverständnis des Vaters mitzuteilen. Di« Mutter mußte sich schweren Herzens der Uebermacht fügen, doch gelobte ihr das junge Paar, daß sie jed« Jahr einmal zum Besuche herüberkämen.