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9726 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 197, 24. August 1912. ist, daß die nachgedruckten Stellen etwas geändert sind, um die Entnahme zu verdecken. Auch der Charakter des ganzen Werkes entschuldigt ein solches Verfahren nicht, denn es handelt sich nicht nur um eine Formel- und Beispielsammlung, das Buch enthält auch Beispiele, die sich als vom Verfasser erdacht und ausgewähll darstellen, sowie Herleitungen und Begründungen, die sich als eigene Gedankenarbeit des Verfassers ausgeben. Der Verlag würde mit der Veröffentlichung des Buchsseinen RufaufsSPielsetzen.es kann ihm deshalb die Veröffentlichung nicht zugemulet werden. Daraus ergibt sich auch, daß es nicht daraus ankommt, ob der Verlag einmal eine Kompilation herausgegeben hat. Ein anderer Punkt ist der Umfang des Werks. Regelmäßig wird hier eine Vereinbarung zwischen dem Schriftsteller und dem Verleger getroffen werden. Bei Auf- stellung einer Berechnung mutz der Verleger hauptsächlich den voraussichtlichen Abnehmerkreis in Betracht ziehen; er mutz berücksichtigen, welcher Betrag von den Käufern gezahlt werden könnte und welcher Ladenpreis zu stellen ist, sowie welche Un kosten er haben wird. Bei den Unkosten kommt aber wesentlich der Umfang des Werks in Betracht, es wird deshalb regelmätzig wenigstens ungefähr die Bogenzahl vereinbart werden. Manchmal ergibt sie sich von selbst aus dem behandelten Stoff oder aus anderen Umständen. Will z. B. ein Ver lag seiner Sammlung deutscher Reichsgesetze ein neuer lassenes Gesetz hinzufügen, so ist es selbstverständlich, daß der Umfang der Erläuterungen sich in dem Rah men der bisher erschienenen Bände hält. In diesem Sinne hat sich auch das Oberlandesgericht Colmar in einer Ent scheidung vom 24. Juni 1909 (Das Recht 13, Nr. 2197) aus gesprochen, die einen Beitrag für eine periodische Druckschrift betrifft. Es heißt dort: Wenn auch über den Inhalt und die Form bei einem literarischen Erzeugnis dem Verfasser das freie Bestimmungsrecht zusteht, so trifft dies doch für den Umfang des Werkes nicht zu; denn dieser steht mit der geistigen Per sönlichkeit des Verfassers nicht in untrennbarem Zusammen hänge, sondern kann nach äußeren Rücksichten bemessen werden. Der Verfasser ist verpflichtet, auch wenn keine ausdrücklichen Vereinbarungen getroffen werden, den Umfang in denjenigen Schranken zu halten, die — wenn es sich um Aufnahme in eine periodische Zeitschrift handelt — dem namentlich mit Rücksicht auf die Einrichtung und den Umfang dieser Zeitschrift zu ermittelnden Willen der Vertragschließenden entsprechen. Diese Grundsätze gelten nicht nur für Beiträge zu Sam melwerken, sondern entsprechend für jedes Werk. Es läßt sich nicht bestreiten, daß sie häufig den Schriftsteller in der freien Entfaltung seiner Geistestätigkeit beschränken. Daran läßt sich aber nichts ändem, denn wenn auch das Gesetz bestrebt ist, die Persönlichkeit des Schriftstellers möglichst zu schützen, so findet dieser Schutz doch seine Grenze an den harten Not- Wendigkeiten des wirtschaftlichen Lebens und des Geschäfts. Mit dem Abschluß des Verlagsvertrages begibt sich der Ver fasser auf das geschäftliche Gebiet und mutz sich den hier gel tenden Grundsätzen unterwerfen. Durch die Hingabe an einen Verleger will er sein Werk wirtschaftlich verwerten und materi ellen Nutzen daraus ziehen, er schädigt aber sich und den Ver leger, wenn er das Werk in einem Umfange herstellt, daß das Buch wegen seines hohen Preises keine Käufer findet. Es ist deshalb durchaus gerechtfertigt, daß der nicht vertragsmäßige Umfang den Verleger zur Zurückweisung des Werkes berechtigt. Nun gibt es aber eine Grenze, bis zu welcher der mangel hafte Inhalt des Buchs von dem Verleger gerügt werden kann, und jenseits deren die Persönlichkeit des Schriftstellers zu wirken beginnt. Freilich wird die Feststellung dieser Grenze oft nicht leicht sein. Mit einem solchen Fall beschäftigt sich das Oberlandesgecicht Colmar in seiner Entscheidung vom 29. April 1909 (Leipziger Zeitschrift für Handelsrecht 3, 953). Die Ge sellschaft für Geschichte und Altertumskunde hatte sich gewei gert, einen Grundriß der lothringischen Geschichte in ihrem Jahrbuch zu veröffentlichen. Sie bestritt nicht, daß die Arbeit dem von ihrem Vorstande aufgestellten Plane der Darstellung entsprach, die Bemängelung betras vielmehr die wissen schaftliche Bedeutung der Arbeit. Das Gericht war der Ansicht, daß eine solche Bemängelung keinen Grund zum Rücktritt vom Vertrage bilden könne. Ein Rücktrittsrecht würde allerdings gegeben sein, wenn die Mängel des Werkes darauf zurückzuführen wären, daß die geistige Persönlichkeit des Ver fassers, die die wesentliche Grundlage eines derartigen Ver trages bilde, eine erhebliche Veränderung, namentlich infolge von Krankheit, erlitten hätte; der Fall läge ähnlich, wie beim Versicherungsverträge, wenn bei dem Versicherten Unsicher heit einträte. Hier sei zwar der Verfasser vor mehreren Jah ren längere Zeit schwer krank gewesen, ein Zusammenhang zwischen dieser Erkrankung und den Fehlern der Arbeit sei aber nicht festzustellen. Die Gesellschaft ist deshalb verurteilt worden. Hiernach kommt es vor allen Dingen darauf an, wel ch e m Z w e ck das Buch dienen soll. Ein Kursbuch, ein Adreß buch, eine Logarithmentafel, ein Wörterbuch sollen Hilfsmittel für den praktischen Gebrauch sein, aus ihre Angaben muß der Benutzer sich verlassen können. Natürlich ist es ausgeschlossen, datz ein ganz fehlerfreies Buch verlangt werden kann; denn Druckfehler lassen sich nicht vermeiden, sie kommen überall, selbst in dem mit äußerster Sorgfalt hergestellten Reichsgesetz, blatt vor. Es fragt sich nur, wie häufig sie sind und ob nicht ein Mangel an Sorgfalt bei der Korrektur geherrscht hat. Ganz anders sind Werke schöngeistigen Inhalts zu beurteilen. Das Martinsche Buch ist nicht ein Adreßbuch der Millionäre, obwohl es sich Handbuch nennt, es ist nicht für einen plastischen Zweck bestimmt, sondern sein Inhalt ist seuilletonistischer Art. Zutreffend ist übrigens der Gesichtspunkt hervorgehoben, daß die Angaben des Buches nicht auf amtlichen Quellen, sondern auf Vermutungen und Hörensagen beruhen, der Leser also über den Grad ihrer Zuverlässigkeit nicht im unklaren sein kann. Darauf, datz nicht eine ausdrückliche Gewähr für die Richtig keit der Angaben übernommen ist, kommt es dann nicht an, wenn sich diese Gewähr aus der Zweckbestimmung des Buches von selbst ergibt. 2. Greift der Mangel nicht in das Gebiet der Persönlich keitsrechte des Verfassers hinüber, sondern betrifft er die ver- tragsmätzige Beschaffenheit, so stehen demVerlegernach seiner Wahl mehrere Rechte zu. ». Entweder kann er Lieferung eines mangelfreien Werks verlangen. Will er dies, so muß er dem Verfasser eine angemessene Frist setzen mit der Erklärung, datz er nach dem Ablauf der Frist das Werk nicht annehmen wird. Eine Fristbestimmung ist nicht nötig, wenn die mangelfreie Her stellung des Werks nicht möglich ist, z. B. der Verfasser ver storben ist und seine Erben an seine Stelle getreten sind, oder wenn der Verfasser sie verweigert, oder wenn der sofortige Rücktritt des Verlegers vom Vertrage durch ein besonderes Interesse von ihm gerechtfertigt wird. Das Reichsgericht hat in der oben mitgeteilten Entscheidung vom 21. November 1910 auch deshalb eine Fristsetzung für unnötig erachtet, weil nach allem, was geschehen, der Verleger kein Vertrauen zu einer Neubearbeitung des Buchs durch denselben Verfasser haben konnte. u Ist die gestellte Frist abgelaufen, ohne daß der Verfasser ein fehlerfreies Werk geliefert hat, so ist der Verleger berechtigt, seinen Rücktritt vom Vertrage zu erklären. Der Rücktritt ist aber unzulässig, wenn die Lieferung eines mangelhaften Werks für den Verleger nur einen unerheblichen Nachteil mit sich bringt; in diesem Falle wird natürlich der Verleger sich init einer Fristsetzung nur dann abgeben, wenn er auf eine