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Lichtenstein-Callnberger Tageblatt : 24.11.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1776437853-192011243
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1776437853-19201124
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1776437853-19201124
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Lichtenstein-Callnberger Tageblatt
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-11
- Tag 1920-11-24
-
Monat
1920-11
-
Jahr
1920
- Titel
- Lichtenstein-Callnberger Tageblatt : 24.11.1920
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durchaus sachgemäßer Weise geordnet.-Er schließt mit dein Ausdruck der Hoffnung, daß recht bald von feiten der fran- zäjischm Regierung die endgültige Lösung dieser Angelegen- HAt ^folgen werde. Nach Erledigung einer Reihe weiterer Anfragen werden di« Interpellationen der weiblichen Abgeordneten des Hau- s«t über Vorlegung eines Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes, so- «tßr der Abgeordneten Hergt und Genossen über die russischen Kriegsgefangenenlager nach der Bereiterklärung der Regie rung, sie innerhalb der gesetzmäßigen Frist zu beantworten, einstweilen abgesetzt. ' Es folgen mündliche Berichte des Geschäftsordnungsaus- fchusses, welche darin gipfeln, gerichtlichen Befahren gegen die Abgeordneten Isenmann, Walle, Lübbring und Kempkes die Genehmigung zu versagen. Das Haus beschließt dem- gemäß. Nach einer Reihe kleinerer Vorlagen vertagt sich das Haus auf Mittwoch 1 Uhr: Zweite Elatsberatung. Schluß 2 Uhr. Deutsches Reich. Berschnrrlznng der Nrukvmmunisten mit den Kommunisten in Sachsen. <SZ.) Dresden. Die Mitglieder der beiden Parteien der Moskauer Internationale in Sachsen, der US. P., lin ker Flügel, und der K. P. D. (Spartakus) haben sowohl im Wahlkreis Leipzig, als auch im Wahlkreise Ostsachscn ihre Verschmelzung zur „Vereinigten kommunistischen Partei" beschlossen. Im Wahlkreise Chemnitz brauchte ein solcher Be schluß nicht erst hebeigeführt zu werden, weil dort beide Gruppen schon bei der Landtagswahl zusammengegangen sind. Infolge der angeführten Beschlüsse, die dann noch in Bezirksdelegierten-Versammlungen ihre Bestätigung fanden werden nunmehr auch die gewählten Landtagsabgeordneten der beiden Gruppen, von denen bekanntlich die Neukommu nisten drei und die Kommunisten sechs zählen, zu einer Frak tion üch vereinigen. Zur Ablieferung der Milchkühe. Berlin. Wie ein nach Berlin zurückgeiehrter deutscher Unterhändler, der an den Pariser Besprechungen über die von der Entente geforderten 810 OVO Milchkühen beteiligt war, mitteilt, sind etwas tröstlichere Mitteilungen über den Stand dieser Frage hervorgcbracht worden. Es scheint, daß die zahllosen deutschen Kundgebungen gegen diese barbarische Zumutung in Frankreich einigen Eindruck gemacht haben. Doch wäre es natürlich verfehlt, an diele Verhandlungen allzuweitgehcnde Hoffnungen zu knüpfen. Immerhin darf man wohl sagen, daß die mündlichen Bemühungen unserer Vertreter wenigstens nicht nutzlos geworden sind. Hauptausschuß des Reichstages. Der Hauptausschuß des Reichstages setzte gestern seine Beratungen über den Haushalt des Reichswehrministeriums fort. Es gelangten eine Anzahl Anträge zur Abstimmung, u. a. wird ein allseitig unterstützter Antrag, von den fünf beantragten Generalen zwei zu streichen, einstimmig ange nommen. Angenommen wird femer ein Antrag Heile (Dem.), der bestimmt, daß die Weiterverwendung eines nicht auf dem Boden der Verfassung stehenden Offiziers keines falls zulässig sei. Die Weitcrbcratung findet heute statt. Um Süötirsl. In der gestrigen Sitzung der österreichischen National veriammlung kam Präsident Dinglhofer auf die Aeußcrun- gen des deutschen Außenministers und des deutschen Botschaf ters in Rom über Südtirol zu sprechen und sagte, es ist wahr, daß bei uns über derartige Aeutzerungen ein tiefer Unwille erregt wurde. Wir können nicht glauben, daß ein deutscher Mann sich zu einem derartigen Verrat an den deut scheu Volksgenossen hergeben konnte, Ein solcher Schritt, mag Deutschland uns noch so sehr befreundet sein, müsten wir als sehr befermdend bezeichnen. Das Vermögen der Hshenzailern. Wie die „P. P. N." hören, bereiten die Sozialdemo kraten eine Resolution zur Verfassung vor, in der sie die Staatsregierung auffordrrn, ein Reichsgesetz herbeizuführen, durch welches das Vermögen der Hohenzvllern dem preu ßischen Staat ohne Entschädigung übereignet wird, während diesem die Verpflichtung auferlegt wird, allen jetzt lebenden Mitgliedern des Hauses Hohenzollern eine angemessene Un terhaltsrente bis zu ihren« Ableben zu gewähren. Polnisch« und deutsche Beschwerden. In Beantwortung einer ganzen Reihe polnischer Be schwerdenoten hat die deutsche Regierung nunmehr ihrerseits der polnischen Regierung eine eingehende Aufzeichnung durch die Warschauer Gesandtschaft übergeben lassen, worin auf die Verhaftungen und Bedrohungen nachdrücklich hingewie sen wird, denen bis in die letzte Zeit die ohnehin schon leidende deutsch sprechende Bevölkerung in den abgetretenen Gebieten ausgesetzt ist. Die Aufnahmebedingungen in de« Völkerbund. Am Sonntag abend hat die 5. Kommission folgenden Antrag Vivianis einstimmig angenommen: Kein neuer Staat wird in den Völkerbund ausgenommen, bevor er folgende vier Bedingungen erfüllt hat: 1) Der Staat muß alle in ternationalen Verpflichtungen, die er übernommen hat, erfüllt haben; 2) Der Staat muß eine verfassungsmäßige Regie rung besitzen; 3) Der Staat muß eine Verfassung haben, die die nötige Gewähr dafür bietet, daß er für Verbind lichkeiten, die ihm der Völkerbund auferlcgt, aufkommt: 4) Der Staat muß genau bestimmte Grenzen haben, innerhalb deren die Bevölkerung tatsächlich eine Nation darstellt. — Die erste dieser vier Bedingungen ist, obwohl es nicht ganz offenbar wird, gegen Deutschland gerichtet, während die drei anderen sich gegen Rußland wenden dürften. Die Lebrnsmittelsenounqen aus dem Ausland. Die Abgeordneten Frau Mende, Dr. Runkel, Dr. Mol denhauer und Kempkes haben folgende Anfrage im Reichs tag eingedracht: „Seitdem es den Deutschen im Auslande und den deutschfreundlichen Ausländern wieder möglich ist, sich ihrer Freunde und Verwandten im Baterlande durch Entsendung von Liebesgaben annehmen zu können, senden sie ihnen in erster Linie die notwendigen Lebensmittel zu, wie Fett, Margarine, Fleisch, Mehl und vor allem Zucker. Leider werden diese Anstrengungen durch die Tätigkeit des Reichskommissars in Berlin sehr geschädigt, der nach zahl reichen Angaben die Einfuhr von Butter, Fleisch, Speck, Mehl und Zucker ganz und gar verbietet. Größere Sendun gen an Wohltätigkeitsanstalten werden zum Teil beschlag nahmt. Durch diEe Verbote wird dem Volke der Weg zu einer besseren Ernährung gesperrt. Im Auslände wird oa- durch der Eindruck erweckt, als wenn wir an nichts Mangel leiden. Ist der Reichsrcgisrung die Tätigkeit des Reichs- kommiäars bekannt? Was gedenkt die Reichsregierung zu tun, um eine Aendcrung diekes unhalibaren Zuftandes hcr- beizuführen?" Ein neues Zeugnis für die Kriegsschuld unserer Feinde, bringt im ,,D. O.-B!." Koro.-Kapitän Schul'/ in Gestalt eines Brieses des früheren Marine-Attaches v. Knorr in Tokio bei, der ihn am 10. April 1914 an Sch. schrieb. Daraus sind für die Allgemeinheit folgende Stellen von allergrößter Wichtigkeit: „Anderseits i't das Zusammenar beiten der Gegenpartei, speziell der Russen und Franzosen, sehr eng. Ich bin — und daraus möchte ich die Auf merksamkeit lenken -- geradezu betroffen über die Gewiß heit, mit der hier alles den Krieg der Tripelallianz mit Deutschland für sicher hält." Von dem persönlich hochgeschätz ten englischen Miiilär-Attachee heißt es ,,.... er sähe so, wie die Dinge liefen, auch keine Möglichkeit mehr zur Ver meidung eines Zusammenstoßes. Und der Adjutant des ja panischen Marineministers fragte mich, wer denn im be vorstehenden Kampfe jetzt die Flotte führen würde, Inge- nohl oder ein anderer? Dies sind nur ein paar herausge griffene Gesprächswendungen. Aber bedrückender als das ist die>es kaum greifbare, aber doch so scharf fühlbare Etwas, das für mein Empfinden wenigstens so wie eine Art Bei leid über ein noch nicht ausgesprochenes Todesurteil hier in der Luft liegt. Ich kann mich des Gefühls nicht er wehren, daß auf der anderen Seite schon alles verabredet ist und nur des Signals zum Angriff harrt." Endlich wird sestgestelit, wieviel uns Japan im Rücken Rußlands helfen könnte - aber es will nicht, denn es will uns unsern Süd setbesitz und Tsingtau ab nehmen." — Gibt es bessere Zev- gen für di« rechte Kriegsschuld als solche Worte vom April 1914? Eh» Resvluti«, brr Eisenbahn« gegr« den Wacher. Der Vorsitzende der Betriebsräte der EisenbLI^ämter Groß-Frankfurts hat folgende Resolution gefaßt: Mr er heben hiermit schärfsten Protest gegen den unerhörten Wa cher, welcher die Lebensmittel und die Gegenstände des täg lichen Bedarfs zurzeit überteuert, daß es der gesamten Ar beiterschaft der Eisenbahnen kaum mehr möglich ist, ihre Lebenseristenz zu erhalten. Es liegt im dringendsten Inter esse der Oeffentlichkeit, daß die traurige Notlage der Staats arbeiter behoben wird. Die Versammlung richtet einen drin genden Appell an die Organisation, auf dem schnellsten Wege Verhandlungen über Lohnverdesserungen mit dem Reichsverkehrsministerium aufzunehmen. Italiens Entschädigungsansprüche. Die italienische Regierung hat der Reparationskommis-- sion mitgeteilt, daß sie geneigt wäre, von Deutschland un ter dem Titel der Reparation weitere bedeutende Mengen von Farben, chemischen Produkten, pharmazeutischen Artikeln und Holz, ferner verschiedene Fabrikate anzunehmen, sobald Deutschland in der Lage sein sollte, entsprechende Mengen abzugeben. Zum Zwecke der Abrechnung der erhaltenen Wa ren als Entschädigungssumme soll eine italienische Kommis sion unter Vorsitz des Schatzministers errichtet werden, der es obliegt, festzustellen, welche Waren und Mengen jeweilig benötigt werden. Abbau des Paßzwanges. Das Auswärtige Amt und das Reichsamt des Innern beabsichtigen den Abbau der vom Publikum mit Recht als drückend empfundenen Paß- und Sichtvermertverordnungen. Dor einiger Zeit bereits war in Paris über die Möglichkeit einer Aufhebung des Paßzwanges verhandelt worden. Man war jedoch zu der Ueberzeugung gekommen, daß der Patz zwang im Augenblick noch nicht ausgehoben werden könne, wohl aber die umständlichen Sichtvermerkbestimmungen. Die Reichswehroffizirre wünschen das Wahlrecht. Die Offiziersvereinigung der deutschen Republik wen det sich in einer Kundgebung gegen den Paragraphen des Reichswehrgesetzes, der den Angehörigen der Reichswehr das aktive und passive Wahlrecht nimmt und die Zugehörigkeit zu politischen Vereinen sowie die Teilnahme an ihren Ver sammlungen verbietet und den Anschluß an nichtpolitische Vereine von der Genehmigung des Vorgesetzten abhängig macht. Besprechungen über die bayrische Einwohnerwehr. München. Ministerpräsident von Kahr, der sich zurzeit für einige Tage auf Urlaub befindet, wird sich nach dessen Ablauf nach Berlin begeben, um dort mit den zuständigen Stellen der Reichsrcgierung über die Zulassung der bayrischen Einwohnerwehr und über die Frage ihrer Entwaffnung sich ins Einvernehmen zu setzen. Man darf wohl annehmen, daß es über den Weg weiterer Verhandlungen mit den alliierten Mächten zu einer Verständigung kommen wird. Ob sich die schließlichen Zugeständnisse an den bayrischen Standpunkt an lehnen werden, muß natürlich abgewartet werden. In gut unterrichteten Kreisen ist man überzeugt, daß die bayrische Regierung wie die Reichsregierung alles tun werden, um Deutschland vor den möglichen Folgen eines Nichlzustande- kommens der Verständigung zu bewahren. Ausland Gegen die tschechischen Gewalttaten. Wien. Im Laufe der Proteitveriammlung gegen die Ge walttaten der Tschechen in Prag und Deutschböhmea naben fall sämtliche Redner der Hoffnung aus einen baldigen Anschluß acr das Deutsche Reich Ausdruck. Abgeordneter Kalling (Karlsbad) erklärte, die Deutschen würden in der Tschechoslowakei m ihrer Abwehr vor keinem Opfer zurückschrecken, denn das Hauptziel der Deutschen in der Tschechoslowakei sei die Freiheit und die Vereinigung mit dem großdeutscten Volksstamme. Abgeordneter Dr. Prunner führte unter anderem aus: lieber der Treue zum Staat fleht die Treue zum angestammten Volkstum. Wir wollen ein gesichertes Volkstum. Die Tschechen machen es den Deutschen im tschechischen Staate unmöglich, am Staate mit zuarbeiten. .In der unter lebhaftem Beifall einstimmig ange nommenen Entschließung heißt es: Wir vertrauen fxster denn je aur die Vereiniauna. des -ganzen deutschen Volkes. Es wrrd seine losgerissenen Brüder und Schwestern nicht vreisneben. —- Um A«g u«ck Del. Original-Roman von Margarete Wolff-Meder. 52. Nachdruck verböte». Das Gesellschaftsleben hatte iie diesen Winter auf das Aeuherste beschränkt. Nur die Allerintimsten, zu denen auch immer Irmingard Ollmann und Kleinmüllrrs gehörten, sah man zum sagenannten „frugalen" Abendessen oder zum Tee bei sich. Dagegen widmete Inge sehr viel Zeit dem philantroppchen Wir ken. Namentlich dem Kinderelend hätte sie ihr Herz und ihre Hilfe zugewendet. Es war das Reflerleben ihrer tiefverwun- deten Gemütsverfassung. Immer, wenn sie wie jetzt, nichts die Stille in der großen Wohnung störte, bildete sie sich ein, ibr Kind wäre nicht gestorben, es wäre am Leden, es läge auf einem weichen, warmen Spielteppich zu ihren Füßen, lache und jauchze, greife mit den Händen umher und könne schon ver stehen, was sie zu ihm plappere . . . Sie hätte ja so schreck lich gerne das Leben mit kinderdummem Plappern von vorne cmgefangen. Die>e Vorstellungen kamen jetzt wieder und hüllten ^>nge und füllten ihre Augen mit Tränen. Da klingelte es draußen an der Etagentür und gleich noch einmal heftig, schnell, ungestüm. Inge fuhr mit d«m Taschentuch« über die Augen. Wer war so ungeduldig? Wer konnte jetzt bei dem trübseligen Regen wetter kommen? Doch noch eh« sie Vermutungen anstellte, rauschte an der verdutzt dreinblickenden Lise, Frau Anni Kleinmüller aufgeregt ins Zimmer. Sie sank sogleich auf einen Stuhl, etliche Paketchen, die iie in der Hand trug, glitten achtlos auf den Boden nieder. Und nachdem nun Lis« dir Tür geschlossen hatte, brach die hübsch«, klein«, blonde Frau in heftiges Schluchzen aus. - Inge war so erschrocken, daß fie nicht gleich eine Frage fand. . Aber da stieß auch schon Frau Anni zwischen heftigem Wei nen heraus: „Darf ich hierbleiben? Ich kann zu meinem Mann nicht zurück. Er hat mich schlecht behandelt." „Aber um Gotteswillen, Frau Anni, das ist dock nicht möglich." Doch, es ist so ... Es ist schon lange so ... Da hat «r «ine Buchhalterin in seinem Geschäft. Die bekommt unrr- h-rt Hohrs Gehakt . . . Seit di« Person da ist, ist er ganz niederträchtig zu mir, und heute, heut«, als ich ihm Vorhal- - ... .. ...... tungen machte, betrug er sich gegen mich rob wie ein Fuhr- knecht." „Abe: Frau Anni." Inge saß mit gehafteten Händen in einem Sessel und blickte groß und fassungslos ihr Gegenüber an. , „Ich bin keine von den bequemen Frauen! Nein! Ich bin nicht dummglüubig! Ick lalle mir nichts vormachen!" Frau Anni riß und zerrte das gestickte Taicksntüchelchen mit nervösen Händen, während auf ihrem Gesicht Ler Ausdruck eines trotzigen Kindes stand, das in irgend eine: Sach« seinen Willen nicht Haden soltr. „Und Sie sind beut« in ernstlich bö'er Absicht von ihrem Manne weggegangen?" Inge hat sich nun von ihren ersten Schreck schon ein wenig erholt, iie streifte jetzt mit erstaunten Augen die verschiedenen Paketchen. die neben der kleinen Frau auf dem Boden lagen. „Ich fahre in ein paar Stunden nach Leipzig zu meinen Eltern. Das sind Mitbringsel für meine jüngeren Geschwister." Inge schüttelte den Kopf und schwieg eine ganze Weile. Er erschien ihr so unzart, sich als dritte in eine solche interne Sach« einzumischen, aber die kleine Frau sab doch gar zu kin- di>ch trotzig, nein, geradezu bockig aus Ich bin über fünf Jahre älter als Sie. Frau Anni, und willen Sie. . . . nehmen Sie mir meine Aufrichtigkeit nicht übel ... ich finde ihr Benehmen in dieser . . . dieser Situation dach ein ganz klein wenig unreif ... Ich, ich z. B. hätte nichr* an solche Neb«nsächlichkeit denken können . . . Sie zeigte auf die Paket- chen. Einen Augenblick senkte Frau Anni errötend das Gesicht, dann aber hob sie die Augen wieder und nun war es nicht ein eigensinniges, sondern sogar ein boshaftes Kind, das Ing« mit funkelndem Blick ansab. „Nein, Sie sind erhaben über kleine Frauenschwächen und Eitelkeiten. Mein Mann hat Sie mir gegen über oft genug als Muitereiemplar von einer Frau im Mund« ««führt ... Ich bin kindisch, oberflächlich, ein Sprühteufel. gut, meinetwegen. Aber nach einer Richtung bin bin ich klüger als Sie. Ich merke den Abfall meine; Mannes, Sie nicht . . . Sie merken nichts . . . Sie sind zu erhaben." Schnell, im pulsiv wurde das alles herausgesprudelt und nun zerrte, riß und knüllte Frau Anni wieder das Taschentuch in ihren kleinen ungeschickten Händen. Inge sah mit großen, stillen Augen hinüber. Sie begriff gar nicht, was ihr da gesagt worden war, erst allmählich dämmerte das Licht des Verstehens in ihrem Blicke auf. „Die meinen Sc« das?" stotterte sie. „Ich meine, Ihr Mann interessiert sich sehr für Fräulein Ollmann." Frau Anni sagte das nun ganz langsam, leise und mit niedergeschlagenen Lidern. Wie «in Feuerstrom schoß es Inge durch die Adern. Ein heftig stechender Schmerz belebte alle ihre müden, lethargischen Pulse. Für die Dauer eines kurzen Gedankens schrie es in ihr auf? ? „Ich liebe ibn. Ich lasse ihn mir nicht rauben. Aber dann lächelte sie ungläubig stolz. „Mein Mann interessiert sich für Fräulein Ollmann in dem gleichen Maßstabe wie ich, Frau Anni. Dafür haben wir unsere Gründe. Es gab häß liche, gesellschaftliche Zustände in unserem Heimatstädtchen, wir nahmen Fräulein Ollmann dagegen in Schutz." „Na meinetwegen." Frau Anni lachte boshaft mit listig zugekniffenen Augen. Wie ungezogen sie iit. Ich habe sie beim ersten Begegne« ganz anders eingeschätzt, dockte Inge. Abe: es war nun eine Röte in ihrem bleichen Gesicht und in den dunkelen, seit Monaten unendlich melancholischen Augen, ein« Unruhe, «in Brennen ent fachter Lebenspulse. Jetzt bezwang sie sich und fragte: „Wollen Sie nicht ablegen? Darr ick Ihnen ein Frühstück anbieten?" Frau Anni nahm beides gerne an. Inge klingelte dem Mädchen, ließ der Besucherin die Sachen abnehmen und ließ den kleinen runden Tisch decken, und als sie daran saßen, fand Frau Anni es riesig gemütlich, und fing an von ihrem ungemütlichen Elternhaus in Leipzig zu sprechen, und von ihrer Mädchenzeit, wie sie umworben und umschwärmt gewesen und daß sie nun gerade an ihrem Mann hängen g« blieben wär«/ sie sei eben noch viel zu jung und dumm ge wesen: denn das mit der Liebe sei ja doch Unsinn, verpuffende Illusionen. „Und die Treue der Männer . . . Pah!" Frau Anni lehnte sich zurück, hob ibre rechte Hand empor und spreizte den kleinen Finger . . „Der weiß es besser jetzt. Sie lachte ein wenig schrill, aber es stürzten ihr Helle Tränen aus den Augen. Also birgt sich hinter all der Oberflächlichkeit doch eine tiefere Verwundung, dachte Inge erstaunt: denn die Tränen versöhnten sie nun mit dem, ihr «in wenig unverständlichen Wesen der jungen Frau. Sie äußert« sich jetzt teilnahmsvoller und gütiger und redete nun auch einer Rücksprache mit den Eltern das Wort. So saßen sie bis etwa 3 Uhr zusammen, dann holte Lise einen Wagen, in dem Frau Anni zur Bahn fuhr. Und Ing« stand am geöffneten Fenster, nickte und winkte und sah dem Gefährt nach bis es um die Eck« bog. (Fortsetzung folgt.)
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