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Lichtenstein LallnbergerTageblatt > - - — —... 70. J«h»g««g. ' Vellage z« Rr. 1U. Sonnabend, den 15. Mai 1S20. K VW IM «k tüMMM SkMIMS. Der Herr Reichsfinanzminister hat oem Vertreter des Londoner „Daily Expreß" eine Unterredung gewährt. Er führte Folgendes aus: ES ist unbeoingt notwendig, daß die Leistungen, die Teutfä land zu vollziehen hat, aus ungemersenen in fest «und klar bestimmte verwandelt werden und daß diese feste Summe sich , in einer Höh« hält, welche der Lei stungsfähigkeit Deutschlands entspricht. Solange das Damoklesschwert von ungemefsenen Le'stangm über Teutfchlano schwebt, ist! an eine hinreichende Erholung oer Volkswirtschaft nicht zu denken. Tas Bewußtsein, daß alle Früchte einer vermehrten Anspannung der Ar beitskraft einzig und allein dem Gegner ungute kommen ' sollen, ohne oie heimische Not zu lindern, oaß alle An strengung und Arbeit, um aus der Not oer Gegenwart Herausxu kommen, lediglich dazu dienen, den vom Aus land ausgeübten Truck zu erhöhen, Müßte naturgemäß jede Arbeitsfreudigkeit/ ertöten. Tas Volk müßte sich in einem solchen Falle sagen: Es hat keinen Zweck, zu ar beiten. Ter Erfolg tvurde dann der sein, nicht nur daS deutsche Wirtschaftsleben zusammenbrechen müßte, sondern, daß auch die Gegner viel weniger erhalten wür den als bei einer vernünftigen, im Rahmen der wirt schaftlichen Leistungsfähigkeit bleibenden Festsetzung der Entschädigungssumme. Ungemessene Verpflichtungen üben eine vernichtend« Wirkung auf jede Wirtschafts tätigkeit aus Tie Arbeit von Leibeigenen, die zu unge messenen Diensten verpflichtet sind, oder gar die Ar beit von Sklaven ist anerkannterweise die schlechteste und am wenigsten produktive von allen Arbeitsmethoden. Eine Bestimmung, daß mit zunehmender Leistungsfähigkeit die Verpflichtungen auss dem Friedensvertrag 'n heute noch nicht bestimmter Weise erhöht werden sollen, müßte ge nau dieselben Wirkungen ausüben wie der Zustand oer Leibeigenschaft und der Sklaverei. Eine solche Bestim mung wäre volkswirtschaftlich das denkbar widersinnigste. Man kann eine Nation niemals durch Zwang von außen zu erhöhten Leistungen bringen. Wie empfindlich das Wirtschaftsleben gegenüber dem! Zwange ist, hat sich ja bei tzep deutschen Zwangswirtschaft während des Krieges deutlich genug gezeigt; die Produktivität der Landwirt schaft ist nicht größer geworden, sondern rapide gesun ken. Und dabei war doch oie Arbeit iM Dienst: des Gr- samtwohls, im Dienste des eigenen Volkes geordert. Ohne klare, fest umrifsene Begrenzung der deutschen Verpflichtungen aus dem Friedensvertrag ist ein Wie deraufbau Europas, nicht Möglich. Klarheit ist aber auch notwendig mti Rücksicht auf die Saniesrung der Fi nanzen in den einzelnen Ländern, besonders in Deutsch land uno in Frankreich. Wie sollen wir zu einer ge ordneten Finanzwirtschaft kommen, wenn unerfüllbare oder gar vollkommen unsichere Forderungen an uns ge-. stellt werden, wenn wir nicht einmal wissen, was wir leisten müssen. Aber auch Frankreich kann zu einer Neu ordnung seiner Finanzen nicht kommen, wenn es nicht weiß, was es von uns zu erhalten hat, oder wenn die Forderungen so sind, daß sie einfach nicht erfüllt weroen können. Auch für die ganze Weltwirtschaft ist es von größter Wichtigkeit, daß endlich die Verpflichtungen Teutschlaues genau! festgelegt werden. Große Kreditope rationen können nur vorgenommen weroen wmn über die Leistungen und Verpflichtungen aus dem Fr-edensver- traq Klarheit besteht und diese Leistungen im Nahmen des volkswirtschaftlich Möglichen gehalten sind, Kredit und Handel aber sind heute noch enger miteinander verknüpft als in der Vorkriegszeit. Es wird also auch der W<- renaujs tauschunter den Völkern ungeheuejr leiden, wenn nicht eine vernünftige Lösung der Fra gen gefunden, wrro. Werden aber oie weltwirtschaftlichen Beziehungen nicht wieder in hinreichendem Maße aus ¬ genommen, ko muß unbedingt der Wiederaufbau Euro pas verzögert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wer den. DaS bedeutet wiederum Vermehrung der wirtschaft lichen und sozialen Not und neue politische Erschütterun gen. Tie Rückwirkung auch auf die Länder, die nicht oder nicht so sehr voM Kriege getroffen worden sind, kann jeder Volkswirt voraussehen. Darum ist eme vernünf- tige Regelung der Angelegenheit auch im Interesse der ganzen Weltwirtschaft nötig. Was wir wollen ist eine ehrliche Verständigung, die es ermöglicht, aus den Trüm mern Europas wieder auszubauen und die schweren Schä den zu heilen, die der Krieg allenthalben verursacht hat. Tie Forderungen, die man an uns stellt, mästen Volkse wirtschaftlich erfüllbar sein. Wir werden bei den Ver handlungen den Zustand unserer Volkswirtschaft objek tiv schildern und Vorschläge machen, von denen wir glau ben, daß sie auch auszuführen sind, sofern man der deutschen Volkswirtschaft wieder aufzuhelfen bereir ist. M W Ile Mel. „Journal" veröffentlicht die Hauvtbsbingungcn des türkischen Friedensvertrages,, der aM 11. Mai der türki schen Delegation überreicht worden ist. Danach wird das tür kische Gebiet! in Europa bis auf den äußersten Punkt der Halbinsel, auf der Konstantinopel liegt, beschränkt. Tie Grenze folgt der Tschadaltscha-Linie mit einem klei nen Umweg nach Norden, so daß der Jaker-Sce noch darein fällt. Dieser See ist für die Wasserversorgung Konstantinopels notwendig. In Asien geht die Grenz linie zwischen dem eigentlich türkischen Distrikt und dem arabischen Gebiet durch eine Temarkationsl-nie. Diese Linie beginnt bei der Mündung des Seihun nordöstlich des Golfes von Alexandria. Sie folgt diesem Fluß wei ter und geht quer durch Zizilien zwischen Marasch und Aitab und läuft dann weiter parallel an der Bagdad- Eisenbahn 50 Kilometer nördlich der Linie. Ter Sultan erhält Kleinasien,' muß aber zwei Teile owon abgeben. Auf der Seite des Zlegäischen Meeres hat man den Grie chen vcs Gegend von Smyrna gegeben, dis sie im Früh- jahr 1919 besetzten. D«M Namen nach wird aber das Gebiet von Smyrna unter türkischer Souveränität blei ben. Nach 5 Jahren soll hier eine Volksabstimmung stattsinüen. Armenien erhält in Batnm einsn Ausweg nach dem Meer. Die Regelung der armenischen Grenze steht noch nicht in den Einzelheiten fest, aber auf jeden Fall verliert die Türkei einen großen Teil des armeni schen Gebietes. Tie militärischen Bedingungen lauten.: Tie Festun gen an den Dardanellen und am Bosporus weroen ge schleift. Eine internationale Zivilkommission und eine internationale ständige Garnison werden oie Meerenge überwachen. Tie Türken werden eine Armee von 50000 Mann, bestehend aus Freiwilligen Mit langjähriger Dienstzeit, behalten dürfen, jedoch keine Flotte. Tie finanziellen Bestimmungen besagen, daß die Gebiete, die der Türkei verbleiben, zwei Drittel der Kriegsschulo trag«: müssen. Tie Höhe der Wiedergut- mächungssumme ist noch nicht festgesetzt. Eine tzltcrno- twnale Jinanzkowmission wird eingesetzt, um die otto- manischen Schulden bis 1922 aufrechtzuerhalten. Was dre Eisenbahn anbetrifft/ so wird der Teil der Bagoadbahn, der innerhalb oer Grenze der Türkei sich befindet, un ter ein besonderes Regime von Frankreich, England und Italien gestellt werden. Ter Teil der rein türkischen Eisenbahnen wird von einer alliierten Gesellschaft ver waltet werden' ) lemiklui -ec SüiMUm klMim. (SZ.) Tas Sächsische Arbeitsministerinm hat über die Bewirtschaftung des Brennholzes eine neue Verordnung herausgegeben, in der es u. a. heißt, daß die .Ver steigerung von Brennholz, insbesondere Bcennscheiten, Bicnnknüppeln und Astmetern bis auf weiteres verboten Tiefe Preiss sind als Mindestpreise rnzufehen, ist. Dieses Verbot gilt auch für Schachthölzer und andere ausgcbaute und für ihren bisherigen Gebrauch unver- wendbar gewordene Nutzhölzer, die zu Brennzwecken ab gegeben werden. Tagegen darf Brennholz jeder Act, des. sen Verwertung aus Grund gesetzlicher Vorschrift (z. B. im Falle der Zwangsvollstreckung) nur im Wege dec Ver steigerung erfolgen kann, auch künftig versteigert wer- den. Jeder Waldeigentümer und Waldtmtzungsberechtigte innerhalb des Freistaates Sachsen ist verpflichtet, zur Be friedigung des noch ungedeckten Bedarfs der Bevölke rung der für fein Waldgebiet zuständigen Kreishaicpt- mannschaft alles bis zum 15. März 1921 anfallende auf- beceitcte Brennholz, mindestens aber 1 RaumwLier Brenn holz (weich oder hart) von je 1 Hektar nutzbarer Bo- densläche, bis zum 31. März 1921 im Walde aufgear- beilct zur Verfügung zu stellen. Bei Waldui^en von mehr als 50 Hektar nutzbarer Holzbodenfläche erhöht -ich die ablieferungspflichtige Mindestmenge auf 3 Raummater für je 1 Hektar, doch ist das Landeskohlenami ermäch tigt, diese Mindestpflichtmenge wieder bis auf l Raum meter für je 1 Hektar herabzusetzen, wenn und insoweit die Ablieferungspflichtigen nachweisen, daß !ie Gruben oder Schleisholz in entsprechendem! Ausmaße unmittel bar für den Bergbau oder die Papierindustrie geliefert haben. Abraumreisig un8 Stockholz fallen nicht unter diese Bestimmung. Doch! ist den Waldeigentümern und Wcäo- nutzungsberechtigten, deren Waldungen nachive'Slich nur zu weniger als dem 4. Teile mit 40jährigem älterem Holze bestanden sind, nachgelassen, einen Teil, jedenfalls aber nicht Mehr als die Hälfte der Minvestpflichtmenge in Abraumreisig zur Verfügung zu stellen, wann sie sonst ohne wesentliche Beeinträchtigung ihrer Forstwirtschaft auch diese Mindestmenge nicht aufbringen könnten. Auch kann auf Wunsch der Empfänger eine entsprechende Menge gerodetes oder ungerodetes Stockholz und zwar statt 1 Raummeter .Scheite 2 Raummeter, statt 1 Raummeter Knüppel 1Vr Raummeter und statt 1 Raummeter Neste 1 Raummeter? Stockholz verabfolgt werden. Sogenannte Langhaufen, die außer abgabepflichtigem Brennholz auch Nutzholz und Reisig enthalten, müssen ebenfalls der Kreis- hsuptmannschaft angestellt? werden. Nach Höhe ihres zu schätzenden Gehalts an abgabepflichtigem Brennholz wer den fie ans die Mindest-Pflichtmenge in .Anrechnung ge bracht. Privateigentümer (-Nutzungsberechtigte) dürfen das für den Eigenbedarf und die Versorgung ihrer Angestell ten und Arbeiter benötigte Brennholz zurückbehalten. Ter Abzug dieses Bedarfs von der Mindestpflichtmenge ist insoweit unzulässig, als dadurch dem Verpflichteten das Ausbringen der Mindestmenge für mehr als 4 Hektar er- lassen würde. Ten Gemeinden mit Waldbesjtz ist nach gelassen, neben dem Eigenbedarf den Bedarf ihrer Ein. wohner im voraus zu befriedigen. Wieviel Brennholz im .Einzelfalle für diese Zwecke zurückbehalten weroen darf, entscheidet die zuständige Kreis-Brennholzstelle, oie aus dem Kraushanptm rnn oder einem von Viesern zu bestellenden Vertreter als VorOtz-n- oen und je einem Vertreter der staatlichen Focstverwal- tung, der walobesitzenden Gemeinden und der privaten Eigentümer besteht^ Ter Preis für das nach dieser Verordnung in An- spruch genommene Brennholz wird von der KreiS-Bcenn- holzstclle festgesetzt. Als Grundpreis sind dis von der Staatc-forstverwaltung ausgestellten Preise anzusetzen. Tiefe stellen sich zurzeit ab Wald für 1 Raummeter toie folgt: Für Brennscheite-Laubholz , „ Nadelholz „ Brennknüppel-Laubhol- . „ Nadelholz „ Astmeter-Laubholz „ „ Nadelholz 30—40 M. 30—34 , 28-38 , 26—3d „ 26 M. 24 . * Aeltvrkg«t»e», - Roman von Anny Wothe. 2» Rachdruck Verbote«. Welche Grazie diese jungen Geschöpfe dabei entfal teten! Ter Maler sog mit entzückenden Augen da: lieb lich« Bild ein, als jetzt die kleinste der drei, ein sechzehn jähriges, kapriziöses!, kleines' Geschöpf mG lochenden- Augen, übermütig ein Kränzlein ergriff uno es der schlan ken Mädchengestalt mit goldigem Gelock, die sich am eif rigsten an der Ausschmückung beteiligte, auf das 'Köpf chen drückte. „Für Dich ist der Kranz viel schöner, Gunde", sagte die Kleine und sah zärtlich zu der Freundin auf, „als für die alte,' längst vermoderte Schwester Agnese. Mein Gott, die schläft auch ohne Blumen!" „Wie kannst Du nur sündhaft reden. Liska", wehrte die Blondlockige mit sanftem Ernst. ,Hst es nicht ein süßes Recht, die Gräber derjenigen, die wir lieben, mit Blumen zu schmücken?" „Ja, die wir lieben", mischte sich oie Tritte ins Gespräch, ein Mädchen mit großen, braunon, ernsten Augen, „aber ich liebe ganz was anderes, als die tote Klosterfrau, die vielleicht vor hundert Jahre» einmal gelebt hat. Ich wünsche Euch weiter viel Vergnügen", sagte sie schnippisch, und schwang sich kühn auf die hohe ßehnk einer nghen sktrKenbMl!. Da saß sie denn hoch oben und blickte spöttisch auf die beiden Gsfähnen, die schweigend ihr Werk zu Ende sührten. „Ich hals nur deinetwegen", flüsterte Liska dem blon den Mädchen zu und drückte ihr den Rosenkranz fester auf die goldenem Locken — „Tu bist so gut und schön", sügte sie leise hinzu. „Still, still, Liska, wie kannst Tu nur so reden, wenn die fromme Mutter Dich hörte, wie würde sie traurig sein", wehrte Gunde, dann schlug sie andächtig das Zeichen des Kreuzes, legte die weißen .Hinde aus der Brust rajqmmen und neigte sich betend zu s.'w. Grab mal nieder. Leis schwebte der Orgelklang durch den Roum, Die Stimmen der Kinder setzten voll ein — es war, als trügen Lnglein jubelnd das Gebet des blonden Mäd chens zum Höchsten empor. Wortlos hatte Günter den Freund mit sich sortgezogen, dem Ausgang: za. „Ich bitte Dich, komm fort", flüsterte er an der Kirch tür, „oatz uns die Mädchen nicht entdecken," „Na, Tu bist wirklich heiter, ich wollte mich ja soeben oen orei allerliebsten Geschöpfen bem.-rkdoc ma chen", lachte Heinz. „Wäre ja eine zu interessante Be kanntschaft. Denkst Du/ denn, die jungen Klosterscäulcin sind hier alle Tage auf der Insel zu Huden? Fehlge schossen, lieber Freund, die fitzen in ihrem Kloster und sehen nichts von der Außenwelt. Tonnernnster, wenn die Nonncn werden sollen. Tie Schwarze mit de» dunk len Augen oder die Braunlockige mit dem allerliebsten Stumpfnäschen." „Oder die Blonde",/gab Günter gedankenvoll zurück. „Tic ist Mir zu heilig", lachte Heinz, „schön wie der junge Tag, würde ich sagen, wenn ich Dichter wäre, oder süß wie ein Gedicht, aber zu fromm, zu fromm, alter Freund." Günter sagte nichts.' Langsam wandte er den Blick noch einmal znr Kirchenkür zurück. Da stand in dem Nahmen derselben Gunda,j den Rosenkranz noch auf dem goldigen Haupt, wie ein Märchenbild und sah Mit großen, erschreckten Kinderaugen gerades in Günters Gssicht, Die Rosen, die sie noch in den rosigen Fingern trug, ent« sielen ihren Händen — säst entsetzt schlug sie die Kirchen tür zu, und die Stelle, wo noch soeben die lichte Mädchen- gestalt gestanden, war* leer. Günter ging langsam die paar Schritte zurück und nahm sinnend die Rosen aus. Heinz tat, als bemerkte er es nicht, aber während sie über den Frieolwf zurück dem Gasthouse zuschiitteip sang er lustig vor sich hin: „Rosen auf den W:g ge streut uno des Harms vergessen." In den Tälern webten schon graue Dämmerschatten — sie lagen auf den lichtgrünen Wellen des Chiemsees, aus dem dos ehrwürdige Kloster Frauenwürth aus der schmucklosen Insel sich stolz emporhob. Die letzte Ftam- Menspur der Sonne wgr hinter dem wejZrn AMm detz