Volltext Seite (XML)
Nichtamtlicher Teil. -V 146. 28. Juni 1S1V Frist länger. Es ist gerade umgelehrt. Weil die Leute, die nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche Geschäste treiben, Nichtkausleute sind, sieht das Bürgerliche Gesetzbuch eine möglichst lange Frist vor; das Handelsgesetzbuch würde, wenn es eine analoge Bestimmung hätte, sie wahrscheinlich strenger fassen, und der Handelsrichter wird in den meisten Fällen eine so weite Zeitspanne nicht zubilligen. Es ist klar, daß die zwei Jahre, während deren man uns verpflichtet hält, das Werk umzutauschen oder Defekte nachzuliesern, nach dem allgemeinen Rechtsbewußtsein eine überaus weitgehende Zeit spanne darstellen. Gleichwohl wollen wir dagegen nicht remon strieren; wohl aber sage ich: »Gehen Sie nicht noch weiter.« Ich bitte Sie, folgenden Fall ins Auge zu fassen. Denken Sie sich einen Bücherliebhaber; er hat ein seltenes Werk, an dem ein Band inkomplett ist. Er möchte dieses Werk gern im vollständigen Zu stande haben, und bezieht jenen Band durch den Sortimenter vom Verleger. Dieser Abnehmer ist untreu, — es gibt auch solche — und behauptet nach fünf Monaten: Das Exemplar, das du mir damals geliefert hast, ist unvollständig. Er gibt seinen Defektband zurück, und der Verleger bekommt den Band, den er gar nicht geliefert hat, sondern den wertlosen Band. Der Verleger muß nachliesern und hat kein Mittel sich dagegen zu wehren. Man wird sagen, das sei arglistig. Das ist richtig, meine Herren. Aber stehlen ist auch vom Strafgesetzbuche verboten, und es wird doch gestohlen. Der Verleger hat in dem Falle gar nicht die Beweismöglichkeit, und Sie reizen durch Ihre neue Fassung geradezu zu solchen unlauteren Manipulationen. Ich möchte Sie deshalb bitten, tun Sie das nicht, lassen Sie es bei der bisherigen Fassung oder streichen Sie den ganzen z 14 und lassen Sie einfach die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder des Handelsgesetzbuches auch sür den Verkehr im Buchhandel maßgebend sein. Vorsitzender: Ich möchte doch gegen diese Ausführung Ein spruch erheben. Die Bücherkäufer, Gelehrte usw. sind doch anstän dige und ehrenhafte Leute. (Unruhe.) Das hat Herr vr. de Gruy- ter schon einmal ausgesührt, daß ein solcher untreuer Käufer einen defekten Band zurückgeben könnte, der ihm gar nicht geliefert wor den ist, um ihn auf diese Weise umzutauschen. Aber ganz abgesehen davon, daß man so etwas eigentlich nicht aussprechen sollte, wenn es sich um anständige Leute handelt, und gerade die Bllcherkäufer Pflegen doch anständige Leute zu sein; Bücher zu kaufen ist immer sittlichend (Heiterkeit.); aber selbst praktisch würde sich die Sache kaum machen lassen. Herr vr. de Gruyter hat von einem seltenen Buche gesprochen. Unter einem seltenen Buche verstehe ich doch ein Buch, das beim Verleger nicht mehr zu haben ist; ein Buch, das ich von: Verleger beziehen kann, kann nicht selten sein. Also das Beispiel ist unmöglich. Aber nehmen wir an, er hat ein teueres wertvolles Werk gemeint (Zuruf: Hierse- mannl), ein solches Buch pflegt der Verleger aber nicht L oonäi- tion zu geben, er pflegt es auch zu kollationieren. Das sind Fälle, die konstruiert sind, während es sich für uns um Fälle handelt, die in der Praxis Vorkommen. Herr vr. Ehlcrmann sagt freilich: Der Käufer kann das Buch aus seine Vollständigkeit prüfen, wenn er das verabsäumt, so muß er eben den Schaden tragen. Meine Herren! Wenn Sie aber einen besseren Bücherkäuser haben, der jedes Jahr für 1000 Bücher kausi, wollen Sie den verpflichten, jedes Buch zu kollatio- nieren? Er muß schon die alten Bücher kollationieren, wenn er leinen Schaden haben will; soll er die neuen auch noch kollatio nieren? Da trifft es doch zu: Es ist eine Verpflichtung des Ver legers, vollständige Exemplare zu liefern, und wo ihr nicht nach gekommen ist, trifft ihn die Schuld und deshalb auch die Haftung. Daß solche Fälle von Untreue Vorkommen können, will ich nicht bestreiten, aber darauf kann man ein Gesetz nicht zuschneiden; das wäre dann ein Strafgesetz, nicht ein Gesetz aus dem Zivilrecht. Herr vr. de Gruyter wird auch nicht gemeint habe», daß das sehr häufig vorkommt. Sie können eine solche Verpflichtung dem Käufer nicht zumuten und infolgedessen auch dem Sortimenter nicht. Das liegt in der ganzen Natur des Geschäfts. Der Antiquar geht noch viel weiter. Wenn Sie bei einem Antiquar ein wertvolles Buch kaufen und nach sechs Jahren kommen Sie und sagen: Hier ist ein Defekt, so nimmt der Antiquar es anstandslos zurück, auch wenn das Buch vielleicht einen Wert von Hunderten von Mark hat. Im Vereinsausschusse haben wir die Sache geprüft; vier Verleger saßen dabei, die auch ein Herz für den Verlag haben, und die haben zugestimmt. Ich bin überzeugt, wen» man die 3000 Ver- leger, die es gibt, zusammenberufen würde, daß sie alle 3000 dasür stimmen würden. (Widerspruch.) Herr vr. Georg Pactcl: Ganz auf den Boden der Rechts, aussührungen der Herren vr. Ehlermann und vr. de Gruyter kann ich mich nicht stellen; aber ich muß zugestehen, daß allerdings das Gesetz hier nicht so klar ist, daß wir als Laien entscheiden könnten, was recht und was nicht recht ist. Es scheint mir nach diesen verschiedenen Ausführungen doch hier einer der Fälle vorzuliegen, wo jeder Jurist eine andere Mei nung hat. Jedenfalls möchte ich hier nicht auf dem Boden der Gesetzgebung nach der einen oder anderen Richtung hin entschieden sehen. Allerdings waren wir vier Verleger im Vereinsausschusse sür die vorliegende Fassung und hatten sogar noch eine schärfere Form gewählt, weil wir glaubten, daß es sich hier um Beseitigung von Mißständen handelte. Nun sind uns die Mißstände allerdings nicht in großem Umfange nachgewiesen worden; Herr Prager hat selber vom Borstandstische aus erklärt, daß ein solcher Fall in der Praxis wohl nur selten Vorkommen werde. (Zuruf des Herrn Prager: Nicht alle Tage!) Und nun, meine Herren, kann ich mich als Vorsitzender des Vereinsausschusses nur aus den Boden stellen, nach dem wir unsere ganze Verkehrsordnung durchgearbeitet haben, daß wir uns sagen: Die Berkehrsordnung ist von Anfang an ein Kompromiß gewesen und wird es wohl in vielen Fällen immer bleiben müssen, wie jede derartige Ordnung. Wenn also ein so großer Verein, wie der deutsche Verlegerverein in zweien seiner Sitzungen hier die Belastung des Verlags durch unsere Fassung sür zu groß erklärt hat, und der Vorstand des Börsenvereins dieser Ausfassung des deutschen Verlegervereins zustimmt und Ihnen empfiehlt, die alte Fassung wieder herzustellen, die gegenüber den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen schon eine Mehrbelastung des Verlags darstellt, so bleibt schließlich dem Vereinsausschusse auch nichts weiter übrig, als sich auf denselben Boden zu stellen und Ihnen zu empfehlen, die alte Fassung zu belassen und unseren Entwurf vorläusig zu kassieren. Herr vr. Walter de Grnytcr: Ich weiß nicht, ob Herr Prager vorhin als Vorsitzender der Versammlung gesprochen hat oder als Reserent. (Zuruf des Herrn Prager: Als Referent!) Aber das ist gleichgültig, denn auch dann habe ich hier keine Stelle, die ich um Schutz anrusen könnte gegen das, was Herr Prager mir unterstellt hat. Herr Prager hat mir den Vorwurf gemacht, daß ich gegen anständige und ehrbare Leute Beschuldigungen ausgesprochen hätte, die diese tief herabsetzten; er hat gesagt: So etwas sollte man nicht aussprechen. Freilich hat er dann selbst eingeräumt, daß es solche Fälle und Leute gebe, aber aus den einzelnen Fall mache man kein Gesetz. Meine Herren! Ich habe nichts weiter getan, als die Möglich- keit eines solchen Falles hingestellt. Ich bitte um Ihr Zeugnis dasür. (Zustimmung.) Und wenn das so ist, so war unser Vorsitzender. Herr Prager, nicht berechtigt, mir einen Vorwurf zu machen. Vorsitzender: Dazu möchte ich persönlich bemerken: Als Vor sitzender hatte ich kein Recht, Ihnen einen Vorwurf zu machen; ich habe nur Persönlich bemerkt, daß man solche Dinge nicht sagen sollte, die die Beschuldigung eines ganzen Standes ausdrücken, wenn ich auch als selbstverständlich annehme, daß dergleichen Vorkommen kann. Ich habe ja ausdrücklich gesagt: Sie werden nicht der Mei nung sein, daß alle oder zahlreiche Käufer das tun; wenn es sich aber um Einzelfälle handelt, so macht man sür solche keine Gesetze.