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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zu« Frankenberger Tageblatt Ar. 48 Sonntag, den 27. Mi M Stilles GM Das ist des Tages Feierstunde, Wenn überm Dach die Sonne sinkt, Und uns das Wendläuten Kunde Don treu erfüllten Pflichten bringt. Der Wanduhr Ticktack füllt das Zimmer Mit Kling und Klang und Heimlichkeit Und miM sich mit dem Goldgeflimmer, Das letztes Licht durchs Fenster streut. Heim läuft manch kleiner Fuß vom Spielen Und tappt sich hin zu Mutters Schoß, Sitzt nicht das Märchen auf den Dielen Mit Augen träumerisch und grob? Tanzt nicht aus bunten Wiesenblüten, Die müde man nach Hause trug. Und die wie Edelsteine glühten, Ein lichter, luftiger Elfenspuk? Heil jenem Haus, wo emsig Streben, Der Feierstunde sich besann, Und stillem Glücke hingegeben Sich Herz zu Herzen finden kann. Einmal am Tage Einkehr halten Zn seiner Seel« tiefsten Schrein, Heißt Arbeitsfreude sich erhalten Und Gott im Himmel nahe sein! Sonntagsbetrachtung „Ihr seid das Salz der Erde" (Ev. Matth. 5,13). „Ihr seid das Salz der Erde", so hat einst der Herr Christus zu seinen Jüngern gesagt. Dies Wort fordert leben dige Christen, deren "Glauben nicht in Worten besteht, sondern in Taten, nicht Ansichtssache ist, sondern heilige Ueberzeugung, nicht Schmuck für Sonntage und Trost für Trauerzeiten, sondern Kraft fürs ganze Leben bringt. Wie MU« «r auf unser gesamtes Volksleben wirken, wenn die Wangen, die mit Ernst Christen sein nwllen, auch wkklich mit heiligem Ernste die Wahrheit des Evangeliums zur Geltung bringe» wollten! Wer daran fehlt es oft und ein schwächliches, mut loses, kraftloses Christentum, das nur für sich genieß« möchte und sich nicht auswirkt, ist überhaupt kein Christentum. Salz ist unentbehrlich Ohne Salz sind die besten Speis« ungenießbar. So müsse» auch die größten und edelsten Gab«, welche «in Wrlk besitzt, mit dem Evangelium durchdrungen werden, wenn sie zum wirklichen Gewinn und zum wertvollen Genuß gereichen sollen. Das Salz bewahrt vor Fäulnis. So kann ohne die Kraft des Evangeliums auch die blühendste Külter auf die Dauer nicht bestehen, so verfällt ohne diHe Kraft auch das edelste und begabteste Volk dem Verderben. Welch eine verantwortungsvolle Aufgabe für alle Christen, gerade in der Gegenwmck! Aus der Tiefe sind unheimliche Mächte emporgestiegen: Schwindelgeist und Untreue, Auflchaung und Frechheit, Gottlosigkeit und Sittenlosigkeit überall. ist, als ob ein Strom von Sünden und Lastern "sich durch unser Volk hindurchwätzte. Da heißt es: Christen vor di« Front, hinein ns Volk! Zeigt eure Kraft, beweist euren "Glauben, raßl fahren Untätigkeit und Gleichgültigkeit, bekämpft eure Feigheit und bekennt Farbe! S^oäAinge können nie das Satz der Erde sein. Gott schenke unserer Kirche Sahkraft, jeder Gemeind« neues Leben! Ein glaubensloses, mutloses, wirkungsloses Christentum sinkt, noch unter die Dinge dieser Wett hinab; denn diese behalten, auch wenn sie ihr« inner« Wert vev- lieren, doch sehr ost noch eine äußere Brauchbarkeit. Das aber kann man von einem Christentum, welches seine Satzkraft verloren hat, nicht behaupten, „Wenn das Satz dumpf werd, womit soll man salzen? Es taugt hinfort zu nichts mehr. Man schütte es weg und lasse es die Leute zertrenn." Aber > davor behüte uns Gott! s Pfarrer Schneider- Erdmannsdorf, Die Luftigen Leute auf Unverzagt Bou E. F^ch-r-Markgrafs Amerika». Copyright 1923 by Lit. Bur. M. Linke, Dresden 21 28 Nachdruck verboten Um die Ecke des geöffnet« Fensters hatte inzwischen der Morgenwind gelugt, neckisch, mit verschmitztem Gesicht, und mit den täppisch« Kinderstngern griff er nach dem Papier aus der Fensterbank, einmal, zweimiü, und als sich keines der beiden rührte, da stemmte er die Arme in die Seite, blies zornig beide Backen auf und sog dann mächtig den Atem ein. Das graugrüne Kuvert hatte sich ganz breit gemacht und sich fest an das weißlackierte Hotz geklammert. Es hatte schon jahrelang im Schubkasten des Dorfwirtshauses gelegen, war arg vom Leb« herumgestoßen worden, hatte seine Erfah rung« gesammüt und durchaus nicht Lust, sich zum Spiel ball von jedermanns Laun« machen zu lass«. Wer das Briefblatt hob zitternd, wie ein neugieriges, vorwitziges Kind erst die eine Ecke, dann die andere, und als der Sommer- wind noch ein« kräftig« Atemzug tat, da hob es sich kühn und flatterte wie ein großer, flinker weißer Falter in den lichten Morgensonnensch«, hinaus. Und wie alle vorwitzigen, unbesonnenen Leutchen, die die Vorsehung versuch«, «hielt xs auch sogleich sein« Lohn, denn der Wind begann sein tolles Spiel mit ihm zu treiben, jagt« es lachend vor sich her, über Sand und tauig«» Ras« und durch die Pfützen rwm mäßigen Strichreg«, bis es jämmerlich zerrissen und beschmutzt sich zwischen den Aesten von Frau Adelgundes großem Oleander verbarg. Dort versuchte der Wind zwar »vH wie «in großer, ung^ogener Junge an ihm herum zuzerren, kitzelte und uickte, aber der Oleander deckte ernsthaft seine dunkelgrün« Blätter darüber. Da bekam es dann Ruhe und hatte Zeit, darüber nachzudenken, wie gut es ist, nicht über die vom Schicksal gezogenen Schrank« hinaus zu wollen. Dr. Voigtstedt aber, der wiederum mit verdüstert«, Blick und nervös zuckenden Lippen im Zimmer auf und nieder gegangen war, machte plötzlich eine Schwenkung nach rechts, trat zu dem off«« Fenster und zerpflückte »och in tiefen Gedanken das graue Kuvert in viele willig kleine Fetzchen, die er m den Morgenwind streute, ohne z» be merken, daß das Briefblatt nicht mehr darin steckte. Dann atmete er wie befreit, holte sich einen Band Shake speare und vertiefte sich in „König Richard lll.", nur ab und an ein« scharf« Blick über das Buch hinweg auf .seinen fleißig arbeitenden Schüler werfend. Fräulein von Massenbach hatte mit ihrem leicht«, schwe benden Schritt den Gemüsegarten durchquert, mit Luise, dem ehemaligen Hausmädchen, die dort jätend in emem der Wege hockte, ein paar freundliche Worte gesprochen und die eiligst Aufspringende mit zarter Hand wieder auf ihren Platz hev- untergedrückt: »^Sleib ruhig bei deiner Arbeit, Luise!" D« Blumenkohlhäuptern, über die mau. schützend die graugrün«, gezackt« Blätter zusammengebunden hatte, schenkte sie einen unsicher prüfenden Blick und faßte mit stütz«, Finger die jungen Bohn«, auf denen sie sekundenlang ine Augen ruhen ließ, wie jemand, der etwas ansieht, das er mit bestem Willen nicht recht zu beurteil« versteht. Dau» betrat sie dm Obstgarten, auf dch« SÄ«» Raj«»