Volltext Seite (XML)
^ Lrschelat^werktSgll^. ^ Fllr^Mildlled^r ^be» < ^ ! Ehrlich Gesch^tsd^' oder'^^r'ark"^ ^ «aüm 15-pf^'^6.rr.^M^'^.2S2^'/,S^50M.: für Nicht- ^ Ul^MuM^MMMr^MöÄSeAI^^nDWNM^rMÄWla Nr. 218. Leipzig, Dienstag den IS. September 1816. 8S. Jahrgang. Redaktioneller Teil. Siebenbürgen im Kriege. Durch den räuberischen überfall der rumänischen Nachbarn ist nun auch das alte Siebenbllrger Sachsenland zum Kriegs schauplatz geworden.*) Das Doppelspiel ist den Machthabern in Bukarest gelungen, der Einfall an der ganzen Südgrenze: Prcdcal-Paß (gegen Kronstadt), Roterturm-Paß (gegen Hermann- stadt) und Vulkan-Paß (gegen Petroseny) vollzog sich zur selben Stunde, als der rumänische Gesandte in Wien die Kriegserklä rung überreichte: Sonntag, 27. August, abends g Uhr. Am Sonntag abend dachte noch kein Mensch in Hermann stadt an eine Gefahr. Trotz Sonntagsruhe arbeitete ich fast den ganzen Tag in meinem Hauptgeschäfte, da vier Tage später, am 1. September, die Schulen beginnen sollten, und ich durch die wiederholten Nachassentierungen meine Gehilfen und die beiden ältesten Lehrlinge verloren hatte. In meinem Filial- Schulgeschäft hatte ich noch zwei Fräulein. Auch zuhause und im Bette beschäftigten mich ausschließlich geschäftliche Gedanken: ob Wohl bei dem mangelhaften Postbcrkehr die rückständigen Pa kete von Teubner u. a. noch rechtzeitig zum 1. Sept. eintresfen würden, wie die Jnnen-Organisation angesichts des zu er wartenden Andrangs bei dem auf einen Bruchteil herabgegange- ncn Personal am zweckmäßigsten einzurichten sei u. dgl. m. Um Mitternacht schlief ich ein. Mein Haus liegt mitten im Garten; gegen die Straße habe ich aus meinem Grunde noch zwei kleinere Häuschen. Am frühen Morgen des 28. August wurde ich plötzlich durch Schläge an die Fensterladen unsanft geweckt: »Krieg! Rumänien hat uns den Krieg erklärt! Die Rumänen stehen bereits diesseits der Grenze!« ruft mir ein Bewohner meiner Straßenhäuschcn zu. Also doch! war mein erster Gedanke; — ich hatte mich weder durch die Ge- trcidelieferungen, noch durch die Äußerungen der rumänischen »Macher«, insbesondere Bratianus, des rumänischen Minister präsidenten, in Sorglosigkeit wiegen lassen. Meine Angehörigen, Frau und 5 Kinder, waren rasch in den Kleidern. Ich gebot Ruhe und Daheimbleibcn und ging in die Stadt, da die Elektrische bereits vom Militär requiriert war. Zuerst ins Geschäft: meine beiden letzten »Mitarbeiter« — ein Lehrling im 2., einer im .-1. Lehrjahre, sowie mein zweiter Junge, der noch das Gymnasium besucht und mir in den Ferien als dritter »Mitarbeiter« geholfen hatte (der älteste Sohn steht als Artillerie-Leutnant, mein Schwiegersohn als Infan terie-Oberleutnant d. R. in der Front), waren zur Stelle. Mein zweiter Gang war diktiert von meiner Eigenschaft als Mit- *> Nähere Mitteilungen über die Kämpfe, die sich inzwischen abge spielt haben, liegen noch nicht vor, wir wissen nur, daß in der Dobrutscha in einer entscheidenden Schlacht die vereinigten russischen und rumä nischen Truppenteile von unseren verbündeten Heeren geschlagen und da mit die Hoffnungen vernichtet worden sind, die sich an das Eingreifen j Rumäniens in diese» Weltkrieg knüpften. Gleichwohl liegt es in der Natur der Sache, daß von Sendungen nach Hermann st adt, Kronstadt, Schäßburg und Mcdiasch vorläufig abgesehen werden muß, da sie diese Orte in absehbarer Zeit nicht erreichen würden. Die Post verkehrt nur von Klausenburg westwärts, so daß Bestellungen und Fortsetzungen nach den bczcichucten Städten bis auf weiteres zu- rllckzuhalten sind. Red. glied des Magistrats-Ausschusses (Stadtrat) und galt dem Rat hause: die Stadt muß geräumt werden! Fieberhaft arbeitete schon das Militär, um alle militärischen Wertobjekle fortzuschaf fen, Zug auf Zug rollte ab, auf dem Bahnhofe ein nie gesehenes Treiben. Meine Lieben wollte ich diesem wahnsinnigen Drängen der ersten Überstürzung nicht aussetzen und beschloß daher, erst einen überblick über die Lage zu gewinnen, ehe ich einen Ent schluß faßte. Eine Verordnung forderte die 17—55jährige männ liche Bevölkerung auf, schleunigst die Stadt zu verlassen, um der möglichen Internierung zu entgehen. Obwohl ich auch noch in diese Altersklassen gehöre, beschloß ich, vorerst meine Ange hörigen in Sicherheit zu bringen, selbst aber bis zum letztmög lichen Moment auszuharren, um mein bewegliches Vermögen so gut es ging in Sicherheit zu bringen. Meine beiden älte sten Töchter konnten Montag schon im Offizierszug Hermann stadt verlassen, Frau und vier Kinder Dienstag im Flllchtlings- zug. Wohin die beiden Züge gingen — wieweitsie fahren dursten, niemand weiß es zu sagen, und heute noch suche ich meine Lieben durch die heimischen Zeitungen. Der Kampf südlich von Hermannstadt näherte sich Dienstag und Mittwoch (29. und 30. August) bedenklich; Mittwoch nach mittag dauerte das Artilleriefeucr bis abends ^ 9, dann brach es Plötzlich ab. Wohl 8V 7° der Bevölkerung hatten in diesen drei Tagen die Stadt verlassen; als ich gegen 11 Uhr nachts nach Hause ging, lag die Stadt im tiefsten Dunkel, kein Laut war zu hören. Das Verstummen der Kanonen, die Lautlosigkeit vor den Toren der Stadt (ich hörte sonst in meinem Garten deutlich das Knattern der übenden Maschinengewehre) ließen mich hoffen, die Rumänen seien wieder bis an den Rotenturm-Paß zurück- geschlagen. Mit diesem beruhigenden Gedanken schlief ich ein. Am 31. August früh begegnete ich auf dem Wege zur Stadt einem Meldereiter und führte ihn zum Gebäude des Korpskommandos: es war leer, die Letzten hatten die Stadt 2 Uhr nachts verlassen. Kein Soldat war mehr zu sehen, nur hie und da ein alter Mann oder ein Angehöriger der eingeborenen rumänischen Bevölkerung. Im Slammkaffee der inneren Stadt, sonst lebhaft besucht, früh- stückte ich mit drei anderen Herren. Bald hieß es: die Rumänen stehen in Schellenberg, 3—4 km vor der Stadt; kurz darauf wur den auf dem evangelischen Turm Weiße Fahnen gehißt. Ich überzeugte mich davon und sah auch, daß Häuser rumänischer Be sitzer Weiße Fahnen herausgesteckt hatten. Nun war auch meines Bleibens nicht länger, wollte ich nicht Gefahr laufen, interniert zu werden und möglicherweise Jahr und Tag, bis zum Ende der Friedensverhandlungen irgendwo in Rumänien festzusitzen und so lange meine Lieben ohne Schutz und Hilfe irgendwo im Innern des Landes zu wissen. Ich ging ins Geschäft, um meine Wertpapiere zu sichern und Silberzeug u. dgl. möglichst unauf findbar zu verstecken. Von Zeit zu Zeit betrat ich die Straße: fast kein Lebewesen war zu sehen, lautlose Stille herrschte am hell lichten Tage. Es schien, als erwarteten die Rumänen Verstärkun gen, da auch auf unserer Seite frische Truppen auf der südunga rischen Linie eingetroffen waren. So verging der Tag. Noch einmal durfte ich — allein — unter dem eigenen Dache schlafen. Am 1. September früh war der Stand der gleiche: die Rumänen standen 3—4 km vor den Toren der Stadt, die Weißen Fahnen der offenen königlichen Frei- 1213